Militante rechtsextreme Gruppen können in der Ukraine ungestraft Gewalt anwenden
Angriffe gegen Roma und andere Minderheiten häufen sich, aber Regierung und Verwaltung sind verfilzt mit militanten Nationialisten. Menschenrechtsgruppen und OHCHR warnen
In der Ukraine treten in letzter Zeit massiver rechtsnationalistische militante Gruppen auf, die Minderheiten, vor allem Roma, angreifen. So haben am 7. Juni Mitglieder der rechtsextremen National Druzhyna (Ndruga), gegründet von ehemaligen Mitgliedern der Azow-Miliz, die in der Ostukraine kämpfte, mit Äxten und Vorschlaghämmern ein Roma-Lager in einem Park in Kiew zerstört. Es war bereits der zweite solche Angriff auf Roma in kurzer Zeit in Kiew, wo rechtsextreme Angreifer der Gruppe C14 - weiße Suprematisten - Roma und ihre Kinder mit Steinen und Reizgas jagten und deren Zelte niederbrannten, in anderen Teilen des Landes kam es ebenfalls zu Übergriffen.
Die Bande hatte zuvor den Roma ein 24-stündiges Ultimatum gestellt, wartete aber dessen Ende nicht ab und erklärten: "Wenn die Polizei nicht handelt, übernimmt die National Druzhyna die Kontrolle." Zwei Dutzend Mitglieder der sich selbst als Bürgerwehr verstehenden Gruppe stürmten auf das Gelände, zerstörten in aller Ruhe und am helllichten Tag die Zelte und bedrohten die wenigen anwesenden Frauen. Zunächst hat die Gruppe ein selbstgedrehtes Video von dem Überfall auf ihre Facebook-Seite gestellt, auf dem sie meist unmaskiert offen ihr Gesicht zeigten. Das Video wurde dann wieder entfernt.
Am Schluss des Videos, das von EuroMaydan auf YouTube gestellt wurde, was nichts mit Kritik zu tun haben dürfte, tauchten ein paar Polizisten auf, machten aber nichts, sondern redeten nur mit den Extremisten, die vor der Polizei, die Äxte haltend, "Ehre der Nation! Tod den Feinden!" gröhlten.
Amnesty International, HRW und Freedom veröffentlichten daraufhin einen offenen Brief, indem sie darauf hinwiesen, dass "brutale Angriffe auf Roma, LGBT und Menschenrechtsaktivisten in den letzten Monaten zunahmen". Die Regierung wird scharf kritisiert, weil sie nicht einschreitet und die Täter nicht strafrechtlich verfolgt, was diese stärke. Selbst Freedom House, finanziert mit öffentlichen Geldern, warnte kürzlich, dass Rechtsextremisten "eine wirkliche körperliche Gefahr für linke, feministische und LGBT-Aktivisten, Menschenrechtler sowie ethnische und religiöse Minderheiten" seien. Dringend müsse das Wegschauen der Polizei beendet werden.
Zwar versicherte die Polizei, dass nach dem Vorfall am 7. Juni Ermittlungen eingeleitet worden seien, aber bislang gab es noch keine Anklagen und Festnahmen. Allerdings scheint bereits ein Polizist mit den Rechtsextremen zum Roma-Lager nach dem Video mitgelaufen zu sein.
Die rechtsextremen Militanten, die sich Nationalni Druschini (National Druzhyna oder Nationales Kommando) nennen, hatten sich zu Beginn des Jahres gegründet - und zwar mit einem Aufmarsch von um die 600 uniformierten Mitgliedern ausgerechnet am 28. Januar statt, dem Tag des internationalen Holocaust-Gedenkens. Sie marschierten wie einst die Faschisten offen durch die Stadt und legten in einer öffentlichen Zeremonie unter Fackelschein ihren Eid ab, die öffentliche Ordnung zu verteidigen (Marsch durch Kiew).
Zentrale Figur war Andrij Bilezkyj, der Kommandeur des Asow-Bataillons, das durch faschistische Parolen und Insignien, Zeichen ist die Wolfsangel, schon 2014 aufgefallen war, aber von der ukrainischen Regierung dennoch anerkannt und von Innenminister Awakow pro forma der unter seinem Befehl stehenden Nationalgarde zugeordnet wurde.
In einem Manifest kündigten sie bereits damals an, gegen Drogen-Dealer, illegale Kasinos und Wilderer vorzugehen und für "den Schutz der öffentlichen Ordnung, die Verteidigung der Ukraine, den Schutz der kleinen und mittleren Unternehmen" sowie eine "gesunde Lebensweise" zu kämpfen. Die Behörden duldeten dies, auch die Ankündigung, eigenmächtig als Bürgerwehr zu agieren. Wenn offenkundig, wie Videos zeigen, mit Schusswaffen trainiert wird, scheint dies auch niemanden zu stören. Ganz offen patrouillieren sie weiterhin in den Städten.
Verwunderlich so nicht, wenn sich jetzt herausstellte, dass die als NGO von Kiew anerkannte Truppe auch finanziell vom Staat unterstützt wird. Letztlich sind rechte Gruppen, die sich als Bürgerwehren geben, tief verfilzt mit der Polizei und der Verwaltung, zumal sie rechtlich auch anerkennt werden und ziemlich weitreichende Befugnisse haben. So erhielt die Neonazigruppe C14, die der Ideologie des weißen Suprematismus anhängt, ebenso wie die rechtsextreme Swoboda-Partei Gelder vom Jugendministerium für "national-patriotische Erziehungsprojekte". Das Ministerium erklärte, man unterstützte nicht die Gruppen oder die Partei, sondern nur Projekte.
Gesetz garantiert Straffreiheit für Maidanaktivisten auch bei Mord
Und dann gibt es auch noch den gerade veröffentlichten 21. Bericht des UN-Hochkomissars für Menschenrechte (OHCHR) über Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine vom Februar bis Mai 2018. In diesem Zeitraum habe es 121 dokumentierte Menschenrechtsverletzungen gegeben, die 252 Opfer betreffen. Für 68 Vorfälle (61 Prozent) ist die ukrainische Regierung verantwortlich, bewaffnete Gruppen, gemeint sind die separatistischen Milizen, für 19 (17 Prozent) und die "russische Regierung als Besetzungsmacht auf der Krim für 25 (22 Prozent).
So wird mangelnde Unabhängigkeit der Justiz in der Ukraine kritisiert, vor allem wenn es um "anti-ukrainische" Vorfälle geht. So wurde ein Maidan-Aktivist festgenommen, weil er unter Verdacht stand, zwei Polizisten am 20. Februar 2014 erschossen zu haben. Das habe zu Vorwürfen von Abgeordneten gegen die Ermittler geführt, dass nicht die Richtigen verfolgt werden.
OHCHR verweist auf ein am 21. Februar vom Parlament mit dem Sturz der Janukowitsch-Regierung eilig verabschiedetes Gesetz, das Maidan-Aktivisten vor strafrechtlicher Verfolgung schützt, selbst wenn dies die Tötung von Polizisten betrifft. Die Ermittlungen müssen nach dem Gesetz eingestellt und die Akten vernicht werden. Das ist mir bislang nicht bekannt gewesen und dürfte eine Bestätigung des Verdachts sein, dass rechtsextreme, bewaffnete Maidan-Aktivisten für Morde verantwortlich sein könnten.
Der Generalstaatsanwalt mischte sich am 4. April und sorgte dafür, dass der Leiter der Ermittlungsgruppe ersetzt wurde. Danach wurden die Vorwürfe gegen den Aktivisten niedergeschlagen. Das sollte ein Weckruf für die Unterstützer der Ukraine aus dem Westen sein. Auch die Aufklärung des Massakers am 2. Mai 2014 in Odessa, wo 48 Menschen starben, werde sehr einseitig ausgeführt und komme nicht voran.
Die OHCHR kritisiert, dass im Berichtszeitraum die ukrainische Regierung für 28 und rechte militante Gruppen für 25 Angriffe auf Menschen, öffentliche Veranstaltungen und friedliche Versammlungen verantwortlich gewesen seien, aber keine Strafverfolgung stattgefunden habe. Berdroht sei die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit durch zunehmende Angriffe auf Journalisten und Medien. Beeinträchtigt sei auch die Versammlungsfreiheit durch Angriffe auf Minderheiten. Verwiesen wird auch auf die Angriffe auf Roma-Lager durch Rechtsextremisten. Diskriminierung, rassistische Gewalt und "hate speech" hätten in einer auf dem Recht basierenden Demokratie keinen Platz. Die ukrainische Regierung wird aufgerufen, entschieden dagegen vorzugehen.