Mit Abstand und Maske allein wird die Bewegung nicht verschwinden

Seite 2: Mehr als 2 Meter Abstand auch zu autoritärer Staatlichkeit

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Der 1. August zeigte auch, dass es fatal wäre, der autoritären Staatlichkeit dann zu applaudieren, wenn sie angeblich "die Richtigen" trifft. Die Auflösung der Demonstration wegen Verletzung der Hygienemaßnahmen war ein Akt der autoritären Staatlichkeit, die dieses Mal eine rechtsoffene Demo getroffen hat. Das nächste Mal können es Gewerkschaftskundgebungen oder andere Proteste sein. Daher gilt weiterhin, was die Initiatoren von Coview19 schon Ende März schrieben:

Gleichzeitig sind die temporären, enormen Einschränkungen von Grundrechten etwas, das es zu beobachten und kritisch zu begleiten gilt. Denn diese Entwicklung passiert in einer Situation, in der in mehreren Regionen der Welt ohnehin massive Konflikte vorherrschen, die sich teilweise in einer Verschärfung von Kontrollpolitik niederschlagen.

All jene, die Interesse an Kontroll- und Überwachungspolitik haben, haben jetzt weitgehend freie Hand. Maßnahmen, wie Grenzschließungen und Einschränkung von Versammlungsrechten bedeuten nicht nur eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, vielmehr es stellen sich Fragen wie: Wann werden Grenzen, die nun geschlossen werden, wieder geöffnet? Wann können Demonstrationen wieder uneingeschränkt stattfinden?

Diese staatlichen Maßnahmen führen dazu, dass wir als Individuen in bestimmtem Maß bevormundet werden. Dabei ist es wichtig, selbstverantwortliche und den Mitmenschen gegenüber achtsame Entscheidungen und Vorsichtmaßnahmen selbst zu erkennen und umzusetzen.

Coview19

Gerade in den letzten Tagen überboten sich Politiker aller Parteien mit Ratschlägen für autoritärere Maßnahmen, Verbotskataloge und höhere Strafen. Zudem werden auf ordnungspolitischer Grundlage schon mal weitere autoritäre Maßnahmen ausprobiert, dazu gehört ein Verbot vom Verkauf von Alkohol, wie es jetzt in Hamburg ausprobiert oder das Betretungsverbot für bestimmte städtische Plätze wie in Frankfurt/Main.

Die Gästelisten in Restaurants und der autoritäre Staat

Zu diesen angekündigten Verschärfungen gehört auch die Diskussion um die Namenslisten in Restaurants. Als im Mai nach dem Lockdown die Restaurants wieder öffnen konnten, wurde über den Datenschutz der Gästelisten diskutiert, die damals obligatorisch wurden. Sie sollen nur den Gesundheitsämtern zur Nachverfolgung von Ansteckungen zur Verfügung stehen.

Zwei Monate später wissen wir, dass die Polizei in mehreren Fällen schon auf diese Namenslisten zugegriffen hat, um Delikte aufzuklären, bei denen es nicht um Gesundheitsschutz geht. Wurde zunächst noch der Eindruck erweckt, da hätten Missverständnisse oder Verordnungslücken vorgelegen, verteidigen nun Polizeigewerkschafter und Politiker offensiv, dass diese Listen auch der Polizei zur Verfolgung von Straftaten zur Verfügung stehen müssen.

"Wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt und andere Ermittlungsansätze nicht erkennbar sind, muss es die Möglichkeit geben, solche Gästelisten einzusehen und die Daten auszuwerten, das sehen die jeweiligen Gesetze auch vor", erklärte der Chef der rechtslastigen Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt.

Wenn es um die Aufklärung von Straftaten der Polizei geht, ist Wendt nicht so offensiv. So lehnt er vehement die Einführung von Namensschildern auf den Uniformen von Polizisten ab und hält auch nichts von einer Studie zu rassistischen Tendenzen bei der Polizei. Das CDU-Mitglied Wendt hat auch viele Anhänger bei AfD-Wählern.

Das macht einmal mehr deutlich, dass sie, wie auch ein Großteil der Demonstranten am 1. August, in Berlin keine Kritiker des autoritären Staates sind. Sie wollen nur nicht, dass die deutsche Wirtschaft zu stark von bestimmen Restriktionen belastet wird und halten es für das höchste Ziel der Freiheit, keine Maske tragen zu müssen, ohne zu erkennen, dass der Kapitalismus es ist, der die Menschen auch zu Charaktermasken macht.

Es läge an einer emanzipativen Linken, die Lohnabhängigen bei ihren Kämpfen auch in der Coronakrise zu unterstützen und gleichzeitig mehr als 2 Meter Abstand zu Rechten und zum autoritären Staat zu halten. Sonst bestünde die Gefahr, dass im kommenden Herbst und Winter sowohl die Pandemie als auch die staatlichen Maßnahmen dagegen dafür sorgen, dass die Organisatoren der Hygienedemonstrationen weiter Auftrieb bekommen.

Die recht hohe Teilnehmerzahl am 1. August, nach eigener Beobachtung höher als die 20.000, die die Polizei angibt, sind eine Warnung. Mit Maske und Abstand allein wird diese Bewegung nicht verschwinden. Da braucht es schon konkrete Vorschläge für eine soziale Umgestaltung der Gesellschaft. Der Kampf um "Gesundheit für Alle" könnte ein guter Anfang sein.