Mit Berufsverboten gegen den Rechtsruck?

Bei Lehrerinnen und Lehrern mit Berufsverbot ging es in der Regel nicht um konkrete Handlungen oder Aussagen in der Schule. Symbolbild: Alexas_Fotos / Pixabay Licence

CDU will unter dem Deckmantel "Kampf gegen Rechts" Verfassungsschutz stärken. Das verwundert nicht. Warum es problematischer ist, dass GEW und Linke ins gleiche Horn blasen.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) fordert wieder einmal die Regelanfrage beim Verfassungsschutz für alle angehenden Beamten. Damit führt er einen Begriff wieder in die politische Debatte ein, den kritische Zeitgenossen der 1970er- und 1980er-Jahre noch in unguter Erinnerung haben.

Die Regelanfragen sorgten damals in der BRD bis in linksliberale Kreise hinein für Empörung. Es machte sich ein Klima der Gesinnungsschnüffelei breit und Tausende junge Menschen verloren ihren Job als Briefträger, als Eisenbahner, die meisten aber als Lehrerinnen und Lehrer, weil sie nicht auf dem Boden der westdeutschen Verfassung stehen würden. Wichtig war dabei: Es ging nicht um konkrete Handlungen der Personen, die ihren Job verloren.

Weder ließen linke Lehrer die Internationale singen, noch schmuggelten linke Briefträger gesellschaftskritische Pamphlete unter die Post. Es ging stets um ihre politische Haltung außerhalb ihres Berufs. Da reichte es schon, Mitglied einer legalen Partei zu sein, in einer linken Zeitung veröffentlicht oder das Auto in der Nähe einer linken Demonstration geparkt zu haben.

Es nutzte den Betroffenen auch nicht, wenn sie beteuerten, besonders aktiv die Verfassung zu verteidigen. Schnell war die Rede von Gesinnungsschnüffelei und die Komitees gegen Berufsverbote spielten bis in die 1980er-Jahre eine wichtige Rolle. Dann spielten zumindest in Westdeutschland die Berufsverbote keine große Rolle mehr, was auch am Niedergang der Linken lag, aber auch an einigen Gerichtsentscheidungen.

Revival der Berufsverbote

Konservative wollen schon lange an die damaligen Berufsverbote anknüpfen und die CDU-Brandenburg spielt dabei eine Vorreiterrolle. Die Kritik wuchs auch in den Reihen der Partei Die Linke. Anlass für die Forderung der CDU nach einer weiteren Verschärfung auf diesem Gebiet ist, dass eine Lehramtskandidatin angeblich mit einer Perücke bei der TV-Sendung des rechten Compact-Magazins mitgearbeitet hat. Die Informationen kommen vom Verfassungsschutz.

Es geht nicht um konkrete Handlungen der Referendarin an der Grundschule, in der sie eingesetzt war. Sie ist mittlerweile vom Dienst suspendiert. Dieser Fall ist die Vorlage für weitere Vorstöße der CDU für eine Regelanfrage.

Zunächst ist festzuhalten, dass Compact zweifellos ein deutsch-nationalistisches Medium ist. Viele sonst kritische Geister wären dann wahrscheinlich auch schneller bereit, doch wieder zur alten Regelanfrage zu greifen. Anders ist es nicht zu verstehen, dass auch die GEW und Linke nur kritisieren, dass die angehende Lehrerin nicht schneller suspendiert wurde. So schreibt eine Regionalzeitung:

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die Entscheidung der Fachabteilung für falsch. Nach Ansicht des Landesvorsitzenden Günther Fuchs hätte das Ministerium die Lehrerin im befristeten Beamtenverhältnis nach der Mitteilung des Verfassungsschutzes sofort vom Dienst freistellen sollen. "Wenn es berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue gibt, dann gibt es Klärungsbedarf", sagte Fuchs. "Und diese Klärung muss nicht in der Schule stattfinden." Vielmehr müssten mögliche Konsequenzen nach der Freistellung ergebnisoffen geprüft werden.


Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ), 21. September 2023

Auch Die Linke in Brandenburg, die noch im letzten Jahr jedes Revival der Regelanfrage in dem Bundesland ablehnte, kritisiert, dass die Lehramtskandidatin nicht schneller freigestellt wurde. Dabei ist noch einmal festzuhalten, dass es hier nicht um konkrete Handlungen der Frau in der Schule geht. Das einzige Kriterium aber müsste sein, ob sie sich in der Schule in irgendeiner Weise rechtsextrem geäußert hat, ob sie Schüler mit Migrationshintergrund beleidigt oder benachteiligt hat. Das wäre ein Grund für ihre Suspendierung.

Dazu bräuchte es dann auch keinen Verfassungsschutz, sondern couragierte Schüler, Eltern und Kollegen der Lehrerin. Doch in dem Fall geht es ausschließlich um Informationen des Verfassungsschutzes, der eigentlich in einer Demokratie keinen Platz haben sollte. Wer nun aber kritisiert, dass die Suspendierung nicht noch schneller erfolgte, sorgt dafür, dass Berufsverbote und Gesinnungsschnüffelei wieder hoffähig werden.

Es ist bezeichnend, dass all dies jetzt unter dem Oberbegriff "Kampf gegen Rechts" verhandelt wird. Aber natürlich trifft es auch Linke aller Couleur. In Hessen kann ein junger Lehrer und linker Aktivist sein Referendariat nicht antreten. Als Grund dient eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung. Wenn erst einmal die Regelanfrage und damit das ganze System der Gesinnungsschnüffelei wieder etabliert werden sollte, dürfte es viele solcher Fälle geben.

Daher ist es um so unverständlicher, dass hier bis in linke Kreise einer solchen Entwicklung kaum Widerstand entgegengesetzt wird. Tatsächlich ist die Rückkehr der Gesinnungsschnüffelei die größere Gefahr als eine rechte Lehrerin. Auch Linke, die Opfer von Berufsverboten geworden sind und weiter um eine Rehabilitierung und Entschädigung kämpfen, warnen davor, dass unter der Losung "gegen Rechts" ein Rollback stattfinden könnte.

Zu wenig Abstand zu den Staatsapparaten

Ein Grund für die Akzeptanz könnte sein, dass viele Jüngere keine Erinnerungen an die Zeit der Gesinnungsschnüffelei der 1970er- und 1980er-Jahre in der BRD mehr haben. Weil ja die offizielle Geschichtserzählung Menschenrechtsverletzungen nur in der DDR erkennen will, ist das Wissen darüber vielleicht nicht so präsent.

Es gibt aber auch Dank der unermüdlichen Arbeit einiger ehemaliger Berufsverbotsopfer weiterhin gute Informationen darüber. Was es den Verfechtern des autoritären Staates leicht macht, ist die Tatsache, das sich seit Corona und Ukraine-Krieg gezeigt hat, dass auch ein Großteil der sich als radikal verstehenden Linken nicht mehr genügend Abstand zum Staat und seinen Organen wahren.

Das zeigte sich erst kürzlich, als nach längerer Zeit mal wieder Proteste von Gegnern der Corona-Maßnahmen Schlagzeilen machten. Man könnte denken, mit der Wiederkehr des Coronavirus nehmen auch die Proteste wieder zu. Die taz beschrieb, dass es diese Demonstranten in der linken Hochburg Göttingen schwer hatten. Auch die inhaltliche Positionierung hat sich wohl auf beiden Seiten in den letzten Jahren nicht groß verändert. Das heißt, sie ist auf dem gleichen niedrigen Level geblieben.

So schreibt die taz über vier junge Menschen: "Die vier wirken so aufgeregt wie entschlossen, ihre Stadt vor den "Schwurblis" zu verteidigen, wie sie die Teilnehmenden der Querdenker-Demo nennen." Nun gehörte Göttingen seit Ende der 1980er-Jahre zu den Hochburgen einer Autonomen Antifa/M, die ihre linke Bündnisfähigkeit mit klarer Kritik an Staat und Kapital verbunden hat und zeitweise große Anziehungskraft für Antifaschisten auch in anderen Städten hätte.

Mitte der 1990er-Jahre wurde ein Teil diese Antifaschisten nach dem Paragraphen 129 a als "kriminelle Vereinigung" angeklagt. Die Antifa/M hatte auch keineswegs die Absicht, Göttingen und andere Städte vor irgendwelchen diffus irrational denkenden Gruppen zu verteidigen. Sie bekämpfte Nazistrukturen und verknüpfte dies immer mit Kritik an Staat und Kapital.

Die Antifa/M war dafür bekannt, dass auf ihren Demonstrationen auch Mitglieder von SPD und Grünen mitlaufen konnten, allerdings in den hinteren Reihen. Vorne lief ein schwarzer Block. Das war Teil ihres damals in autonomen Kreisen viel diskutierten Bündniskonzepts. Doch was die taz über die Göttinger Volksfront gegen "Schwurblis" schrieb, wäre damals undenkbar gewesen:

Als die Oberbürgermeisterin Petra Broistedt dazu aufruft, sich "gemeinsam gegen Rechts" zu stellen, reihen sich die Göttinger:innen wie auf einer Festung auf den Mauern ihres Stadtwalls auf. Sie brüllen und buhen, zeigen ihre Mittelfinger und Antifa-Flaggen, als die 430 Querdenker trommelnd Richtung Innenstadt ziehen


taz

Dann kam es wohl zum kreativen Widerstand:

Hunderte Fäuste strecken sich in die Luft, dahinter gehen Müllcontainer und Leitbaken in Flammen auf. Vor dem weißen Rauch laufen Gestalten mit Antifa-Flaggen hin und her. Immer mehr Menschen springen von der Stadtmauer herunter und stellen sich solidarisch dazu. Sogar Schaulustige stimmen in den Gesang ein: "Siamo tutti antifascisti!


taz

Bei dieser Mischung aus Oberbürgermeisterin und mehr oder weniger autonomen Antifas muss man sich schon fragen, wo die Distanz der Linken zu den Staatsorganen bleibt. Werden unter dem Motto "Gemeinsam gegen Rechts" bald auch bald wieder Regelanfragen und Berufsverbote eingeführt, ohne dass die gesellschaftliche Linke dagegen protestiert? Gelingt es dem rechtsoffenen Milieu dann womöglich auch noch, neben den Friedenstauben die Anti-Duckmaus, das langjährige Symbol gegen Berufsverbote, für sich zu vereinnahmen?