Mit einer koordinierten Aktion soll Russland an den Pranger gestellt werden
Die USA, Großbritannien und die Niederlande haben eine Kampagne gegen die Cyberaktionen des russischen Geheimdienstes GRU gestartet
Der Konflikt zwischen Russland und den USA bzw. den Nato-Staaten wird derzeit von allen Seiten weiter aufgebauscht. Man nähert sich rapide den Kalte-Kriegs-Szenarien mit Aufrüstung und Geheimdienstaktionen an, entsprechend wächst die Gefahr eines militärischen Konflikts zwischen den Mächten mit ihren riesigen Atomwaffenarsenalen oder deren Proxies an.
Gerade hat die niederländische Regierung in Abstimmung mit Washington und London Details über angebliche Spionageaktivitäten von vier russischen GRU-Agenten veröffentlicht, die am 10. April mit diplomatischen Pässen ins Land kamen und bereits am 13. April ausgewiesen wurden. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie versucht hätten, das WLAN der OPCW zu hacken. Die Organisation war gerade mit den Untersuchungen zum Skripal-Fall und dem angeblichen Giftgasanschlag in Duma beschäftigt gewesen. Nach der Aktion in den Niederlanden habe das Team nach Spiez in die Schweiz fahren wollen, wo sich ein OPCW-Labor befindet.
In ihrem Fahrzeug, das sich auf dem Parkplatz des Marriot Hotels in der Nähe von OPCW-Büros befand, waren ein Computer, ein Transformator, ein Satz von Batterien und ein mit einer WiFi-Antenne verbundenes Smartphone. Ob die russischen Offiziere Zugriff auf das WLAN erlangt und ob sie an Daten herangekommen waren, wird freilich nicht mitgeteilt. Der Spionageversuch sei von den niederländischen und britischen Geheimdiensten präventiv gestoppt worden, sodass wohl noch nichts geschehen war, sofern es sich tatsächlich um einen Hackversuch gehandelt hatte.
Überdies wird einer der vier russischen Männer, der sich zuvor in Malaysia aufgehalten hatte, beschuldigt, versucht zu haben, an Informationen über die strafrechtliche Untersuchung des MH17-Abschusses zu gelangen. Auf dessen Notebook habe man "Verbindungen" zu mehreren Ländern, darunter auch nach Malaysia, Mitglied des MH17-Ermittungsteams, gefunden. Untersuchungen hätten ergeben, dass das Notebook für einen Angriff auf das Büro des malaysischen Staatsanwalts und auf die malaysische Polizei benutzt worden sei.
Kooperation mit der britischen Regierung
Die niederländische Regierung verwies darauf, dass man nur selten solche - trotzdem nicht weit reichende - Informationen veröffentlichen würde, aber man wolle damit auf die russischen Aktionen hinweisen und damit weitere solche Cyberoperationen verhindern. Zudem sei der russische Botschafter deswegen einbestellt worden. Russland wird damit also an den Pranger gestellt. In einem koordinierten Vorgehen mit Großbritannien, den USA und der Nato wird von der niederländischen Regierung die britische Regierung unterstützt, nach der GRU-Cyberoperationen wie die in den Niederlanden das internationale Recht unterhöhlen. Der niederländische Regierungschef Rutte veröffentlichte als Zeichen der Verbundenheit eine gemeinsame Erklärung mit der britischen Premierministerin May, die weiterhin, wie gerade der Parteitag der Tories gezeigt hatte, kurz vor dem Sturz steht und wahrscheinlich auch deswegen dankbar für einen äußeren Feind ist. In der Erklärung wurde auch die Verwendung des Nervengifts in Salisbury erwähnt.
Am Donnerstag hatte der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson bei einem Nato-Treffen in Brüssel den russischen Geheimdienst GRU beschuldigt, "rücksichtlose und wahllose Cyberangriffe" auszuführen, beispielsweise Störungen des U-Bahn-Systems in Kiew oder der Diebstahl der medizinischen Daten von Sportlern oder der DNC-Emails. Man werde die Aktionen öffentlich machen, verkündete Williamson, um Russland von solch einem Handeln in Zukunft abzuhalten. Und in einem Statement von Williamson heißt es: "Wir können nicht länger zulassen, dass der GRU aggressiv in der ganzen Welt tätig ist, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden." Das britische Außenministerium hatte eine Liste von angeblichen Hacks erstellt, darunter soll GRU auch für den Angriff auf den Bundestag verantwortlich sein.
US-Justizministerium beschuldigt sieben GRU-Agenten
Überdies kam die Veröffentlichung gleichzeitig mit der Bekanntgabe, dass das US-Justizministerium Anklage gegen sieben russische Agenten erhoben hat. Das "Hacking Team" wird beschuldigt, durch Hacks an die Daten von Drogentests olympischer Sportler gekommen zu sein und diese geleakt zu haben, um mit Fancy Bears durch eine "Beeinflussungs- und Desinformationskampagne" die Vorwürfe gegen das russische Doping zu schwächen und Sportler anderer Länder ebenfalls in Doping-Verdacht zu bringen.
Die GRU-Agenten, die "Online-Accounts und andere Infrastruktur" der GRU-Einheit 74455 benutzt haben sollen, seien zwischen 2014 bis Mai 2018 in den USA tätig gewesen und hätten versucht, in Computer von Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen einzudringen. Zu den sieben Angeklagten gehören auch die vier Agenten, die von den Niederlanden des Landes verwiesen wurden. Der niederländische Geheimdienst DISS, so wird betont, habe dem FBI bei den Ermittlungen geholfen. Drei der Agenten werden auch beschuldigt, sich in die amerikanische Präsidentschaftswahl eingemischt zu haben.
Allerdings ist das US-Justizministerium zurückhaltender, was die auf dem zurückgelassenen Notebook gefundenen Daten betrifft. Man habe gesehen, dass er an verschiedenen Orten in der Welt verwendet wurde, was ja nicht allzu verdächtig ist. So sei er am 16. September mit dem WLAN des Schweizer Hotels in Lausanne verbunden gewesen, wo sich ein Vertreter der kanadischen Antidopingbehörde CCES aufgehalten hat. Sie seien in dessen Notebook eingedrungen und hätten Passwörter gestohlen. Auch mit dem WLAN eines Hotels in Kuala Lumpur sei das gefundene Notebook im Dezember 2017 in Verbindung gewesen. Das US-Justizministerium stellt jedoch klar, dass die aufgeführten Aktionen "nur Beschuldigungen" seien, die Angeklagten seien so lange als unschuldig zu betrachten, bis ihre Schuld bewiesen ist.
Das russische Außenministerium erklärte : "Die Spionagemanie des Westens nimmt an Fahrt auf." Dagegen wird etwa das Thema angeblicher Biowaffenforschung in Georgien von russischer Seite in die Aufmerksamkeit gerückt. Gestern hat der Kommandeur der russischen ABC-Abwehrtruppen Igor Kirillow schwere Vorwürfe gegen die USA erhoben. In dem mit dem Pentagon verbundenen Richard-Lugar-Zentrum würden Biowaffen entwickelt. Aus den vom georgischen Ex-Minister für Staatssicherheit, Igor Giorgadse, veröffentlichten Dokumenten gehe hervor, dass Tests mit Medikamenten durchgeführt worden seien, an denen 73 Georgier gestorben seien.
Bei dem auch in der EU zugelassenem Medikament soll es sich um Sovaldi handeln. Dessen Wirkstoff Sofosbuvir wird zur Behandlung von chronischer Hepatitis C bei Erwachsenen eingesetzt. Sovaldi wird vom US-Pharmakonzern Gilead hergestellt.