Mission impossible?

Die Friedenstruppen stehen in Liberia vor schier unlösbaren Problemen - und könnten auch selbst zu einem werden

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Als sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Abend des 1. August endlich zur Entsendung einer multinationalen Friedenstruppe in das Bürgerkriegsland Liberia entschlossen hatte, war UN-Generalsekretär Kofi Annan sichtlich erleichtert. Wenn auch nicht übertrieben optimistisch, wie die wartenden Reporter schließlich feststellen mussten: "Ich hoffe, dass sich dadurch ein neuer politischer Wille ausdrückt, ein Wille, der der internationalen Gemeinschaft bislang gefehlt hat. Ich hoffe, dass wir nun, da die Resolution beschlossen wurde, dem Volk von Liberia schnell und gezielt helfen werden. Ich will hoffen, dass die multinationale Truppe, dem Volk nach ihrem Eintreffen Hoffnung und Unterstützung bringt (...)."

Für manche Beobachter war das Wort "hope" in dieser Erklärung etwas überrepräsentiert, andererseits wird niemand Annan einen ernsthaften Vorwurf machen können, wenn er der verspäteten Aktion mit einiger Skepsis entgegensieht. Denn obwohl das 300 Mann starke nigerianische Vorauskommando, das in den nächsten Wochen verdreifacht werden und schließlich in einer 3.250 Soldaten umfassenden westafrikanischen Friedenstruppe aufgehen soll, am Montag in der Hauptstadt Monrovia mit Freudengesängen und Sprechchören empfangen wurde, ist ein Erfolg des Einsatzes nicht einmal in Sichtweite.

Noch in der Nacht und am folgenden Dienstagmorgen wurden durch Raketenangriffe und Schusswechsel erneut Menschen verletzt, berichtet ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Die Regierung um Präsident Charles Taylor und die Anführer der Rebellengruppe "Liberian United for Reconciliation and Democracy" (LURD) werfen sich weiterhin gegenseitig vor, nicht ernsthaft an einer Beilegung der Auseinandersetzungen interessiert zu sein, denen seit Ende der 90er Jahre über 200.000, seit Anfang Juni allein in Monrovia rund 2.000 Menschen zum Opfer fielen. Dass Taylor wie angekündigt am 11. August um 11.59 Uhr zurücktritt, ist - da ihm in Sierra Leone ein Kriegsverbrecherprozess droht - bislang ein leeres Versprechen, aber auch ohne den Präsidenten spricht noch nichts für eine schnelle Beendigung der Konflikte.

In der Hauptstadt gibt es offenbar keinen klaren Frontverlauf, was umso weniger verwundert, als es sich bei den Kämpfern mehrheitlich nicht um ausgebildete Soldaten mit erkennbarem Auftrag handelt. Für Nils Kastberg, Direktor des Kinderhilfsprogramms der Vereinten Nationen (UNICEF), "ist klar, dass in den vergangenen Wochen alle Seiten auch Kinder mit Waffen versorgt haben. Wir reden darüber, dass vielleicht 50 bis 60% der bewaffneten Kombattanten unter 18 Jahre alt sind." Der Umgang mit den Kindersoldaten wird die Friedenstruppe nach Kastbergs Ansicht vor eine kaum zu überschätzende praktische, vor allem aber moralische Aufgabe stellen: "Es gibt nicht Schrecklicheres als mitten in der Nacht an einem Checkpoint aufgehalten zu werden, der von einem zehnjährigen Kind mit Gewehr besetzt ist. Diese Kinder haben überhaupt keine Chance, ein Wertesystem zu entwickeln. Sie haben keine Parameter, sie sind völlig unberechenbar."

Ähnliches könnte aber auch für die Friedenstruppe selbst gelten. Denn der "Economic Community of West African States" (ECOWAS), die für den Einsatz verantwortlich ist, werfen Kritiker u.a. die Duldung schwerer Menschenrechtsverletzungen vor. Bei dem Friedenseinsatz in "Sierra Leone", den ebenfalls nigerianische Kräfte anführten, wurde beispielsweise ein achtjähriger Junge getötet, der eine Pistole bei sich trug. Unter der Aufsicht eines westafrikanischen Militäroffiziers sollen 98 Menschen gemeinsam exekutiert worden seien, außerdem wird über ein regelrechtes Massaker in einem Krankenhaus berichtet.

Ndekhedehe Effiong Ndekhedehe, der Nigeria bei den Vereinten Nationen vertritt, sieht das zwar nicht so dramatisch ("Im Großen und Ganzen sind unsere Truppen sehr diszipliniert. Sie benehmen sich."), doch ein Bericht von Amnesty International weist darauf hin, dass der UN noch sehr viel mehr Erkenntnisse über Menschenrechtsverletzungen vorliegen. So sollen nigerianische Soldaten bei einem Überfall auf die Lajoy-Goldmine am 10. Mai 1997 Menschen mit Holzstöcken und elektrischen Leitungen geschlagen und einen Mann mit Rasierklingen regelrecht zerschnitten haben.

Unter diesen Umständen könnte es noch sehr lange dauern, bis das Morden in der ältesten unabhängigen Republik Afrikas, die 1847 von freigelassenen amerikanischen Sklaven gegründet wurde, ein Ende hat. Auch wenn sich mittlerweile sogar die lange entbehrte amerikanische Hilfe in Form der Kriegsschiffe "USS Iwo Jima", "USS Carter Hall" und "USS Nashville" im Hafen von Monrovia anzukündigen scheint.