"Monetary financing" durch nationale EZB-Mitgliedsbanken?
Bislang galt es als eherner Grundsatz der Eurozone, dass die Geldschöpfung alleine der EZB zugestanden wird, aber einzelne Eurozone-Notenbanken haben sich eine Notfall-Lizenz zum Gelddrucken eingeräumt
Seit dem Ende der Gold-Einlöspflicht im Jahr 1972 kreieren souveräne Notenbanken ihre eigene Währung unbeschränkt per Federstrich. Das einzige Limit liegt in ihrer Glaubwürdigkeit, die zwangsläufig beschädigt wird, bringt die Notenbank dauerhaft zu viele Geld in Umlauf.
Da es für Regierungen aber verlockend sein mag, Defizite nicht durch höhere Steuereinnahmen sondern mit der Notenpresse auszugleichen, wird weltweit die Unabhängigkeit der Notenbanken von den Regierungen und ihre rigide Position als Inflationswächter betont. Für die Eurozone wurde folglich ein striktes Verbot der "monetären Finanzierung" des öffentlichen Sektors erlassen und stets die Übereinstimmung der umlaufende Geldmenge mit den im Währungsraum verfügbaren Gütern und Dienstleistungen betont, was die Preise stabil halte. Wird zuviel Geld in Umlauf gebracht, sinkt dessen Wert in Relation zu den umlaufenden Gütern und mit dem Vertrauen schwindet auch die Kaufkraft, was wiederum zur Entwertung von Einkommen und Geldvermögen führt und in der Regel gravierende wirtschaftliche Schäden verursacht.
Bislang wurde daher stets behauptet, dass die Kontrolle über die Geldpolitik in der Eurozone allein bei der strengen und unabhängigen EZB liege, und die nationalen Notenbanken ausschließlich auf Anweisung der EZB agierten.
Das scheint allerdings nicht ganz korrekt zu sein, wie im Zuge der Irland-Krise zutage kam. So hatten sich viele Eurozonen- Notenbanken schon vor der jüngsten Krise spezielle Notfallfazilitäten ("Emergency Liquidity Assistance", ELA) eingerichtet, die ihnen in Krisenzeiten die autonome Refinanzierung ihrer regionalen Banken erlaubten. Laut Willem Buiter, früher kritischer Finanzprofessor und heute Chef-Volkswirt der Citi Group, werde damit eine Geldschöpfung "außerhalb des Eurosystems ohne Rückgriff auf die EZB" ermöglicht.
Legal gedeckt sind die ELAs durch Artikel 14.4 der Protokolle der EU, der den nationalen Notenbanken Geschäfte auf eigene Rechnung zubilligt, sofern sie nicht vom EZB-Rat mit Zweidrittelmehrheit untersagt werden. Gedacht waren diese autonomen Fazilitäten, um im Falle eines Liquiditätsschocks augenblicklich als "Lender of last Resort" eingreifen zu können. In den Stellungnahmen der EZB zu den jeweiligen ELAs bestand die EZB aber stets darauf, dass es sich nur um kurzfristige Notfallhilfen handeln dürfe, die nur an illiquide, nicht aber an insolvente Institute vergeben werden und einen "Strafzins" kosten müssten. Nie war indes davon die Rede, damit konkursreife Institute jahrelang am Leben zu erhalten.
Irische Notenbank läuft in Gefahr, wegen ELA-Finanzierungen Pleite zu gehen
Glaubt man Buiter, dann dürfte genau das aber gerade geschehen. In seiner Analyse ELA: Ein Kaiser ohne Kleider? enthüllt er Sachverhalte, die keinem offiziellen EZB-Papier zu entnehmen sind. So hatte am Höhepunkt der Krise z.B. auch die Bundesbank vorübergehend Milliardenbeträge über ELA-Fazilitäten ausgegeben, in Ländern wie Griechenland und Irland haften diese Finanzierungen allerdings bis heute aus und werden stetig mehr.
Darüber hinaus vermutet Buiter, dass den irischen Banken kein Strafzins auferlegt werde, sondern der Zins auf dem Niveau der normalen EZB-Refinanzierung liege. Irische Zeitungen berichten allerdings von einem Zinssatz von knapp drei Prozent.
Unterscheiden würde sich die ELA-Finanzierung Buiter zufolge jedenfalls in den Anforderungen an die Sicherheiten, die die Banken hinterlegen müssen. Denn wenn sie noch EZB-taugliche Sicherheiten hätten, würden sie sich direkt an die EZB wenden, die ja nach wie vor unbegrenzt Kredite zur Verfügung stellt. Derzeit würden jedoch bereits 24 Prozent der Aktiva der irischen Zentralbank (49 Mrd. Euro) auf ELA-Forderungen entfallen, was dem 33fachen Grundkapital von ihr entspricht. Buiter meint zudem, Irland habe den IWF nur deshalb ins Land gelassen, weil die EZB gedroht habe, die ELA-Finanzierungen zu untersagen.
Zwar bürgen die jeweiligen Regierungen für die ELA-Forderungen, angesichts ihrer schwachen Bonität laufe mit Irland dennoch erstmals eine der Eurozonen-Notenbanken Gefahr, Pleite zu gehen. Damit würden in der Eurozone Verhältnisse einziehen wie in der Rubelzone, als die Nachfolgestaaten der Sowjetunion jeweils unkontrolliert Rubel ausgaben bis das System unter mehreren Hyperinflationswellen zusammenkrachte.
Schon jetzt sei bedenklich, was das ELA-System für die Geldmenge bedeute. Da die EZB nach dem Einfrieren des Interbankenmarktes im Oktober 2008 dazu übergegangen ist, ihren Refinanzierungszinssatz fix festzulegen und den Banken jede beliebige Summe zuzuteilen, geht Buiter davon aus, dass sich die Banken zuvor bei der EZB geholt haben, was dort zu bekommen war. Was nun via ELA darüber hinaus gehe, könnte daher als zusätzliche Finanzierungen betrachtet werden und würde über die Intentionen und Kontrolle der EZB hinausgehen.
Die ELA-Nutzung beschränkt sich dabei nicht auf Irland. So hatte Großbritannien bereits im September 2007 nach dem Scheitern der Hypothekenbank Northern Rock mit derartigen Geldern finanziert, 2008 erhielten die Royal Bank of Scotland (RBS) und die Halifax Bank of Scotland (HBOS) substantielle ELA-Kredite, die allerdings erst ein halbes Jahr später aufgrund einer parlamentarischen Anfrage bekannt wurden und Anfang 2009 abgeschichtet worden sein sollen. Indes erhielten auch die belgische Fortis und die schwedische Carnegie Investment Bank ELA-Kredite. Buiter zufolge habe auch die Bundesbank ELA-Gelder ausgegeben, deren Maximum im Oktober 2008 bei 38 Mrd. Euro gelegen habe.
Notenbanken unter Kontrolle der nationalen Banken?
Darüber hinaus drängt sich die Frage auf, ob denn die nationalen Banken über ihren Einfluss auf die Notenbank nicht die Geldpolitik in ihrem Sinne gestalten könnten und sich folglich ohne Behinderung durch die EZB stets bei den ELA-Fazilitäten ihrer lokalen Notenbankern bedienen könnten.
Dabei ist die Macht anonymer, aber dafür um so mächtigerer Banker über die Notenbank und folglich über das Geld ist vor allem in den USA ein beliebtes Thema. So kursiert schon lange die Geschichte, dass ausländische und noch dazu jüdische Banken die Federal Reserve Bank of New York kontrollieren würden, und - da die New Yorker Fed die Marktoperationen der Fed durchführt – somit direkt die Geldpolitik der USA bestimmten. Als Quelle werden von Verschwörungstheoretikern meistens Eustace Mullins (1983) und Gary Kah (1991) genannt, die behaupteten, die Fed of New York werde von einigen ausländischen Banken, von Mullins "London Connection" genannt, und vor allem vom Bankhaus Rothschild kontrolliert.
Mullins nannte damals als größte Anteilseignern an der NY Fed, die Citibank, Chase Manhatten, Morgan Guaranty Trust, Chemical Bank, Manufacturers Hanover Trust, Bankers Trust Company, National Bank of North America, denen er ausländische Eigentümer nachzuweisen versuchte. Gary Kah wollte hingegen von Schweizer und arabischen Kontakten erfahren haben, dass die Kontrolle von den Rothschild Banken London und Berlin; von Lazard aus Paris; Israel Moses Seif Banks aus Italien; Warburg Bank aus Hamburg bzw. Amsterdam, sowie von den New Yorker Banken Lehman Brothers, Kuhn&Loeb, Chase Manhatten und Goldman Sachs kontrolliert werde.
Zutreffen dürfte immerhin, dass die genannten US-Banken Anteile an der Fed halten, denn jede Geschäftsbank, die in den USA bankübliche Geschäfte betreiben will, muss Anteile an ihrer regionalen Notenbank erwerben, um eine "Mitgliedsbank" des Federal Reserve Systems zu werden. Was den Nachweis der ausländischen Kontrolle dieser Banken angeht, war jedenfalls der Börsenaufsicht SEC damals allerdings nichts bekannt. Der Liste der größten Banken von der Website der Fed ist unter der Rubrik "Charta" zudem zu entnehmen, zu welcher regionalen Notenbank eine Bank gehört und welchen Anteil Ausländer an ihr halten. Europäische Banken, deren Töchter in New York aktiv sind, halten nun tatsächlich Fed-Anteile, jedoch hat statutengemäß jede Bank unabhängig von ihrem Kapitalanteil immer nur eine Stimme, was bei mehr als 1000 stimmberechtigten Banken in New York den Anteil der Ausländer kaum relevant erscheinen lässt. Bei den von Mullins genannten Banken bzw. deren Nachfahren ist laut Fed jedenfalls keine ausländische Kontrolle angemerkt.
Bedenklich am Fed-System, bei dem die wichtigsten Gremien mehrheitlich allerdings von der Regierung besetzt werden, ist die Tatsache, dass die Banken die lokalen Direktoren bestimmen, aus deren Kreis die meisten Mitglieder der entscheidenden Boards ausgewählt werden, die Banken also etwa von vornherein verhindern können, dass scharfe Gegner des Bankensystems sich im Fed breitmachen könnten.
In Europa dürfte der Einfloss der Geschäftsbanken auf ihre regionalen Notenbanken oft noch geringer sein. So haben z.B. in Österreich die Banken ihre Anteile während der jüngsten Krise vollständig an den Bund abgeben müssen, was sie vermutlich vor allem deshalb gestört hatte, weil sie daraus zuvor sichere und nicht kleine Renditen erzielen konnten. Der Einfluss der Banken auf die Geldpolitik dürfte indes schon zuvor sehr gering gewesen sein, da längst das Finanzministerium die Kontrolle über das Führungspersonal übernommen hatte.
In Deutschland wurde indes schon im Bundesbankgesetz von 1957 (§2 Rechtsform, Grundkapital und Sitz) festgelegt: "Die Deutsche Bundesbank ist eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Ihr Grundkapital im Betrage von 2,5 Milliarden Euro steht dem Bund zu." Ebenso die Bank of England, die 1946 komplett verstaatlicht wurde, und die Bank of Irland, die sich gleichfalls in alleinigem Staatsbesitz befindet. Anders beispielsweise die italienische Zentralbank, deren Kapital sich im Eigentum italienischer Banken befindet, allerdings haben sich auch hier Parlament und Regierung die Mehrheit in den Gremien gesichert.