Migration: Der böse Vorwurf vom "Pull-Faktor" Seenotrettung im Mittelmeer
Seite 2: "Pull-Faktor": Vorwürfe von Frontex an die NGOs
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Angesichts der Seeuntüchtigkeit der Boote und der Schleuserbootsführer, auf die bekanntlich zum Teil auch gänzlich verzichtet wird, stellt sich eine Frage, die politisch sehr brisant ist, nämlich ob die Seenotrettung im Mittelmeer ein "Pull-Faktor" ist. Das wird in vielen Diskussionen immer wieder vorgebracht und der Vorwurf wurde auch seitens Frontex gegenüber den NGOs geäußert, die bei der Seenotrettung wichtige Lücken füllen, die auch die aufgestockte EU-Triton-Mission offen lässt. Es gab im letzten Jahr 5.000 Tote im Mittelmeer.
Die Grenzschutzagentur Frontex ging in ihren Vorwürfen sogar so weit, dass sie den NGOs unterstellte, diese würden Lagekoordinaten von Rettungsschiffen an die Schleuser weiterleiten.
Mark Micallef hat darauf eine differenzierte Antwort: Die Schleuser hätten ihre Vorgehensweise auf die Präsenz von Rettungsbooten abgestimmt. Wie aus dem Bericht hervorgeht, reagiert ihr Geschäftssystem in allen Bereichen sehr schnell auf Veränderungen. So hätten sie sich auch auf die Möglichkeit eingestellt, Rettungsboote zu orten und dies in die Organisation der Mittelmeerüberquerungen miteinbezogen.
Dies würde aber "geschäftsmäßig" nicht ins Gewicht fallen. Die Aussicht, ob das Risiko einer Überfahrt durch Rettungsboote geschmälert wird, ist für Menschen, die eine lange Reise voller Risiken antreten, um nur an die Küste zu kommen, kein ausschlaggebender Pull-Faktor, lässt der Bericht verstehen. Ein ganz anderes Gewicht habe, dass das Schleuserfließband zur Küste funktioniere. Das Geschäft mit der Migration sei über die Jahre so angewachsen und konnte sich mit garantierter Nachfrage so professionalisieren, dass Entwicklungen vor der Küste nicht das Entscheidende sei.
Gestützt wird diese Aussage durch eine aktuelle Studie von Elias Steinhilper and Rob Gruijters, die anhand von Vergleichen der Migrationszahlen auf der zentralen Mittelmeerroute zu Zeiten mit größerer Präsenz von Seenotrettungsschiffen und dann Zeiten mit weniger Präsenz zum Ergebnis kommen, dass die Search and Rescue(SAR)-Operationen zwar die Zahl der Toten tatsächlich verringern, aber keinen Effekt auf die Zahl der Migranten haben.
Nachtrag:
Ein Gericht in der libyschen Hauptstadt Tripolis hat kürzlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Flüchtlingsabkommens zwischen Italien und der Regierung von Serraj angemeldet. Momentan herrsche in Libyen ein "verfassungsrechtliches Vakuum", konstatiert der libysche Journalist Mohamed Eljarh.
Das von der UN und der internationalen Gemeinschaft anerkannte Parlament im Osten des Landes, in Tobruk, hat die im Dezember 2015 in Marokko unter UN-Vermittlung unterzeichnete Vereinbarung zum politischen Prozess in Libyen aufgekündigt. Auf diese stützt sich die Regierung Serraj. Obendrein ist nun die Legitimation des Parlements in Tobruk (Repräsentantenhaus, HoR) abgelaufen. Es müsste neu gewählt werden.