Frankreich: Zurück zur Kohle, um Blackout zu vermeiden
Großspurig wurde von Macron der Kohleausstieg verkündet, doch weil der altersschwache Atompark immer stärker schwächelt, wird wieder verstärkt auf Kohlestrom gesetzt
Seit Anfang Dezember wird vor Stromausfällen in Frankreich gewarnt, da die "Verfügbarkeit" der Atomenergie stark gesunken ist. Die Warnungen rührten vor allem aus der Tatsache, da sich zunächst die Wartung einiger AKW weiter verzögert. Telepolis hatte schon darauf hingewiesen, dass sich die Lage im Januar weiter deutlich zugespitzt hat.
So hatte auch der Netzbetreiber "RTE" angekündigt, dass im Fall einer Kältewelle "Industriebetriebe" - wieder einmal - "heruntergefahren werden müssen oder es in Privathaushalten stundenweise zu Stromausfällen kommen könne".
Das hatte damit zu tun, dass weitere Atomkraftwerke wegen Korrosion an sicherheitsrelevanten Systemen abgeschaltet werden mussten. Diese Korrosionsprobleme sind möglicherweise aber nicht nur auf die bisher abgeschalteten Meiler wie Chooz und Civaux beschränkt, weshalb der Kraftwerksbetreiber EDF den gesamten Kraftwerkspark überprüfen muss.
Nachdem schon fünf Atomreaktoren wegen der Korrosionsprobleme abgeschaltet sind, muss die EDF nun zunächst drei weitere Reaktoren abschalten. Betroffen sind Chinon 3, Cattenom 3 und Bugey 4. Dazu werden drei weitere Atommeiler auf die Probleme überprüft, die allerdings schon abgeschaltet sind. Nach RTE-Angaben werden im Februar zwischen neun und dreizehn Reaktoren keinen Strom liefern.
Statt 60 Gigawatt haben die französischen Atomkraftwerke schon bisher nur noch 50 Gigawatt produziert und nun sind es nur noch 45 Gigawatt. RTE erwartet, dass es zwischenzeitlich sogar nur noch 38 Gigawatt sein werden. Damit wird es ziemlich eng im französischen Netz. Sollte es kalt werden, gehen spätestens dann die Lichter im Atomstromland aus.
Geschätzt wird, dass bei einer Kältewelle allein die Strom-Heizungen, mit denen beim Nachbar oft in schlecht gedämmten Häusern geheizt wird, etwa 30 Gigawatt ziehen. Der bisherige Spitzenwert beim Stromverbrauch lag bei 102 Gigawatt. Der wurde 2012 erreicht, als alle im Land auf den Blackout gewartet hatten.
Damals konnte der über massive Stromimporte aus dem gesamten Ausland noch abgefangen werden. Seither gibt es Aufrufe zum Stromsparen aber praktisch jedes Jahr und vor fast genau einem Jahr stand Frankreich erneut vor dem Blackout und ganz Europa ist nur knapp daran vorbeigeschrammt.
In den vergangenen zehn Jahren ist der altersschwache Atompark aber noch älter geworden. Die Probleme und Gefahren nehmen zu, auch die Blackout-Gefahr. Es ist zu vermuten, dass angesichts der geringen Verfügbarkeit der Atomkraftwerke das Land nun kaum erneut aufgefangen werden könnte, wenn es erneut zu einer Kältewelle kommt.
Zwischenzeitlich wurden zudem die beiden Uraltmeiler in Fessenheim abgeschaltet und es ist bekannt, dass es den Franzosen auch mit zehn Jahren Verspätung bisher nicht gelungen ist, den "neuen" EPR in Flamanville ans Netz zu bringen. Das wird auch bis 2024 nicht passieren, wenn das überhaupt gelingt, da inzwischen Konstruktionsfehler aufgetaucht sind.
Da die Stromversorgung im Land immer instabiler wird, greift das Land nun wieder verstärkt auf Kohlestrom zurück. Das Energie- und Klimagesetz von 2019 hatte einen jährlichen Grenzwert von 0,7 Kilotonnen Kohlendioxidäquivalent pro Megawatt installierter elektrischer Leistung festgelegt und damit den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleproduktion, die bereits marginal ist, eigentlich besiegelt.
Doch es kam wieder einmal anders als man in Paris dachte. Nun muss die Regierung die Betriebsdauer alter Kohlekraftwerke wieder erhöhen und die erst zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Vorschriften werden jetzt schon wieder gelockert.
Nach einem Dekret, das am vergangenen Sonntag im Amtsblatt veröffentlicht wurde, sollen in den kalten Wintermonaten Januar und Februar die Kohlekraftwerke insgesamt 1000 Stunden am Netz sein, also fast 50 Prozent mehr als die bisher erlaubten 700 Stunden Betriebslaufzeit für das gesamte Jahr.
Klar ist aber, dass die Kohlekraftwerke, die nicht einmal eine Leistung von zwei Gigawatt bringen, im Notfall einen Blackout nicht verhindern werden. Die kurze Halbwertszeit von Gesetzen, die schon nach gut einem Monat nach ihrem Inkrafttreten wieder geändert werden müssen, zeigt, wie dramatisch die Versorgungslage inzwischen im Atomstromland ist.
Das Hochfahren von Kohlekraftwerken und das "Anheben der Kohlequote um ein wenig", begründet auch die Umweltministerin Barbara Pompili mit den Engpässen: "Diese Maßnahme ist notwendig, um die Sicherheit der Stromversorgung im Hinblick auf RTE-Alarme zu gewährleisten", meint die Umweltministerin, die von der Kohle als "größtem Feind" spricht.
Auf diesen "Feind" setzt man nun selbst wieder, dabei wurde schon bisher massig Kohlestrom aus Deutschland oder anderen Ländern importiert. Es ist geradezu drollig, wenn Pompili "garantiert", dass es nicht zum Blackout kommen werde, da man entsprechende Vorkehrungen getroffen habe.
Allerdings schränkt sie gleich wieder ein, dass es "bis zum Ende des Winters keinen allgemeinen Blackout in Frankreich geben" werde. Am Zeitplan für den Kohleausstieg werde sich auch nichts ändern, verspricht sie im Land, in dem im April ein neuer Präsident gewählt wird.
"Von vier Kohlekraftwerken sind zwei geschlossen, das dritte wird im Frühjahr geschlossen und das andere, sobald der EPR in Flamanville in Betrieb ist", verspricht sie. Glauben muss man das nicht, zumal die Frage besteht, ob der EPR jemals in Betrieb geht.