Mit schlechten Studien gegen Muslime
- Mit schlechten Studien gegen Muslime
- Kurz' Beamte hatten Kindergartenstudie wahlkampfgerecht umgeschrieben
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Erst kürzlich wurde bekannt, wie Sebastian Kurz im Wahlkampf mit einer fragwürdigen Studie Stimmung gegen Muslime macht. Nun hat es Österreichs Integrationsminister schon wieder getan
Wer sich am Wochenende durch österreichische Tageszeitungen blätterte, dem konnte ein Gefühl des Déjà-vu überkommen. Da forderte Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz ein Ende der Migration und verwies dabei auf eine Studie, die schwere Integrationsdefizite bei österreichischen Muslimen feststellte. Kritiker des Ministers hingegen verwiesen auf die Unwissenschaftlichkeit der Untersuchung und warfen Wahlkämpfer Kurz das Schüren islamfeindlicher Stereotype vor. Hatten wir nicht dasselbe erst vor wenigen Wochen bei der Diskussion um die sogenannten Kindergartenstudie erlebt?
Aber von vorn. In nachrichtlich richtiger Reihenfolge geht die Geschichte so: "Kurz fordert massive Reduzierung der Migration." Diese Meldung konnte man an am Freitag erst auf der Facebook-Seite des Außen- und Integrationsministers und anschließend in vielen österreichischen Medien lesen.
Anlass für die neuerlichen Forderungen: Die "Muslim-Studie" des österreichischen Politologen Peter Filzmaier. Dieser hatte im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds 1.129 in Österreich lebende muslimische Flüchtlinge sowie Österreicher mit türkischen und bosnischen Migrationshintergrund nach ihren Einstellungen zu Themen wie Gesellschaft, Politik, Familie und Antisemitismus befragt.
Studie lässt sich auch als Beleg für Erfolg österreichischer Integrationspolitik lesen
Die Ergebnisse geben teils tatsächlich Grund zur Sorge: So zeigten sich beispielsweise über die Hälfte der befragten syrischen Flüchtlinge aber auch über ein Drittel der Österreicher mit Migrationshintergrund überzeugt, Juden hätten auf der Welt zu viel Macht. Jeweils über 80 Prozent der befragten somalischen und afghanischen Flüchtlinge forderten, Witze über den Islam zu verbieten. Und ein Drittel der befragten Flüchtlinge bezeichnete es als legitim, die Familienehre notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen.
Doch die Studie gibt nicht nur Grund zum Alarmismus. Im Gegenteil. Die meisten Ergebnisse lassen sich auch sich auch als Erfolg der österreichischen Integrationspolitik lesen. Schließen schnitten bei fast allen Fragen Muslime, die schon lange in Österreich leben, deutlich besser ab als jene, die im Rahmen der aktuellen Flüchtlingskrise zugewandert waren.
So zeigen sich Dreiviertel der Österreicher mit bosnischen Migrationshintergrund mit den Gesetzen in Österreich zufrieden, während es bei afghanischen Flüchtlingen gerade einmal etwas mehr als ein Drittel sind. Über zwei Drittel der tschetschenischen und somalischen Flüchtlinge wünschen sich eine muslimischen Ehefrau, während es bei Österreichern mit bosnischen Migrationshintergrund nur 24 Prozent sind.
Und die Ansicht, man müsse bereit sein für seinen Glauben zu sterben, findet nur bei somalischen Flüchtlingen mit 37 Prozent größere Zustimmung. Was der Interpretation außerdem fehlt: Vergleichswerte zur nicht-muslimischen Bevölkerung Österreichs. Der Aussage, Juden hätten zu viel Macht, stimmten in einer Umfrage im Jahr 2014 beispielsweise auch ein Drittel aller Österreicher zu.
Selbst der Studienmacher warnt vor Verallgemeinerungen
Problematischer als die einseitige Interpretation der Studienergebnisse ist allerdings die Konzeption der Studie selbst. Denn bei der Umfrage im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds handelt es sich um gar keine repräsentative Studie. Anstatt wie sozialwissenschaftlich üblich Personen zu befragen, die in ihrer Zusammensetzung hinsichtlich Faktoren wie Alter, Herkunft, sozialer Status, Geschlecht usw. in etwa der Struktur der gesamten muslimischen Bevölkerung Österreichs entsprechen, war die Umfrage mittels eines Schneeballsystems erstellt worden.
Das bedeutet: Die Teilnehmer konnten selbst darüber bestimmen, wer die Fragen als nächstes ausfüllen sollte. Ein Prinzip, das zwangsläufig dazu führt, das bestimmte Gruppen überpräsentiert sind, da der Fragebogen höchstwahrscheinlich eher im eigenen Bekanntenkreis und damit in ähnlichen sozialen Gruppen weitergegeben wird. Selbst der Studienmacher, der Politologe Peter Filzmaier, hatte deshalb vorsorglich davor gewarnt, die Ergebnisse zu verallgemeinern.
Allerdings ohne Erfolg. "Schockierend: Mehr als ein Drittel der Flüchtlinge sowie ein knappes Drittel der Türken befürworten die gewaltsame Verteidigung der Familienehre", meldete beispielsweise das österreichische Klatschportal Österreich 24. Die Kronen-Zeitung titelte: "Hälfte der Flüchtlinge verweigert Handschlag".
Selbst der seriöse Standard bescheinigte Österreichs Muslimen "große Unterschiede bei Wertehaltungen". Und auch Kurz legte am Samstag noch einmal nach und forderte mit Blick auf die Studie "insbesondere bildungsfernen Menschen aus anderen Kulturkreisen" die Einreise zu verweigern. Außerdem sprach er sich erneut gegen "Parallelstrukturen wie die Islam-Kindergärten" aus.