Mit dem SKA auf Alien-Jagd

Bild: SKA

In zehn Jahren geht das Superteleskop "Square Kilometre Array" (SKA) in Betrieb und könnte auch nach intelligenten Radiosignalen fahnden

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Das SKA-Kürzel markiert seit 1998 das ambitionierteste internationale Großprojekt in der Geschichte der Radioastronomie. Einmal einsatzbereit wird das SKA zum Radioteleskop des 21. Jahrhunderts avancieren. Leistungsstark wie keines zuvor, wird es kosmische Geheimnisse lösen, neue Objekte und Phänomene im All lokalisieren und registrieren – und vielleicht auch irgendwann außerirdische Funksignale aufschnappen.

Wenn der Kern der SKA-Anlage, die ein Quadratkilometer große Sammel- und Antennenfläche, in zehn bis fünfzehn Jahren seinen regulären Betrieb aufnimmt und einige Jahre später alle Antenneneinheiten des SKA funktionsbereit sind, steht den Radioastronomen ein High-Tech-Teleskoppark zur Verfügung, der in puncto Sensibilität die besten Anlagen um das Hundertfache toppen wird. Dann werden Astronomen in der Lage sein, den Himmel im Radiobereich zehntausendfach schneller abzusuchen als bisher.

Das SKA kann verschiedene Ausschnitte des Himmels gleichzeitig observieren. Bild: SKA

Alle Himmelsrichtungen im Fokus

Nicht minder beeindruckend ist der Frequenzbereich, den das SKA abdecken soll: Er erstreckt sich von 100 Megahertz (drei Meter Wellenlänge) bis 25 Gigahertz (1,2 Zentimeter). Herausragend sind auch die Flexibilität und der Empfangsradius der Anlage. Während andere Radioteleskope, ob einzeln oder im Verbund agierend, bei Frequenzen unterhalb von 1,4 GHz nur ein eingeschränktes „Sichtfeld“ haben, kann das SKA in diesem Bereich in vier Himmelsrichtungen gleichzeitig schauen. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern erweitert das Beobachtungsspektrum auf geradezu bahnbrechende Weise, können doch so gleich mehrere Beobachter das SKA simultan als Vierfachteleskop nutzen. Hinzu kommt eine fantastische Winkelauflösung, die bei 1,4 GHz (21 Zentimeter) einen Wert ergeben konnte, der besser als 0,02 Bogensekunden ist. Dank all dieser Qualitäten wird das SKA für SETI immer mehr zum Objekt der Begierde.

Antenneneinheiten des SKA Low-Band. Bild: SKA

3000 Kilometer Durchmesser

Weil mit einem einzigen Antennendesign nur ein kleinerer Frequenzbereich analysiert werden kann, operiert das SKA mit drei verschiedenen Antennentypen: dem SKA Low-Band, dem SKA Mid-Band und mit Parabolantennen.

Antenneneinheiten des SKA Low-Band aus der Vogelperspektive. Bild: SKA

Um eine optimale Winkelauflösung zu erreichen, pulsieren im Herzen der SKA-Anlage die verschiedenen Phased-Array-Komponenten SKA Low und SKA Mid. Diese fest auf dem Boden montierten Felder aus einfachen phasengesteuerten Antennen bilden den Kern des SKA-Areal, das einen Durchmesser von fünf Kilometern aufweist. Beim SKA Low-Array kommen phasengesteuerte, einfache Dipolantennen zum Einsatz, die den Frequenzbereich von 70 MHz bis 200 MHz abdecken. Vorgesehen ist, dass diese Elemente in Gruppen zu 90 auf einer Fläche mit einem Durchmesser von 100 Meter aufgestellt werden.

Das SKA Mid-Array besteht aus phasengesteuerten Antennen, die den in kreisförmigen Gruppen mit einem Durchmesser von 60 Meter aufgestellt werden und einen Frequenzbereich von 200 MHz bis 500 MHz abtasten sollen.

Äußerlich haben die Antenneneinheiten SKA Low-Band und das SKA Mid-Band mit den altbewährten Schüsseln in Green Bank, Arecibo oder Effelsberg nichts mehr gemein. So wirken die Antennenfelder des SKA Mid (siehe Foto) wie nebeneinandergestellte Nagelbretter von Fakiren. Bild: SKA

Die meisten Antennen stellt das Dish Array, das mehrere tausend Parabolschüssel für die Frequenzen von 500 MHz bis 10 GHz umfasst. Während die Hälfte aller Schüsseln im Zentrum des Areals weilt, erstrecken sich besagte Parabolantennen vom Zentrum weg – entlang einer fünfarmigen Spirale. 3000 Kilometer vom SKA-Herz entfernt wachen die Außenposten. Hier stehen weitere klassisch geformte Parabolantennen mit einem Durchmesser von 10 bis 15 Metern. Sie bilden die äußere Phalanx. Die Abstände der inneren Stationen nehmen jeweils um einen festen Faktor zu (logarithmische Anordnung); damit wird eine optimale Abbildung ausgedehnter Radioquellen bei zugleich hoher Winkelauflösung erreicht.

Die Parabolantennen folgen in puncto Design dem Allen Telescope Array (ATA). Mehrere Tausend SKA-Schüsseln sind für die Anlage vorgesehen. Bild: SKA

Die phasengesteuerten Elemente des SKA, die sich ideal für den Bereich unterhalb von 300 Megahertz eignen, bilden eine perfekte Ergänzung zu den mit Radiokameras (FPAs) bestückten Parabolschüsseln, die Frequenzen bis drei Gigahertz aufzeichnen. Dank einer Kombination beider Systeme erhalten die Forscher sowohl Informationen aus dem niederfrequenten (Phased Arrays) als auch aus dem hochfrequenten (Parabolspiegel) radioastronomischen Kosmos.

Ausschnitt der Region in der westaustralischen Wüste. Hier, in der Nähe von Boolardy, könnte dereinst die SKA-Anlage Wurzeln schlagen. Bild: SKA

Australien/Neuseeland oder Südafrika?

Derweil werkeln knapp 40 Institute aus 19 Ländern an dem SKA-Projekt. Seit 2007 sind in der westaustralischen Wüste beim Murchison Radio Astronomy Observatory (MRO) in der Nähe von Boolardy und in Südafrika auf dem Karoo Antenna Array (KAT) in der Provinz Northern Cape (zirka 75 km nordwestlich von Carnarvon) die ersten Antennen zu Testzwecken montiert und einsatzbereit.

Bekäme Australien den Zuschlag, würden die SKA-Macher an jedem der roten Punkte eine Antennenstation stationieren. Für Neuseeland wären zwei vorgesehen. Bild: SKA

In welches Land die Reise der anderen Schüsseln und Antennen später gehen soll, ist noch völlig offen. Dabei müsste spätestens in diesem Jahr die Entscheidung fallen, da bereits für 2012 der Baubeginn anberaumt ist.

So in etwa könnte eines Tages ein Teil der SKA-Phalanx in Gestalt von Parabolantennen aussehen. Bild: SKA South Africa

Beide Länder stehen in einem konstruktiven Wettbewerb zueinander und hoffen jeweils, den Zuschlag zu erhalten. Wer immer auch das Rennen macht – sowohl das australische als auch das südafrikanische Konzept entsprechen dem gewünschten Profil und können radioruhige Zonen mit einem mindestens 100 Kilometer großen Radius vorweisen, in denen das SKA später einmal ungestört operieren kann. Sie eignen sich auch als Region der ersten Wahl, weil dort die Ionosphäre für niedrige und die Atmosphäre für hohe Radiofrequenzen durchlässig genug und überdies die beste Sicht auf das galaktische Zentrum gewährleistet ist.

Die vorgesehene SKA-Anordnung. Bild: SKA

Immense Geld- und Datenprobleme

Wie sooft entpuppt sich aber weder die Wahl des Ortes noch das technische Equipment als größtes Hindernis. Nein, es sind die veranschlagten immensen Gesamtkosten von mindestens 1,5 Milliarden Euro, die erfahrungsgemäß im Zuge der Inflation und anderer nicht abwägbarer Risiken sicherlich noch steigen werden. Obendrein wäre noch eine wichtige bürokratische Hürde zu meistern: Bevor die Teleskope überhaupt Wurzeln zu schlagen bereit sind, muss gesetzlich geregelt sein, dass das SKA für einen Zeitraum von 50 Jahren vor Störsignalen geschützt wird. Probleme bereiten könnte auch die überschwappende immense Datenflut, zumal die heutige Breitband-Glasfaserkabel-Technik noch nicht so ausgereift ist, die erforderliche Kapazität von 100 Gigabit pro Sekunde aufzubringen.

Selbst die vorgesehene zentrale Recheneinheit ist noch nicht so weit, zehn bis 1000 Peta-Flops, sprich 1016 bis 1017 Rechenoperationen pro Sekunde, zu bewältigen. Die SKA-Verantwortlichen bauen und hoffen in dieser Hinsicht auf das Mooresche Gesetz.

Wenn all diese Nüsse geknackt sind und das Square Kilometre Array endlich Konturen gewonnen hat, wird den Astronomen ein einzigartiges Instrument zur Verfügung stehen, mit dem sie der Natur der Dunklen Materie und Energie, dem Ursprung des kosmischen Magnetismus auf den Grund gehen und Gravitationswellen nachweisen sowie Fragen der Grundlagenphysik und Teilchenphysik beantworten können.

Das SKA soll nach den ersten Strukturen im Universum suchen […] und die Allgemeine Relativitätstheorie mit bislang unerreichter Präzision testen.

Rainer Beck vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR)

Selbst die Wahrscheinlichkeit, dass das SKA einen um ein Schwarzes Loch kreisenden Pulsar auf frischer Tat ertappt (was bislang noch nicht gelungen ist), ist sehr hoch. Dank der Sensibilität seiner Teleskope in der 21-cm Wasserstofflinie vermag das SKA sogar Milliarden von Galaxien bis zur Grenze des sichtbaren Universums und vielleicht sogar die ersten Sterne abzubilden.

Die Karoo-Region. Sollte Südafrika den Zuschlag erhalten, wird hier in zehn bis fünfzehn Jahren das Herz des SKA pulsieren. Bild: SKA

SETI steht in der Startlöchern

Natürlich ruft das fast schon zum Wunderteleskop verklärte Meisterwerk der Technik auch die SETI-Anhänger auf den Plan. Immerhin konnten sie mit der Anlage den von ihnen bevorzugten Radiobereich von einem bis zehn GHz mit ungewohnter Genauigkeit belauschen. Prof. Rainer Beck vom MPIfR in Bonn in Bonn, der an den Vorbereitungen für das SKA beteiligt ist, verkennt die Chancen nicht, die das SKA-Großprojekt SETI eröffnen könnte.

Das SKA wird außerdem nach technischen Radiosignalen suchen. Flughafen-Radar könnte noch bis 100 Lichtjahre und Mobilfunkstationen mit einem Megawatt Leistung noch bis in drei Lichtjahre Entfernung nachgewiesen werden. Mit einer in Zukunft zehnfach verbesserten Empfindlichkeit würde das SKA sogar Fernsehsender, wie die heute auf der Erde üblichen bis in 1000 Lichtjahren Entfernung nachweisen können.

Rainer Beck

Bislang konnten die SETI-Forscher mit ihrem zur Verfügung stehenden Equipment (von einigen Ausnahmen abgesehen) vornehmlich nur in einem Radius bis zu 1000 Lichtjahre operieren und folglich zirka maximal eine Million Sterne belauschen. Mit dem SKA jedoch ließe sich die Reichweite gleich verzehnfachen; auf einen Schlag rückten 100 Millionen Sterne in den Fokus.

Seth Shostak. Bild: SETI

Der Chefastronom Seth Shostak vom SETI-Institut in Kalifornien verweist auf den Umstand, dass das SKA zwar nicht allein für das Anliegen von SETI konstruiert werde, sich aber dennoch für die Jagd nach außerirdischen Funksignalen bestens eigne, zumal der Frequenzbereich der neuen Anlage doppelt so groß sei wie der des ATA. Mit dem SKA könne SETI den Himmel jedenfalls mit bislang noch nicht dagewesener Empfindlichkeit und Präzision abtasten.

Es kann Emissionen von einer ähnlich großen sendenden Antenne aufschnappen, die 1000 Lichtjahre entfernt ist, sofern die fremden Geschöpfe in der Lage sind, eine geringe Sendeleistung von fünf Kilowatt aufzubringen (was der einer kleinen AM-Radiostation entspräche).

Seth Shostak
Sehr informatives Video über das SKA in Australien/Neuseeland
Weiteres interessantes Animationsvideo zu SKA