Mit Elite-Steuerfahndern gegen elitäre Steuer-Emigranten
Kurz vor der Parlamentswahl verstärkt die britische Regierung Maßnahmen, um Steuerflucht zu vereiteln
Neue gesetzliche Regelungen zum Auslandswohnsitz, der Ausbau einer Fahndungsabteilung für Steuerflüchtlinge: die britischen Finanzbehörden erhöhen mit neuen Methoden den Druck und die Zugriffsmöglichkeiten auf Leistungsträger, die ihr Vermögen am Fiskus vorbei manövrieren. Reaktionen darauf zeigen, dass eine Intensivierung der Steuerfahndung, die sich gegen vermögende Steuerflüchtlinge richtet, in den Augen einer bestimmten Interessensgruppe unweigerlich als „ungerecht“ gewertet wird – ungeachtet dessen, ob sie auf vollkommen legaler Weise geschieht.
Laut Medienberichten sorgen die neuen Maßnahmen der britischen Regierung auch tatsächlich für Beunruhigung unter den Besserverdienern, die sich einen Sport aus der Steuerflucht gemacht haben. Doch ist auch Skepsis angebracht, da sich manche der Steueroasen direkt vor der Kanal-Küste befinden und Brown seine schützende Hand darüber gelegt hat (siehe dazu Herr der Steueroasen). Zudem befindet sich Brown in einem Wahlkampf, in dem seiner Labour-Partei nicht viele Chancen eingeräumt werden.
Im Jahre 2007 konnten sich 400 Briten über ein jährliches Einkommen freuen, das über 10 Millionen Pfund im Jahr lag. Doch nur 65 unter ihnen wollten ihre Freude am Einkommen durch Steuertribute trüben. Die Zahlen stammen aus der Londoner Times und belegen auf anschauliche Weise ein altes Vorurteil: Je reicher, desto mehr Mittel und Wege, um das Geld am Fiskus vorbeizusteuern. Ein anderes Böse-Zungen-Diktum, das allerdings erst ein Jahrzehnt alt ist, besagt, dass die britische Labour-Partei Reiche in bemerkenswerter Weise gewähren lässt, dass sich die Partei in ein "Werkzeug der Oligarchie" verwandelt habe. Doch scheint sich jetzt der Wind zu drehen, wie die Murdoch-Zeitung „Times“ in bemerkenswerter Ambivalenz beschreibt, da die britischen Finanzbehörden unter Leitung der Labour-Regierung derzeit den Druck auf superreiche Steuerflüchtlinge erhöhen.
Ließ man bei Blair, der als wohlgesinnter Freund des Verlegers Murdoch galt, noch viel Milde walten, so werden die Steuerfahnder-Aktivitäten der jetzigen Labour-Regierung unter Brown erstmal im ideologisch scharfen Licht präsentiert:
Verstärkte Kontrollen der steuerlichen Angelegenheiten von wohlhabenden Personen, Ausländern und Berühmtheiten haben zugelegt, seit die Labour-Regierung an die Macht kam. Besserverdienende werden mit neuem Nachdruck von den Behörden verfolgt, die unter immensen Druck stehen, den Staatssäckel zu füllen und Hunderte Millionen Pfund einzutreiben.
Erwecken die einleitenden Sätze des Times-Berichts noch den Eindruck, als ob es den Stützen der Gesellschaft in irgendwie unangemessener Weise an den Kragen geht - „High earners are being pursued“ - und auch Bescheidenverdiener unter den Opfern sind („foreign workers“), so zeigt sich der Rest des Artikels eher beeindruckt von den erstaunliche Erfolgen einer Spezialabteilung der britischen Steuerfahndung. Laut FOIA-Anfragen gelang es der Steuerbehörde Revenue & Customs (HMRC) in den letzten beiden Jahren, 373 Millionen britische Pfund unter den vermögenden Steuerzahlern und den „wealthy foreigners“ mit Wohnsitz in Großbritannien einzutreiben. Zum Vergleich: Vor vier Jahren habe man nur 81 Millionen britische Pfund eingesammelt.
Der Erfolg wird zu einem wesentlichen Anteil der Arbeit einer „Elitetruppe“ von Steuerfahndern zugeschrieben, die sich auf höhere Einkommen spezialisiert hat und deren Schlagkraft sich durch immer bessere finanzielle, personelle (500 Mitarbeiter) und materielle Ausstattung („neue bessere Computersysteme“) erhöht habe. Hinzu kommt, dass man immer mehr vermögenderen Steuerzahlern genau auf die Finger schaue: „It's far easier to go after those people who really have large amounts of money, rather than the guy who runs the local garage.” 2008 sollen es bereits 62.000 Personen gewesen sein, die von der Spezialeinheit genauer unter die Lupe genommen wurden. 2009 sollen es sehr viel mehr sein.
“Bis zu 70% der hinterzogenen Steuer“: Drohung mit drastischen Strafen
Da zugleich mit drastischen Strafen gedroht wird - berichtet wird von Strafen, die bis zu 70 Prozent der geschuldeten Steuer reichen, „selbst für relativ geringe Außenstände“ -, liegt der Gedanke nahe, dass man mit solchen Botschaften an die Öffentlichkeit einen ähnlichen Effekt erzielen will, den man sich in Deutschland von den gekauften CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen erhofft: Dass der Anreiz für Personen mit höherem Einkommen, diese freiwillig und akribischer zu deklarieren, größer wird.
Diese Wirkung wird zusätzlich dadurch verschärft, dass man nun auch beginnt, gesetzliche Schlupflöcher zu schließen. Allen voran die Möglichkeit, den Wohnsitz ins Ausland zu verlagern, um dann mit Flugzeug nach London zu pendeln – laut Guardian eine gängige Praxis. von Steuerspar-Sportlern unter den führenden Geschäftsmännern.
Bislang mussten findige Steuerflüchtlinge nur erklären, dass sie nicht mehr als 91 Tage in Großbritannien verbringen und ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben, um auch die Steuern in einem Niedrigsteuerland abführen zu können. Seit nun ein Gericht die Messlatte anders anlegte und den Lebensmittelpunkt als ausschlaggebendes Kriterium in einem aufsehenerregenden Fall herausstellte, brechen für „Steuer-Exilanten“ (Guardian) schwierigere Zeiten an. Das Berufungsgericht urteilte im Fall Rupert Gaines-Cooper, einem Multitmillionär, der seinen offiziellen Wohnsitz auf den Seychellen angegeben hatte. Obwohl er sich an die bestehende gesetzliche Regelung hielt und sich weniger als 91 Tage in Großbritannien aufhielt, wurde er zu einer steuerlichen Rückzahlung von 30 Millionen Pfund verurteilt, weil das Gericht laut Experten Antworten auf ungewohnte Fragen suchte und daraus ungewohnte Folgerungen zog:
Is your house here? Is your family here? Are you a member of a club here? You have to demonstrate you have truly left the country.
Nun will die Regierung, die sich von diesem Urteil bestätigt sieht, gesetzliche Regelungen einführen, die einen Wohnsitz-Test festschreiben. Die Nervosität unter den Steuer-Emigranten mit britischem Hintergrund soll wachsen, berichten Vermögensberater der Zeitung:
Those who have left the UK particularly for tax reasons may want to look at what they do and whether their circumstances fall into government guidelines.