Mit einem Pieks das Fett ablassen?

Impfung gegen Fettleibigkeit

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die zunehmend übergewichtigen Einwohner der Industriestaaten quälen sich mit verschiedensten Diäten, Fettabsaugungen, Fettwegspritzen oder chirurgischen Magenverkleinerungen, um ihren Speck zu verlieren. Ein riesiger Markt, auf dem sehr viel Geld verdient wird. Jetzt stellt die Pharmaindustrie den ultimativen Traum aller Fettleibigen vor: Eine Impfung gegen Übergewicht.

Sich nicht selbst anstrengen müssen, keine Umstellung der Ernährung oder schweißtreibender Sport – einfach eine Spritze und die Pfunde purzeln, klingt das nicht nach einer echt guten Alternative?

Allein in Deutschland sind zwei Drittel der Bevölkerung zu fett, 65 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen haben Übergewicht. Leichte Korpulenz ist zwar durchaus gesund, aber das interessiert in Zeiten des allgemeinen Körperfetischismus und Schlankheitswahns im Grunde niemanden. Echte Fettleibigkeit, die so genannte Adipositas ist dagegen wirklich gesundheitsgefährdend, Folgen können Gelenkerkrankungen, Diabetes, Herzkrankheiten, Schlaganfall und Krebs sein (Zu dünn ist tödlich). Die Kosten für das Gesundheitssystem sollen in der Bundesrepublik jährlich mehr als zehn Milliarden Euro betragen.

Schlankheitsdiätführer „Weg mit dem Körperfett!“ um 1929

Diäten boomen alle Jahre wieder, spätestens im Frühjahr wird die Bikinifigur zum Thema nicht nur der Frauenzeitschriften. Die Übergewichtigen geben sehr viel Geld für Diätprodukte aus, obwohl die langfristige Wirkung der Schlankheitsprogramme mehr als fragwürdig ist. Was wirklich hilft, ist eine langfristige Umstellung der Lebensgewohnheiten (Hungerkur für die Gesundheit?). Die sechs goldenen Tipps der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätik (http://www.ernaehrungsmed.de) sind im Grund sehr einfach und jedem längst bekannt:

  1. Essen Sie mehr Kohlenhydrate
  2. Essen Sie reichlich Ballaststoffe
  3. Essen Sie viel Obst und Gemüse
  4. Essen Sie weniger Fett
  5. Genießen Sie das Essen
  6. Bewegung Sie sich regelmäßig

Aber die eigenen Gewohnheiten zu ändern, ist den meisten wohl zu aufwändig. Lieber eine Pille einwerfen – noch besser eine Impfung und der Appetit erledigt sich von selbst. Schade nur, dass die Präparate gegen die überflüssigen Pfunde bisher vor allem teuer und wirkungslos sind (Schlankheitspillen und Schlankheitspillen: Keine wirkliche Hilfe). Fettabsaugungen sind bundesweit die mit Abstand beliebteste Schönheitsoperation, selbst die Fettwegspritze zur Auflösung der ungeliebten Speckpölsterchen erfreut sich großer Beliebtheit, obwohl die Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschlands (GÄCD) davor warnt, dass die Mittel nicht erprobt und der Patient im Grunde ein Versuchskaninchen sei (Landgericht befasst sich mit Fettwegspritze).

Nie wieder Heißhunger

Nach Impfstoffen gegen Drogensucht ("Einmal die Kombi gegen Mumps, Windpocken, Rauchen und Koksen bitte") und gegen das Rauchen (Erste Erfolge mit einem Impfstoff bei Rauchern - die Vakzine kann tatsächlich bei der Entwöhnung helfen) kommt jetzt das Vakzin gegen Fett in die Erprobungsphase. Wie das Wissenschaftsmagazin New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, startet die schweizerische Pharmafirma Cytos gerade eine klinische Studie mit 112 Probanden, die einen Body-Mass-Index (BMI) von 30 bis 35 haben. Der eingesetzte Impfstoff heißt CYT009-GhrQb und soll das Immunsystem dazu stimulieren, Antikörper gegen Ghrelin zu bilden. Ghrelin ist ein Peptid, das eine Rolle bei der Regulation der Nahrungsaufnahme spielt, es soll zu durch seine Wirkung im Gehirn den Appetit steigern und dadurch zu vermehrtem Essen führen. „Wir wollen das Hungergefühl reduzieren“, erläutert Claudine Blaser von Cytos.

CYT009-GhrQb soll dazu führen, dass Ghrelin neutralisiert wird und damit seine Wirkung im Hirn nicht mehr entfalten kann. Der Stoff wurde bisher in Mäuseversuchen getestet und reduzierte die Gewichtszunahme der Tierchen, die eine fettreiche Kost erhielten, um bis zu 15 Prozent. Die neue Studie soll in der zweiten Jahreshälfte 2006 erste Ergebnisse liefern.

Nicht jeder ist von davon überzeugt, dass das ein vielversprechender Ansatz ist. Stephen Bloom, Appetitforscher am Imperial College in London, zeigt sich skeptisch und verweist auf die Tatsache, dass Übergewichtige entgegen der Erwartung eher weniger Ghrelin im Blut haben als Normalgewichtige. Außerdem befürchtet er, dass der Versuch, das Appetit regelnde Peptid auszubremsen, einen tief greifenden Eingriff in den Stoffwechsel darstellt, der unerwartete Nebenwirkungen haben könnte. Bloom setzt mit eigener Forschung auf ein Hormon namens Oxyntomodulin, das den Appetit reduziert (Oxyntomodulin Suppresses Appetite and Reduces Food Intake in Humans). Andere Experten meinen, Ghrelin könnte hilfreich sein, wenn es darum geht, nach einer Diät das Gewicht zu halten und den Jojo-Effekt zu vermeiden.

Noxxon Pharma aus Berlin forscht ebenfalls an einem Präparat, um Ghrelin zu regulieren. Das so genannte Spiegelmer bindet gezielt Moleküle im Körper (Positive Results with anti-Ghrelin Spiegelmer in weight loss and obesity). Den Patienten soll das Medikament künftig in Form von Tabletten verabreicht werden.