"Miethai frisst Miethai": Megafusion auf dem Wohnungsmarkt
Vonovia plant Übernahme von Deutsche Wohnen, in Berlin soll ein "Zukunfts- und Sozialpakt" für drei Jahre den Mietanstieg dämpfen. Enteignungsinitiative zeigt sich unbeeindruckt
Auf dem deutschen Wohnungsmarkt werden die Karten neu gemischt. Der Branchenprimus Vonovia will die Nummer zwei Deutsche Wohnen (DW) übernehmen und bietet den Aktionären der DW dafür einen kräftigen Aufschlag von knapp 18 Prozent auf den Schlusskurs von Freitag. Rund 18 Milliarden Euro wird das kosten. Anders als beim ersten, gescheiterten Versuch vor fünf Jahren handelt es sich nicht um eine "feindlichen Übernahme", sondern um eine einvernehmliche Fusion. Es wird daher damit gerechnet, dass der Deal über die Bühne geht und auch die Kartellbehörde grünes Licht gibt.
Der neue Megakonzern würde dann über 550.000 Wohnungen mit einem Gesamtwert von mehr als 80 Milliarden Euro verfügen. Der derzeitige Börsenwert liegt bei 48 Milliarden Euro. Das neue Unternehmen soll den Namen Vonovia SE führen. Die Zentrale soll in Bochum bleiben, aber auch in Berlin wird es einen Firmensitz geben.
Ohnehin ist Berlin Dreh- und Angelpunkt dieser Transaktion, und das nicht nur, weil Vonovia SE in der Hauptstadt über ein Portefeuille von mehr als 150.000 Wohnungen verfügen würde. Im Vorfeld der Übernahme gab es seit Monaten intensive Verhandlungen zwischen dem Management und hochrangigen Vertretern des Berliner Senats. Federführend waren dabei der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD). Nach jetzigem Kenntnisstand waren die Koalitionspartner Grüne und Linke nicht daran beteiligt - obwohl die Linke im Senat das Ressort für Stadtentwicklung und Wohnen leitet.
Der "Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen" ist eine Mogelpackung
Zusammen mit den Managern stellten Müller und Kollatz am Dienstag einen "Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen" vor. Demnach sollen die Mieten für Wohnungen des Konzerns in den kommenden drei Jahren um höchstens ein Prozent pro Jahr erhöht und die Umlage von Modernisierungskosten auf zwei Euro pro Quadratmeter begrenzt werden. Zudem sollen 20.000 Wohnungen an die kommunalen Wohnungsgesellschaften verkauft werden. Dazu kommt ein nicht genau quantifiziertes Neubauprogramm des Konzerns im unteren und mittleren Preissegment.
Für die in den Umfragen taumelnde Berliner SPD soll das der große Befreiungsschlag sein. Die Vereinbarung habe "herausragende Bedeutung" für die Lösung der Wohnungskrise in Berlin, betonte Müller. Das Problem der explodierenden Mieten könnten Wirtschaft und Politik nicht gegeneinander, sondern nur miteinander lösen.
Eine - gelinde gesagt - naive Einschätzung. Denn als börsennotierter Konzern mit großer Marktmacht in Berlin hat Vonovia nichts zu verschenken, sondern will möglichst hohe Profite für die Anleger erwirtschaften. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), nannte die Ankündigungen der Konzerne zu Mietpreisbegrenzungen eine "verbale Flucht nach vorne" angesichts wachsender Mieterproteste. Temporäre Mietbegrenzungen im Bestand änderten nichts an profitorientierten Geschäftsmodellen, wie etwa Neuvertragsmieten nach umfassenden Modernisierungen, die keiner Preisregulierung unterliegen. Dagegen helfe nur eine wirksame, lückenlose Mietpreisbremse auf Bundesebene.
"Für die Mieter bringt so eine Fusion herzlich wenig", sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Für die 18 Milliarden Euro Übernahmekosten müssten letztendlich die Mieter aufkommen und das Geld, das das Land für den Ankauf der 20.000 Wohnungen aufbringen muss, fehle dann für öffentliche Investitionen in den Wohnungsneubau. Außerdem führe die Fusion in einigen Quartieren Berlins zu einer marktbeherrschenden Position - und damit der Möglichkeit, höhere Mieten durchzusetzen.
Enteignungskampagne geht weiter
Eine wichtige Rolle bei dem Deal hat offensichtlich auch die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" gespielt, die sich gerade anschickt, die notwendigen Unterschriften für einen Volksentscheid am 26. September - parallel zu den Wahlen - zu sammeln. Und das mit guten Erfolgsaussichten, denn nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels vor dem Bundesverfassungsgericht hat die örtliche, ohnehin starke Mieterbewegung zusätzlichen Schwung bekommen.
Entsprechend unbeeindruckt zeigte sich die Initiative nach Bekanntwerden des Deals. "Miethai frisst Miethai, Raider heißt jetzt Twix. Doch ohne Enteignung ändert sich nix", hieß es in einem ersten Kommentar. Vonovia werde den Spekulationspreis, den sie für Deutsche Wohnen bezahlen wird, "aus den Mieter:innen rausquetschen wollen. Wenn nicht sofort, dann etwas später".
Und Michael Prütz, einer der Sprecher der Initiative, erklärte auf Anfrage, der Deal zeige, dass die Deutsche Wohnen durch das Volksbegehren "erheblich unter Druck geraten ist". Offenbar suche man verzweifelt nach Auswegen, um der angestrebten Vergesellschaftung der gesamten Berliner Bestände zu entgehen. Bürgermeister Müller habe wieder mal gezeigt, "dass er ein Genosse der Bosse ist". Die Kampagne für die Enteignung der großen Wohnungskonzerne werde mit voller Kraft weiter geführt, "und wir werden diesen Kampf auch gewinnen".
Die politischen Fronten für den kommenden Wahlkampf sind somit klar. CDU, FDP und - von wenigen kritischen Stimmen abgesehen - auch die SPD begrüßen die Vereinbarung. Auch die Grünen haben prinzipiell nichts dagegen - entspricht es doch ihrer Linie, "auf Augenhöhe" mit den Konzernen verhandeln zu wollen. Die Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt und die dort vorherrschende Renditelogik wollen diese Parteien nicht in Frage stellen, sondern bestenfalls "sozial flankieren". Nur Die Linke lehnt sowohl die Fusion als auch den "Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen" kategorisch ab, unterstützt die Kampagne und fordert zudem einen bundesweiten, lückenlosen Mietendeckel. Der Berliner Wahlkampf könnte außerordentlich spannend werden.
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