Mit schlechten Studien gegen Muslime

Seite 2: Kurz' Beamte hatten Kindergartenstudie wahlkampfgerecht umgeschrieben

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Damit verwies der Integrationsminister auf ein Thema, bei dem er sich erst vor wenigen Wochen ebenfalls den Vorwurf eingehandelt hatte, mit fragwürdigen Studien Stimmung gegen Muslime zu machen. Monatelang hatte Kurz gefordert, islamischen Kindergärten in Österreich zu schließen und deren Betreibern die Förderung sprachlicher Parallelwelt, Integrationsschädlichkeit und die Nähe zu Salafisten unterstellt. Doch wie das Wiener Stadtmagazin Falter im Juli herausfand, war die Studie, die all das belegen sollte, von Kurz' Mitarbeitern eigenhändig manipuliert worden.

In der sogenannten "Kindergartenstudie" hatte der Religionspädagogen Ednan Aslan das Integrationsverständnis und die pädagogischen Qualitäten von 150 islamischen Kindergärten und 450 islamischen Kindergruppen im Land untersucht. Die Falter-Redakteure waren an eine frühe Version der im März 2016 veröffentlichen Untersuchung gelangt. Aus diesen Word-Daten im Bearbeitungsmodus ging hervor, wie ein leitender Beamter des Ministers die Studie in wesentlichen Punkten vor der Veröffentlichung umgeschrieben hatte.

In der unveränderten Version hieß es zum Beispiel, muslimische Eltern wollten, dass ihre Kinder "selbstständig, respektvoll und liebevoll erzogen" werden. Der Beamte änderte den Satz kurzerhand in: Die Eltern wollen ihre Kinder "vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft schützen". Während die Originalversion der Studie muslimischen Eltern bescheinigt, für ihre Kinder "Werte wie Respekt, Gelassenheit (und) Individualität" zu suchen, hieß es in der bearbeiteten Version: "Besonders wichtig ist ihnen, dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden."

Ersatzlos gestrichen wurde ein Abschnitt, in der ein Kindergartenbetreiber muslimische Pädagogen ausführlich für ihre Sprachkenntnisse lobt und ihnen eine "super Ausbildung" bescheinigt.

Insgesamt 903 Änderungen ließen sich in den geleakten Dokumenten des Falter nachvollziehen. Oft handle es sich dabei nur um Formalia, aber in vielen Fällen hätte Kurz’ Ministerium die Studie auch inhaltlich so verändert, "damit sie politisch besser zu einem der dominierenden Wahlkampfthemen von Minister Kurz passt: dem Islam", urteilt die Falter-Redaktion.

Folgen hatte die Enthüllung allerdings nur für Studienmacher Aslan, der den Änderungen seiner Studie wohl nachträglich seinen Segen erteilt hatte. Die Uni Wien leitete ein Verfahren zur Überprüfung der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit des Islamwissenschaftlers ein. Auch die Stadt Wien kündigte vergangene Woche an, möglicherweise gegen Aslan gerichtlich vorzugehen zu wollen. Kurz selbst hingegen dürfte weder dieser noch der aktuelle Fall geschadet haben. In Umfragen für die am 15. Oktober stattfindende Nationalratswahl liegt seine ÖVP deutlich vorn.