Mit Schadensersatzklagen gegen rassistische Organisationen

Das Southern Poverty Law Center nutzt das Zivilrecht und hat wieder einmal einen Sieg gegen eine rassistische Organisation, die Aryan Nations, errungen

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Die USA gelten gemeinhin als ein Staat, in dem aufgrund des starken Schutzes der Meinungsfreiheit durch die Verfassung, vieles veröffentlicht werden darf, was in anderen Ländern verboten werden kann. Das trifft auch für rassistische und faschistische Websites zu, aber auch beispielsweise auf die Aktion von Nazi-Andenken. Forderungen wurden laut, dass der Zugriff auf solche Seiten entweder durch den Staat oder durch Anbieter von solchen Seiten für Bürger eines Landes, in denen die Veröffentlichung solcher Inhalte verboten ist, blockiert wird. Aber trotz der starken Meinungsfreiheit gibt es Möglichkeiten, auch in den USA gegen Neonazis vorzugehen, wie einmal wieder das Southern Poverty Law Center bewiesen hat.

Ganz so frei ist es in den USA allerdings nicht. Wenn es um einen kommerziellen Schaden mächtiger Unternehmen geht, wird die Meinungsfreiheit dann doch, wie das DeCSS-Urteil zeigt, hintangestellt. Doch bei politischen oder weltanschaulichen Gruppen herrscht bislang weitgehend Freiheit.

Schon lange Zeit kämpft der Rechtsanwalt und Mitbegründer des Southern Poverty Law Center Morris Dees mit anderen Mitteln gegen rassistische Gruppen. Als Mittel zum Aushebeln solcher Gruppen dient ihm das Zivilrecht, das in den USA auch den Zweck hat, Schuldige durch hohe Geldstrafen zur Verantwortung zu ziehen. Das kann bei großen Unternehmen, siehe die Tabakkonzerne, in die Milliarden gehen. Anfang der 80er Jahre hatte Dees seinen ersten "Erfolg", indem er im Namen der Mutter eines von zwei Mitgliedern des United Clans of America ermordeten jungen Schwarzen eine Klage auf Schadensersatz gegen die Organisation stellte. Das Gerichte verurteilte die Organisation zu einer Summe von 7 Millionen Dollar, die daraufhin pleite ging. Der Ku Klux Klan hat sich von diesem indirekten Schlag bislang nicht wirklich wieder erholt.

Wirkungsvoll ging auch der Prozess gegen Tom Metzger und seinen Sohn, die Leiter der White Aryan Resistance (War), aus. 1988 hatten drei Mitglieder einer Skinhead-Bande einen äthiopischen Flüchtling in Portland ermordet. Die Skinhead, bei denen man Material von War gefunden hatte, bekannten sich schuldig, aber Metzger hatte auf der Info-Hotline von "War" gesagt, dass die "Skins in Portland ihre Pflicht als Staatsbürger erfüllt" hätten. Die beiden Metzgers, zwei weitere Mitglieder und die Organisation War, obgleich nicht direkt in den Mordfall verwickelt, wurden zu einer Schadensersatzforderung von 12,5 Millionen Dollar verurteilt. Damit war auch für War erst einmal das Ende besiegelt, auch wenn Metzger War und eine entsprechende Website weiter betreibt.

Und jetzt hat Morris Dees in Zusammenarbeit mit der Human Rights Task Force es wahrscheinlich erneut geschafft, eine gefährliche rassistische Gruppe durch eine Schadensersatzforderung in den Bankrott zu treiben. Vorgestern verurteilte das Gericht nach einer sechstägigen Verhandlung Richard Butler, den 82jährigen "Pastor" der Aryan Nation, einer der größten rassistischen und neonazistischen Organisationen der USA, zu einer Schadensersatzstrafe von 6,3 Millionen Dollar zugunsten der Opfer eines Angriffs, den Mitglieder der Gruppe vor zwei Jahren auf diese ausgeführt hatten.

Jedes Jahr veranstaltet die Church of Jesus Christ Christian/Aryan Nations in Idaho in einem Camp, das sie in Idaho besitzen, ein großes Treffen von Rassisten und Skinheads. Die Opfer, Virginia Keenan und ihr Sohn Jason, waren auf einer Straße in der Nähe des Camps mit ihrem Auto unterwegs und mussten anhalten. Beim Anlassen gab es eine Fehlentzündung, was von drei Sicherheitskräften der Aryan Nations, als Angriff von "militanten Juden" verstanden wurde. Sie schossen auf das Auto, verfolgten die Opfer, zwangen sie anzuhalten und schlugen die beiden mit ihren Gewehren. Zwei der Wachen bekannten sich als schuldig, auch wenn der eine meinte, er sei zu betrunken gewesen, um sich noch erinnern zu können, ob er geschossen habe. Beide zu Gefängnisstrafen verurteilte Täter machten allerdings nicht Butler für ihr Verhalten verantwortlich. Der dritte Beteiligte ist geflüchtet.

Die Jury entschied, dass Richard Butler und die Aryan Nations 4,8 Millionen Dollar, Butlers Stellvertreter Michael Teague 600000 Dollar und die wirklichen Täter den Rest der Schadensersatzsumme zahlen müssen, die von den Opfern erst einmal auf 12 Millionen Dollar angesetzt gewesen war. Butler und Teague wurden für schuldig befunden, weil sie bei der Ausbildung und Kontrolle der Sicherheitskräfte zu nachlässig gewesen seien.

Die Verteidiger von Richard Butler wollen Einspruch erheben, er selbst verglich sich offenbar des öfteren mit dem Apostel Paulus und den Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung, die wegen ihrer Ansicht verfolgt worden seien. Nach dem Prozess sagte er, dass man ihn nicht stoppen könne: "Ich bin noch im Geschäft und ich werde das bis zu dem Tag sein, an dem ich sterbe. Der Großteil von Nord-Idaho wird von Menschen bewohnt, die keinen Multikulturalismus mögen."

Unbekannt ist, über wieviel Geld die Gruppe verfügt. Schon vor dem Urteil zirkulierte in der rechten Szene ein Spendenaufruf. Einschlägige Skinhead-Rockgruppen hatten angekündigt, einen Teil ihrer Einkünfte im August den Aryan Nations zu stiften. Auf der Website von Aryan Nations findet man den Aufruf: "Your prayers and financial support are urgently needed now more than ever to continue this fight against the enemies of Christianity, Freedom and Liberty... This is far from over folks!"

Dees jedenfalls hofft, damit die Organisation ernsthaft geschädigt zu haben. Die hohe Schadensersatzsumme sei eine deutliche Warnung an alle "gewalttätigen Rassisten": "Wir beabsichtigen, jetzt und für alle Zeiten alles an Besitz der Aryan Nations zu nehmen. Wir beabsichtigen sogar, den Namen zu übernehmen und hoffentlich durch das Gerichtsurteil ein trauriges Kapitel in der Geschichte unseres Landes zu schließen."