Minijobber außen vor
Gewerkschaften fordern 1.200 Euro Mindest-Kurzarbeitergeld. Für 450-Euro-Kräfte mit vollständigem Verdienstausfall haben sie in der Corona-Krise keine schnelle Lösung parat
Unter den Erstunterzeichnern der Petition, die vor wenigen Tagen von den Gewerkschaften ver.di und NGG gestartet wurde, sind vor allem etliche Betriebs- und Personalratsvorsitzende von Reiseveranstaltern und Theatern. Auch die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen sowie Linksparteichef Bernd Riexinger haben unterschrieben. Gefordert wird ein branchenunabhängiges Mindest-Kurzarbeitergeld von 1.200 Euro für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die von Verdienstausfällen durch Betriebsschließungen im Zuge des Corona-Lockdowns betroffen sind.
Kleinere Gastronomiebetriebe und Friseurgeschäfte verfügen seltener über Betriebsräte, sind aber mit am schlimmsten betroffen. Da es sich bei Friseurhandwerk, Einzelhandel und Gastronomie schon um Branchen mit eher bescheidenen Tariflöhnen handelt, reichen vielen Kurzarbeitenden die 60 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts, die sie in den ersten drei Monaten erhalten - beziehungsweise 67 Prozent, wenn Kinder vorhanden sind - nicht zur Sicherung ihres Lebensunterhalts.
Für neue Mitarbeiter im Friseurhandwerk gilt beispielsweise in Bayern ein tariflicher Mindestlohn von 1.690 Euro im Monat. Mit einer Lohnersatzleistung von nur 60 Prozent sind 1.200 Euro in diesem Fall bereits brutto deutlich unterschritten. Erst ab dem vierten Bezugsmonat steigt das Kurzarbeitergeld auf 70 beziehungsweise 77 Prozent, ab dem siebten Monat auf 80 beziehungsweise 87 Prozent des normalen Nettoentgelts. Zuständig ist die Bundesagentur für Arbeit.
"Oft reicht das Geld vorne und hinten nicht, ohne eigenes Verschulden geraten diese Menschen in existenzgefährdende Notlagen", heißt es in der Petition an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sowie die Vorsitzenden der Regierungsparteien.
Nach Schätzungen des Münchner Ifo-Instituts sich die Zahl der Kurzarbeitenden im Januar um rund 20 Prozent erhöht - im vergangenen Monat waren demnach bundesweit 2,6 Millionen Menschen auf Kurzarbeit, im Dezember waren es etwa 2,2 Millionen. Der Anteil der Kurzarbeitenden an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt stieg damit von 6,6 Prozent im Dezember auf 7,8 Prozent. "Einsamer Spitzenreiter bei der Kurzarbeit blieben die vom Lockdown besonders hart getroffenen Hotels und Gaststätten" - hier sei der Anteil von 54,1 Prozent auf 55,9 Prozent gestiegen, teilte das Institut am Montag mit.
Die zahlreichen Minijobberinnen und Minijobber, deren Einkommen in der Branche vollständig weggebrochen ist, sind hier außen vor, denn sie haben mangels sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Auch in der Gewerkschaftspetition kommen sie nicht vor. Vielmehr sehen sich die Initiatoren darin bestätigt, dass derlei ungesicherte Arbeitsverhältnisse gar nicht zulässig sein sollten. "Wir fordern seit längerem, dass Minijobs ganz abgeschafft und in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt werden", betonte die Pressesprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Karin Vladimirov, am Dienstag gegenüber Telepolis.
In Hamburg haben nach Gewerkschaftsangaben zum Beispiel rund 17.000 Minijobber in der Corona-Krise ihre Arbeit verloren, darunter rund 5.000 aus der Gastronomie. "Betroffen sind gerade Frauen, die eine 450-Euro-Stelle als Kellnerin oder Küchenhilfe oft als einzige Einnahmequelle haben", sagte die NGG-Gewerkschafterin Sarah Witte am Montag laut einem Bericht der Deutschen Presseagentur. Nur wenn Sozialabgaben, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge gezahlt würden, könnten Beschäftigte wirksam geschützt werden, so Witte.
Aktuell dürften durch den Verlust von Minijob-Einnahmen auch etliche Familien in Mitleidenschaft gezogen werden, deren Hauptverdiener bereits in Kurzarbeit sind.