Mit Trippelschritten zum Klimaschutz
Die Energie- und Klimawochenschau: Reaktionen auf den Kohlekompromiss, eine inszenierte Abgasdebatte und die Wichtigkeit der Böden fürs Klima
Die Nachricht der vergangenen Woche ist mit Sicherheit, dass die Kohlekommission zu einem Kompromiss gefunden hat. Dass es überhaupt eine Einigung gegeben hat, - abgesehen von der Gegenstimme der Vertreterin der Tagebaubetroffenen aus der Lausitz, Hannelore Wodtke - ist dabei schon fast die ganze Nachricht. Denn die Vorschläge der Kohlekommission bleiben, wie an dieser Stelle berichtet, weit hinter dem zurück, was für die Einhaltung des Pariser Klimaziels nötig wäre (Ein fauler Kompromiss).
Die Vertreter der Umweltverbände in der Kommission setzen darauf, den Abschaltfahrplan beim ersten Revisionsdatum zu beschleunigen. Bis 2022 sollen 12,5 GW an Kohlekraftwerksleistung abgeschaltet werden, der Rest sukzessive bis 2038. Im Jahr 2023 soll es erstmals eine Zwischenbilanz der Maßnahmen geben.
"Das Ergebnis ist ein Kompromiss, reicht für den Klimaschutz aber nicht aus. Deshalb ist weiter Druck nötig für einen schnellen Kohleausstieg. Die Verbandsvertreter gehen fest davon aus, dass das Ende der Kohle deutlich vor 2035 kommen wird. Die Verbände unterstreichen, dass schon das erste Revisionsdatum 2023 genutzt werden muss, um den Kohleausstieg zu beschleunigen", heißt es dazu in einer gemeinsamen Presseerklärung von Deutschem Naturschutzring (DNR), Greenpeace und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Der "Kompromiss" dürfte bei vielen Klimaschützern Unzufriedenheit auslösen. So protestierten Aktivisten von Ende Gelände am Sonntag vor dem Sitz des BUND in Berlin. In Hamburg wurden Teile des Kohlehafens besetzt. Die Besetzer fordern einen sofortigen Ausstieg aus der Kohle und verweisen auf die Menschen im globalen Süden, die unter dem Abbau der Steinkohle oder jetzt schon unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden haben.
Hans-Joachim Schellnhuber, emiritierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), fand positive Worte für den Kompromiss der Kohlekommission: "Deutschland findet zurück auf den Klimaschutzpfad: Der Anfang eines geordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung ist gemacht. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg ins post-fossile Zeitalter - ein Schritt, der zudem den Revieren neue Perspektiven durch einen innovationsgetriebenen Strukturwandel eröffnet." Der amtierende Direktor des PIK, Ottmar Edenhofer, betont jedoch, dass für eine Stabilisierung des Klimas weit mehr getan werden müsse. Dazu zähle unter anderem eine effektive CO2-Bepreisung.
Der RWE-Vorsitzende Rolf-Martin Schmitz reagierte auf das Ergebnis der Kohlekommission mit der reflexartigen Ankündigung, dass Arbeitsplätze verloren gingen, zunächst in den Kraftwerken, ab 2023 dann auch in den Tagebauen.
Über die Zukunft des Hambacher Forsts, den die Umweltverbände in ihrer Presseerklärung für gerettet erklärt haben, macht Schmitz keine konkrete Aussage. "Wir werden prüfen, was sinnvoll machbar ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse der weiteren Nutzung des Tagebaus und der Rekultivierung", so Schmitz im Interview. Die Kohlekommission erklärt den Erhalt des Hambacher Forsts lediglich für "wünschenswert". Da RWE Eigentümer des Waldes ist, ließe sich sein Erhalt wohl dauerhaft am besten sichern, wenn er einen Schutzstatus erhielte.
Neues vom Autominister
Wie es Ottmar Edenhofer mit der CO2-Steuer anspricht, müssten Klimaschutzmaßnahmen weitere Bereiche umfassen als nur die Stromerzeugung. Gewaltige Defizite bestehen in Deutschland im Verkehrssektor. Dort meldet sich gerade eher lautstark die Autolobby zu Wort, während für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr zu wenig getan wird.
So forderte der Bahnbeauftragte der Bundesregierung Enak Ferlemann (CDU) von der Deutschen Bahn, ihre Ticketpreise zu erhöhen und weniger Sondertarife anzubieten, um der aktuellen Krise bei der Bahn zu begegnen. So könnte sie notwendige Investitionen finanzieren. Nun sind Fahrpreiserhöhungen nicht gerade das Mittel der Wahl, um die Bahn gegenüber anderen Verkehrsmitteln attraktiver zu machen. Kritik daran gab es wie zu erwarten vom Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, wenn auch nicht auf ganzer Linie. Fahrpreiserhöhungen schloss dieser nicht komplett aus, allerdings müssten Straßen- und Luftverkehr finanziell stärker belastet werden als der Schienenverkehr. In der Schweiz flössen beispielsweise Gelder aus der Straßenmaut in den Schienenverkehr.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer schließt derweil nicht nur ein generelles Tempolimit auf Autobahnen aus, weil dies eine "ständige Gängelung" der Autofahrer bedeuten würde, sondern möchte auch die geltenden Grenzwerte für Feinstaub- und Stickoxide im Straßenverkehr auf EU-Ebene neu diskutieren. Dabei beruft er sich auf das Positionspapier des Pneumologen Dieter Köhler (Wir müssen die Wissenschaft schützen), das jedoch von verschiedenen Fachkreisen deutlich kritisiert wird. Doch Scheuer beruft sich lieber auf die Initiative einer kleinen Minderheit, um eine Debatte im Sinne der Autolobby anzufachen.
Auch global betrachtet wäre in Sachen Klimaschutz mehr möglich. Weltweit sind die Investitionen in "saubere Energie" im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen, meldet Bloomberg New Energy Finance. Insgesamt wurden im Jahr 2018 332 Milliarden US Dollar investiert, das sind 8% weniger als im Jahr 2017.
Während die Investitionen in Windenergie um 3% gestiegen sind, sind die in Solarenergie um 24% gesunken. Das bedeutet aber nicht, dass weniger Photovoltaikanlagen installiert worden sind, vielmehr waren die Kosten durch ein Überangebot von Modulen auf dem Weltmarkt sehr niedrig. So wurden denn auch 109 GW neu installiert, das sind 10 GW mehr als im Jahr 2017.
Böden entscheidend für die globale CO2-Bilanz
Ein Grund, warum die Abkehr von der fossilen Wirtschaftsweise schnell vollzogen werden muss, ist, dass die globale Erwärmung sich selbst verstärkende Effekte hervorbringt, wie etwa das Auftauen von Permafrostböden und damit verbunden die Freisetzung darin gebundenen Kohlenstoffs. Aber auch Böden in südlicheren Breiten spielen für den globalen Kohlenstoffhaushalt eine entscheidende Rolle.
Wissenschaftler der Columbia University warnen in einer im Fachmagazin Nature veröffentlichten Studie, dass häufigere und stärkere Dürren und Hitzewellen die Fähigkeit der Böden, Kohlendioxid aufzunehmen, abschwächen könnten. Die Speicherfähigkeit nehme auch dann ab, wenn die Dürre durch niederschlagsreiche Phasen abgelöst würde.
Momentan würden Ozeane und Landmassen 50% der globalen Kohlendioxidemissionen speichern. Dies könnte sich aber im Verlauf dieses Jahrhunderts ändern, sagte Leitautor Pierre Gentine. "Sollten die Landmassen ein Maximum ihrer Kohlenstoffaufnahmefähigkeit erreichen, würde sich die globale Erwärmung danach beschleunigen, mit schwerwiegenden Folgen für Menschen und Umwelt."
Zusammen mit der Doktorandin Julia Green untersuchte Gentine die Netto-Produktivität der Ökosysteme, d.h. abzüglich von Kohlenstoffverlusten etwa durch Waldbrände oder Abholzungen. Diese Netto-Produktivität werde mit zunehmenden Dürren und Hitzewellen abnehmen. "Wenn es keine Dürren und Hitzewellen gäbe, dann könnten die Landmassen im Prinzip fast doppelt so viel Kohlenstoff speichern, wie sie jetzt tun", so Gentine. Der Einfluss der Bodenfeuchtigkeit auf den Kohlenstoffhaushalt sollte in jedem Fall genauer untersucht werden, um künftige Klimamodelle zu präzisieren, so die Wissenschaftler.