Mit wachsender urbaner Dichte sinkt die Covid-19-Todesrate

New York City. Bild: Dietmar Rabich/CC BY-SA-4.0

Urbanisten haben in den USA den Zusammenhang zwischen Größe, Dichte und Vernetzung mit den Fallzahlen der Covid-19-Pandemie untersucht

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Seit jeher galten Städte als Ort des Verderbens, wo sich auch Seuchen schnell verbreiten, weil viele Menschen oft auf engem Raum leben oder sich dort in Massen aufhalten bzw. bewegen, kaum räumliche Distanzen einhalten können, die Moral lockerer ist und Begegnungen mit unbekannten Mitbürgern, Reisenden und Touristen an der Tagesordnung sind. Wer kann, verlässt bei Seuchen die Städte oder zieht sich zurück. Nach Umfragen würden jetzt auch mehr Amerikaner gerne die Großstädte verlassen.

So wurde es auch in den USA gesehen, als zunächst New York City das Epizentrum der Covid-19-Pandemie wurde. Mitte April sagte Andrew Cuomo, der Gouverneur von New York: "Warum New York? … Warum Städte im ganzen Land? Das ist sehr einfach. Es geht um Dichte. Es geht um die Zahl der Menschen an einem kleinen geografischen Ort, die dem Virus die Verbreitung ermöglicht. … Dichte Umgebungen sind seine Futterplätze."

Aber die Vermutung, dass Bevölkerungsdichte wie in den Städten die Verbreitung einer Epi- bzw. Pandemie wie Covid-19 fördert, könnte ein Vorurteil sein, wie Wissenschaftler von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health eruiert haben. Zumindest ist es nicht ganz so einfach, Städte jeder Art als Hauptverbreitungsorte anzusehen, zumal diese besser medizinisch versorgt sind und hier strenge Distanzregeln oder Reiseverbote eher verhängt und eingehalten werden. Das Gegenteil zur räumlichen Verdichtung, die lange Zeit als stadtplanerisches Ziel verfolgt wurde, ist die Zersiedelung (sprawl). Es geht bei dieser Diskussion also auch um Paradigmen der Stadtplanung.

Je vernetzter die Orte in großen städtischen Gebieten sind, desto stärker kann eine Epidemie zuschlagen

Für ihre Studie, die im Journal of the American Planning Association erschien, haben die Wissenschaftler zwischen 20. Januar und 25. Mai die bestätigten Sars-CoV-2-Infektionsfälle mit den Todesraten pro 10.000 Einwohner von 913 städtischen Counties verglichen. Das Ergebnis ist gemischt. Die Einwohnerzahl von Städten ist eine der wichtigsten Indikatoren für die Zahl der Infektionsfälle. Dagegen spielt die Bevölkerungsdichte der Counties hier keine Rolle und ist sogar negativ mit der Mortalitätsrate verbunden, was die Wissenschaftler mit der besseren medizinischen Versorgung und der stärkeren Beachtung der Distanzregeln verbinden. Eine Verdoppelung der Aktivitätsdichte lässt die Mortalitätsrate um 11,3 Prozent sinken.

Nicht die Bevölkerungs- bzw. Aktivitätsdichte von Bewohnern und Pendlern, sondern die Vernetzung von Räumen in Sprawling-Counties um Großstädte herum durch wirtschaftliche, soziale und Verkehrsverbindungen (Pendeln) ist danach für die Verbreitung der Covid-19 wichtiger. Die höchsten Infektions- und Mortalitätsraten gibt es im Rahmen von Großstadtregionen mit eng verbundenen Counties. Hier spielen auch Reisebewegungen und Kontakte von Geschäftsleuten und Touristen eine Rolle, die auch zu Infektionswellen über Grenzen hinweg sorgen können. Das Ansteckungs- und Sterberisiko wächst mit der Bevölkerung eines County, mit einem höheren Anteil von über 60-Jährigen, einem kleineren Anteil von Akademikern und einem höheren Anteil von Schwarzamerikanern, während es mit der Zahl der vorhandenen Betten in Intensivstationen fällt.

Je vernetzter die Orte in großen städtischen Gebieten sind, desto stärker kann eine Epidemie zuschlagen, schreiben die Wissenschaftler: "Die Epidemie könnte mit den großen Stadtzentren beginnen und sich schließlich auf weniger dicht bevölkerte suburbane und ländliche Gebiete verbreiten. Kein Ort ist gegenüber der Verbreitung immun. Wenn wir auf die Raten anstatt die Fallzahlen in der Pandemie von 1918 (der Spanischen Grippe) schauen, dann waren ländliche und weniger dicht besiedelte Gebeiete stärker betroffen als Städte."

Stadtplanerin und Mitautorin Shima Hamidi gibt Stadtplanern den Rat als Konsequenz aus der Studie, weiter verdichtete Räume zu realisieren und sich dafür einzusetzen, da diese viele, gut belegte Vorteile hätten, darunter eben auch gesundheitliche:

Die Tatsache, dass Dichte nicht mit bestätigten Infektionsraten und negativ mit bestätigten Covid-19-Todesfällen verbunden ist, ist wichtig, unerwartet und tiefgreifend. Sie widerspricht dem Narrativ, dass ohne vorhandene Daten und Analysen die Grundlage moderner Städte problematisiert und zu einem Bevölkerungswechsel von urbanen Zentren zu vor- und außerstädtischen Gebieten führen kann.

Shima Hamidi

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