Milliardensubventionen für Atomkraft und gefälschte Bauteile
- Milliardensubventionen für Atomkraft und gefälschte Bauteile
- Absurde Argumentation
- Trotz AKW muss teurer Strom hinzugekauft werden
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USA: 5,3 Milliarden Euro für Atomindustrie - in den "meisten, wenn nicht allen" Atomkraftwerken sollen unsichere Bauteile verbaut sein; Frankreich muss die Pleite-EDF mit 2,1 Milliarden retten
Zwei unterschiedliche Meldungen, die scheinbar in keinem Zusammenhang stehen, zeichnen oft ein klareres Bild der Gesamtlage. Zunächst hatte in den USA die Nuclear Regulatory Commission (NRC) mitgeteilt, dass in "den meisten, wenn nicht allen" Atomkraftwerken der USA gefährliche Bauteile verbaut worden sein dürften, die nicht den Sicherheitsanforderungen entsprechen.
Nach einem Bericht des Generalinspekteurs der Bundesaufsichtsbehörde für die Atomindustrie wurden "gefälschte, betrügerische und verdächtige" Bauteile in den Atomkraftwerken des Landes verbaut, die nicht über die nötigen Sicherheitszertifikate verfügen. Gesprochen wird von "counterfeit, fraudulent, and suspect items (CFSI)".
Diese gefälschten oder nachgebauten Bauteile würden "Fragen hinsichtlich der nuklearen Sicherheit und der Gefahrenabwehr" aufwerfen und sie "könnten schwerwiegende Folgen" zeitigen, beschreibt der Generalinspekteur Christopher T. Hanson weiter.
Mehr als 100 Vorfälle
Die Untersuchung war eingeleitet worden, nachdem bei der NRC Berichte von Whistleblowern eingegangen waren. Die Aufsichtsbehörde schreibt, es sei eine "Reaktion auf Informationen" von Beschwerden in drei Bereichen. So seien vermutlich nicht nur gefälschte Teile in den meisten oder allen Atomkraftwerken zu finden, sondern auch der Frage sei nachgegangen worden, ob auch die NRC selbst "Überwachungsstandards" gesenkt und es "versäumt" habe, auf Beschwerden wegen CFSI-Bauteilen zu reagieren.
Besonders bedenklich ist, wie in dem Bericht ausgeführt wird, dass Mitarbeiter des Energieministeriums (DOE) allein im vergangenen Jahr "mehr als 100 Vorfälle" im Zusammenhang mit den gefälschten Bauteilen identifiziert haben, darunter waren "fünf Vorfälle, die sicherheitsrelevante Komponenten" betroffen hätten.
So war in einem Fall eine Wasserpumpe betroffen und die ist genau für den Notbetrieb im Ernstfall bedeutsam. Es ist aus Fukushima nur zu gut bekannt, was passiert, wenn ein Reaktor nicht mehr gekühlt werden kann. In einem Atomkraftwerk sei eine "entdeckte installierte gefälschte Pumpenstange einer Notbetriebspumpe nach sehr kurzer Betriebszeit gebrochen." Im Notfall hätte sie damit für die Notkühlung des Reaktors versagt.
In einem anderen Atomkraftwerk seien "etwa 15" Sensoren zur Überwachung der Temperatur ausgefallen, die zur Erkennung von Dampfleitungsbrüchen in verschiedenen Bereichen des Kraftwerks eingesetzt werden. "Es gab Hinweise darauf, dass einige Geräte mit mangelhaften Teilen repariert worden waren und anschließend vorzeitig ausfielen", stellt der Bericht fest, der auch von "unzulänglichen Wartungspraktiken" sprach. Festgestellt wurden auch fehlerhafte Unterbrecherschalter, die Brände verhindern sollen.
Was die Beschwerden von möglichen abgesenkten Kriterien zur Überwachung von gefälschten Teilen durch die Aufsichtsbehörde selbst angeht, wurde vom Generalinspekteur kein definitiver Beweis gefunden. Allerdings stellt Hanson fest, dass "mehrere Beispiele darauf hindeuteten".
Das gelte auch für fehlende Kontrollen über mögliche Verstöße und dazu käme eine abnehmende Zahl über Berichte zu Mängeln und zur Nichteinhaltung von Sicherheitsnormen. Die NRC-Website zeige einen Rückgang der eingereichten Berichte nach "Part 21" in den letzten fünf Jahren. "Seit 2011 ist die Zahl der Part-21-Berichte in Atomanlagen um mindestens 50 Prozent zurückgegangen."
Insgesamt ist es wahrlich nicht neu, und auch nicht auf die USA beschränkt, dass mit fehlerhaften oder gefälschten Teilen in der gefährlichen Atomindustrie gearbeitet wird. Es ist bekannt, dass auch etliche fehlerhafte Teile mit gefälschten Sicherheitszertifikaten aus Frankreich weltweit verbaut wurden. Die NRC ging vor einigen Jahren davon aus, dass zweifelhafte Komponenten aus der früheren Areva-Schmiede "Creusot Forge" in 17 Atommeilern der USA verbaut wurden. Die gehört nun, nach der Pleite von Areva, zu Framatome und damit zum teilstaatlichen Energieriesen EDF.
Frankreich
In Creusot sollen seit 1965 Zertifikate gefälscht worden sein. Betroffen davon war auch sicherheitsrelevante Teile für das Atomkraftwerk in Fessenheim am Oberrhein, das inzwischen definitiv stillgelegt wurde. Heraus kam der Schwindel aber über den Neubau in Flamanville. In dem "neuen" sogenannten "European Pressurized Reactor" (EPR), der eigentlich schon seit zehn Jahren Strom liefern sollte, aber das auch mindestens zwei weitere Jahre nicht tun wird, wurden zum Beispiel auch fehlerhafte Teile am Reaktorbehälter verbaut .
Das ist auch der französischen Aufsichtsbehörde (ASN) bekannt, die ihn trotz allem ans Netz lassen will. Der Reaktordeckel soll dann nach einigen Betriebsjahren überprüft werden. Wie das gehen soll, weiß man noch nicht. Vom ebenfalls mangelhaften Reaktorboden spricht man nicht, da eine Überprüfung illusorisch wäre. Statt den Pleiten-, Pech- und Pannen-EPR endlich zu beerdigen, will Frankreich nun für viel Geld (geplante 50 Milliarden Euro) sechs weitere bauen.
Biden: Milliarden-Subventionen für AKW
Kommen wir zum zweiten Vorgang in den USA, der mit Teilen, die die nötigen Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen, auf den ersten Blick scheinbar nichts zu tun hat. Auf den zweiten Blick lässt sich aber ein direkter Zusammenhang sehen. So will die Regierung von US-Präsident Joe Biden ein Hilfsprogramm für Atomkraftwerksbetreiber auflegen. Mit sechs Milliarden US-Dollar (5,3 Milliarden Euro) sollen alte Atomkraftwerke subventioniert werden.
Darüber soll der Weiterbetrieb von Meiler gesichert werden, die sonst aus ökonomischen Gründen abgeschaltet würden. Selbst Atomkraftbetreiber räumen immer wieder ein, dass Atomkraftwerke unrentabel sind.
Die angeblich so effizienten Atomkraftwerke, die angeblich so billigen Atomstrom liefern, wie die Atomlobby doch stets propagiert, müssen auf die eine oder andere Art hoch subventioniert werden, um sie am Leben zu erhalten. "Warum die US-Regierung Milliarden ausgeben will, um verlustbringende Atomkraftwerke am Laufen zu halten", titelte zum Beispiel in diesen Tagen CNBC in den USA.
Die USA verfügen nicht nur weltweit über den größten Atomkraftwerks-Park, dort sind 93 Reaktoren am Netz, die allerdings nur rund 20 Prozent des Stroms im Land liefern. In Frankreich, das noch tiefer in der Atom-Sackgasse steckt, waren es bisher etwa 66 Prozent, mit abfallender Tendenz wegen massiver Probleme im alten Kraftwerkspark.
Das bringt den Kraftwerksbetreiber EDF in noch stärkere Schieflage, worauf weiter unten eingegangen wird. Das zwingt das Land nun aber auch, nach den vollmundigen Ankündigungen vom Kohleausstieg, die Kohleverstromung wieder aufzunehmen, um zu versuchen, einen Blackout abzuwenden.
Doch zurück in die USA, dort stehen Atomkraftwerksbetreiber schon seit geraumer Zeit unter Druck, da erneuerbare Energien den Strom billiger liefern. Aber auch Erdgas sei billiger, zitiert der TV-Sender CNBC den Experten Ben King:
Wenn Erdgas billig ist, ist es für die Kernenergie extrem schwierig, die Kosten zu decken, die sie braucht, um in Betrieb und wirtschaftlich zu bleiben.
Wie von Telepolis gerade aufgezeigt, sind die USA nicht nur der größte Ölproduzent, sondern bauen ihre Vormachtstellung auch im Gas-Sektor aus. Es ist der seit Jahren starke Kostendruck, der dann auch betrügerisches Vorgehen verstärkt, sodass mangelhafte und deutlich billigere Bauteile in den gefährlichen Anlagen verbaut werden, die nicht über die nötigen Sicherheitsgarantien wie Originalteile verfügen.
Die Lage ist in den USA ist ähnlich verfahren und vielleicht sogar noch gefährlicher als in Frankreich, denn die Reaktorflotte ist sogar noch älter als bei unserem Nachbarn. Die USA verfügen weltweit über den ältesten Reaktorpark mit einem Durchschnittsalter von etwa 40 Jahren. Die meisten AKW gingen dort schon vor 1985 in Betrieb.
Im vergangenen Jahrzehnt sind aber bereits ein Dutzend Reaktoren vom Netz gegangen, weil sie, obwohl längst abgeschrieben, in sich veränderten Strommärkten längst nicht mehr rentabel waren. Der Anteil von 20 Prozent Atomstrom an der Stromversorgung ließe sich in dem riesigen Land aber leichter und schneller zum Beispiel durch erneuerbare Quellen ersetzen als die 66 Prozent in Frankreich.
Doch statt sichere und rentablere erneuerbare Energiequellen zu fördern, will die Biden-Regierung nun Atomkraftwerke mit sechs Milliarden Dollar subventionieren, denen sonst das ökonomische Aus droht. Damit soll ihre Abschaltung verhindert werden.
Das ist nicht nur angesichts mangelhafter Bauteile ein gefährliches Spiel, sondern allein schon wegen der Tatsache, dass die Gefahren in Atomkraftwerken im Laufe der Jahre wegen der Versprödung der Materialien zunehmen.