Moslembruderschaft dementiert Umzug nach Graz

Der britische Premierminister David Cameron wies die Geheimdienste MI5 und MI6 an, zu überprüfen, wie die Gruppierung tatsächlich zu Terroranschlägen steht

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Ibrahim Munir, der Generalsekretär der Moslembrüder, sagte der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, er könne sich nicht vorstellen „Großbritannien für ein anderes Land zu verlassen". Anlass für diese Äußerung war ein Bericht der Daily Mail, dem zufolge die Organisation beschloss, ihr „internationales Büro“, das sich derzeit über einem geschlossenen Kebab-Imbiss im Nordwesten von London befindet, in das steirische Graz zu verlegen, weil der britischen Premierministers David Cameron seine Geheimdienste MI5 und MI6 anwies, herauszufinden, wie die Gruppierung tatsächlich zu Terroranschlägen steht. Dieser Prüfauftrag wurde – anders als der Umzug - bislang nicht dementiert, sondern auch von der Times berichtet.

Die Moslembruderschaft gründete sich Ende der 1920er Jahre in Ägypten, wo sie auch heute noch die meisten Anhänger hat. In den 1930er Jahren demonstrierte sie für einen Hinauswurf aller Juden aus dem Land am Nil und empfahl ihren Mitgliedern “absoluten Gehorsam” und den “Tod für Gott” als “edelste Hoffnung”.

In den 1940er Jahren entwickelte sich die Organisation in Ägypten zu einer Massenbewegung und baute eigene Strukturen mit Schulen, Krankenhäusern und Firmen auf. 1948 wurden die Moslembrüder nach mehreren Terroranschlägen erstmals verboten, worauf hin sie den damaligen Premierminister Mahmoud an-Nukrashi Pascha in die Luft sprengten. Auf Gamal Abdel Nasser verübte die zwischenzeitlich wieder zugelassene Bewegung ebenfalls einen Mordanschlag, der jedoch erfolglos blieb. Das Attentat auf Anwar al-Sadat geht dagegen nicht auf ihr Konto.

In den 1960er und 1970er Jahren exportieren ägyptische Moslembrüder ihre Ideologie in viele andere Staaten, darunter in den Sudan, wo die von ihnen maßgeblich beeinflusste Nationale Islamische Front 1983 an die Macht kam und die Scharia einführte. In Algerien gilt die verbotene Islamische Heilsfront (FIS) als Tochter der Moslembruderschaft, in Tunesien die aktuelle Regierungspartei en-Nahda. In Ägypten selbst präsentierten sich die Moslembrüder nach der Abspaltung einiger radikalerer Gruppierungen wie dem Islamischen Dschihad als Opposition zum Staatschef Hosni Mubarak, der es nicht nur um einen Gottesstaat, sondern auch um Gerechtigkeit und bessere Lebensverhältnisse geht.

Beim Sturz Mubaraks hielt sich die Organisation eher im Hintergrund, errang aber 2011 mit der von ihr gegründeten Partei al-Hurriya wa-l-ʿAdala eine relative Mehrheit im Parlament und konnte Mohammed Mursi als neuen Präsidenten installieren. Als dieser nach Massenprotesten vom Militär entmachtet wurde, versuchten seine Anhänger einen blutigen, aber erfolglosen Aufstand, der dazu führte, dass die Moslembrüder in Ägypten nicht nur erneut verboten, sondern auch als Terrororganisation eingestuft wurden.

In Deutschland nutzt die Gruppe dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge Vereine wie die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) für Aktivitäten in Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Köln, Marburg, Braunschweig und Münster. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Verfassungsschutz stufte 2006 den “Großteil des [in der Moslembruderschaft] vertretenen ideologischen Gedankenguts” als “unvereinbar mit den im Grundgesetz [...] verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaates und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung” ein, weil ihr “absoluter” und “göttlicher” Wahrheitsanspruch und die von ihr angestrebte Ordnung “im Widerspruch zu grundlegenden demokratischen Prinzipien wie dem Meinungspluralismus und der Volkssouveränität” stehen.

Österreichische Beobachter hatten sich vor dem Dementi unter anderem gewundert, warum die Moslembrüder ausgerechnet nach Graz und nicht nach Wien wollen, wo Islamisten deutlich auffälliger vertreten sind als in der steirischen Landeshauptstadt: In den letzten Tagen machten dort zwei 15- und 16-jährige Mädchen bosnischer Herkunft Schlagzeilen, die in einer örtlichen Moschee so sehr radikalisiert worden sein sollen, dass sie heimlich über die Türkei nach Syrien reisten, wo sie sich angeblich Terrorkommandos angeschlossen haben. In Abschiedsbriefen an ihre Eltern kündigten sie ihre Teilnahme am „Dschihad“ an.

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