Migrationspolitik: Von der Leyen setzt auf einen Antisemiten und Verschwörungsfabulierer

Kais Said. Bild: Houcemmzoughi / CC BY-SA 4.0

Wertlose Interessenspolitik? Der tunesische Präsident ist auf dem Weg zum Diktator. EU will seine strategische Mitarbeit bei der Abwehr von Migration. Kais Saied hat dazu besondere Ansichten.

Das "Team Europa" auf dem Holzweg? Mitte Juni reiste das Team, namentlich von der Leyen, Rutte und Meloni nach Tunis, um ein Migrationsabkommen zu vereinbaren. Vergangene Woche meldeten italienische Behörden über 12.700 Anlandungen aus Tunesien, die meisten von ihnen über Lampedusa. So viel gab es noch nie.

Gestern äußerte sich der tunesische Präsident Kais Saied seine Regierung zum Thema Migration. Er sprach Machtworte. Er geißelte die Medien, besonders die auswärtigen. Den tunesischen stellte er Interventionen des Staates in Aussicht, um ihnen bei der Berichterstattung zu helfen.

Als große Erklärung für die Probleme, mit denen Nordafrika gerade zu tun hat, nahm er einen Wind auf, der das politische Klima mit Hass triggert: Antisemitismus. Der Sturm Daniel sei nicht zufällig nach dem Namen eines jüdischen Propheten benannt worden, belehrte Saied seine Minister und die Öffentlichkeit. In der Namensgebung sieht Kais Saied ein Zeichen.

Dass der Mittelmeer-Hurrikan, der Anfang September für zigtausend Tote in Libyen und immense Schäden in Nordafrika gesorgt hat, so heiße, zeige den Einfluss des Zionismus. Der habe so zugenommen, dass er sich des Intellekts und des Denkens bemächtige, wenn man nicht aufpasse und wach sei.

Der neue Mann für die Sicherheit Europas ist ein gefährlicher, unberechenbarer Mann, warnen Kenner der Region.

Dass Kais Saied auf dem Weg ist, ein Diktator zu werden, davon gab er schon länger Zeichen. Gestern demonstrierte er erneut, wie repressiv er gegen Medien vorgehen will.

Offensichtlich hat er es allerdings bisher nicht ganz geschafft, der ehemals starke tunesische Zivilgesellschaft ganz den Mut zu nehmen und sie auszuhöhlen. Es melden sich erste Proteste gegen seine zunehmend autoritäre Politik.

Hang zu Verschwörungstheorien

Hierzulande weniger bekannt ist Kais Saieds Hang zu Verschwörungstheorien. Das Sturmtief Daniel ist nicht das erste Beispiel. Saied proklamiert für Tunesien eine Variation der Rattenfänger-Fabel vom "Austausch der Bevölkerung":

Es gibt einen kriminellen Plan, die Zusammensetzung der demografischen Landschaft in Tunesien zu verändern, und einige Einzelpersonen haben große Geldsummen erhalten, um Migranten aus Subsahara-Afrika den Wohnsitz zu geben.

Kais Saied

Es gebe den Wunsch, mittels "Horden illegaler und krimineller Migranten" aus Tunesien "nur ein Land in Afrika und nicht ein Mitglied der arabischen und islamischen Welt zu machen", zitierte Le Monde im Februar dieses Jahres aus einem Kommuniqué des tunesischen Staatspräsidenten.

Der Kampf gegen diese "Horden" wäre dann das gemeinsame Interesse von Team Europa und Tunesien? Oder ist das nur eine Sache der Formulierung? So wie etwa "wertegeleitete Außenpolitik"?

Kais Saied jedenfalls bemüht sich, härter vorzugehen. Wie er gestern erklärte, würden die Medien falsche Darstellungen liefern. Man sei längst dabei, gegen Schleuser und kriminelle Banden vorzugehen.

Tatsächlich wurde die Aktion von französische Medien aufgenommen und etwa von ouest-france gemeldet, dass "im Rahmen einer großangelegten Operation in der tunesischen Region Sfax am Wochenende des 16. und 17. September 2023 2.500 Migranten und Dutzende von Schleusern abgefangen" wurden. Auch Reuters berichtet davon.

Die Sicherheitskräfte haben nach Auffassung Saieds "eine beispiellose Mission zur Zerschlagung krimineller Netzwerke, die Menschenhandel und Organhandel betreiben", erfüllt. Das Selbstlob überzeugt Europa wenig.

Abreisen nach Europa

Die Europäer verdächtigen nämlich die tunesischen Sicherheitskräfte, die Abreise nach Italien eher zu fördern, indem sie die illegalen Migranten zu Orten an der Mittelmeerküste bringen.

Die festgenommenen Migranten würden in Küstengebiete nördlich von Sfax gebracht, "die als beliebte Ausgangspunkte für die italienische Küste bekannt sind, insbesondere die weniger als 150 km entfernte Insel Lampedusa" (Le Monde).

Was an diesen Vorwürfen substanziell vorzubringen ist, muss noch geklärt werden. Die oben genannten Zahlen sprechen nicht gerade für Kais Saieds Version.

Klar ist, dass die nächste Station für die Migrationspolitik der EU in Nordafrika der ägyptische Machthaber as-Sisi ist. De facto ist auch er ein Diktator mit zigtausenden politischen Gefangenen als Ausweis einer repressiven, polizeistaatlichen Politik.

So sorgt auch die EU dafür, dass Außenministerin Annalena Baerbock der Stoff für Kathederreden von einer wertegeleiteten Politik nicht ausgeht.