Mossad in der Corona-Krise auf Jagd nach benötigten medizinischen Materialien
Auch der Inlandsgeheimdienst Shin Beth und das Militär sind in der Pandemie-Bekämpfung involviert
Gestern erreichten 60 Tonnen an medizinischem Material Israel, das aus China stammt. Es handelt sich um den ersten Flug, der vom israelischen Militär organisiert wurde. Mit insgesamt 5 Flügen werden in den nächsten Tagen 12 Millionen Atemschutzmasken und andere Materialien von den nach China outgesourcten Fabriken der israelischen Firma Sion Medical in Israel erwartet.
In Israel wurden über 11.000 Menschen positiv auf Covid-19 getestet, 110 sind an oder mit Covid-19 gestorben, wie überall vorwiegend ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Eigentlich will das Gesundheitsministerium täglich 10.000 Tests durchführen, das dürfte aber nicht erreicht werden, weil Reagenzien fehlen. Hotspot in Israel sind ultraorthodoxe Gemeinden, wo die Gläubigen meinten, ihre Religion schütze sie vor der Pandemie, weswegen Schulen oder Synagogen länger offen blieben.
Ab 15. Mai sollen die Beschränkungen nach Premierminister Netanjahu gelockert werden, aber Versammlungen und internationale Flüge werden wahrscheinlich noch bis zum September eingeschränkt sein. Bislang ist Israel gut durch die Corona-Krise gekommen, die Zahl der Toten beträgt beispielsweise nur ein Zehntel derjenigen von Schweden, das etwa die gleiche Einwohnerzahl hat, aber vor allem auf die freiwillige Einhaltung der Empfehlungen zur räumlichen Distanz setzte.
Zur Legitimation der Mossad-Mission wurde die iranische Bedrohung schnell herabgestuft
Wie die New York Times berichtet, hat der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad auch eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Coronavirus-Pandemie gespielt. Die Agenten schwärmten aus, um Materialien und Geräte zu beschaffen, die Israels Regierung wie die anderer Staaten trotz bekannter Warnungen vor kommenden Epidemien nicht bevorratet hatte.
Die Missionen sind geheim. So wurde zwar Ende März bekannt und von der Regierung bestätigt, dass der Mossad im Ausland 100.000 Testkits im Ausland besorgt hatte, aber es blieb unbekannt, woher sie stammten, wie viel dafür bezahlt wurden und ob alles mit rechten Dingen zuging. Auch der Inlandsgeheimdienst Shin Beth wurde von der Regierung eingespannt, um die Kontakte von Infizierten mittels Telefon- und Kreditkartendaten aufzudecken.
Wie die NYT aufgrund anonym bleibender Quellen aus dem israelischen Sicherheitsapparat berichtet, wurde der Iran, Israels Hauptfeind, als Bedrohung schnell herabgestuft, um den Auslandsgeheimdienst zur Beschaffung einzusetzen. Das könnte auch ein Licht darauf werfen, welche politische Bedeutung die iranische Bedrohung hat. Schon im Februar stellte sich heraus, dass es zu wenige Beatmungsgeräte und anderes medizinisches Material gibt.
"Nur in Israel konnte das Sheba-Krankenhaus die Hilfe des Mossad gewinnen"
Der Mossad erhielt vom Sheba Medical Center, dem größten Krankenhaus, und vom Gesundheitsministerium Listen der am dringendsten benötigten Dinge. Geheimdienstchef Yossi Cohen richtete ein Operationszentrum unter seiner Leitung im Sheba ein, an dem neben Mossad-Agenten auch Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums und der Unit 81 des Militäsgeheimdienstes teilnehmen. Der Leiter des Sheba-Krankenhauses Prof. Yitshak Kreiss preist die Zusammenarbeit, die auch zeigt, wie eng Militär und Geheimdienste mit dem zivilen Leben in Israel verbunden sind. Kreiss war Brigadegeneral und Militärarzt und sagte "Nur in Israel konnte das Sheba-Krankenhaus die Hilfe des Mossad gewinnen. Können Sie sich vorstellen, dass das Mount Sinai Krankenhaus die CIA um Hilfe bittet?" Noch undenkbar wäre es auch in Deutschland, wenn etwa die Charité direkt mit dem BND, dem Verfassungsschutz und der Bundeswehr zusammenarbeitet. Aber wer weiß?
Es gab Gerüchte, dass der Mossad auch in arabischen Ländern eingekauft haben, die nicht mit Israel verbunden sind, was von den NYT-Quellen nicht bestätigt wurde. Allerdings wurden Kontakte zwischen den Geheimdiensten aufgebaut. Dafür scheint aber klar zu sein, dass der Mossad Materialien oder Beatmungsgeräte besorgt hatte, die schon von anderen Staaten bestellt worden waren, darunter 1,5 Millionen Atemschutzmasken, Zehntausende von N-95-Masken, Schutzanzügen, Schutzbrillen und Medikamenten. Dazu soll der Mossad das Wissen zur Produktion von Beatmungsgeräten und Technik zur Durchführung der Labortests besorgt haben. Das zeigt, wie wenig das israelische Gesundheitssystem auf lange angekündigte Epidemien vorbereitet war - und dass der Geheimdienst mit seinen dunklen Geschäften eingeschaltet werden musste, anstatt offen auf Einkaufstour zu gehen.
Die Beschaffungsmaßnahmen dürften mit gehörigem Druck und Bestechung vor sich gegangen sein, zumal die Konkurrenz mit den Beutesuchern der anderen Ländern härter wurde, die ebenfalls dringend fehlende Geräte, Atemschutzmasken und anderes Material besorgen bzw. deren Export verhindern wollten. So berichtete ein Informant, dass der Mossad besser mit Geheimdiensten anderer Länder kooperieren konnten, die nicht demokratisch sind, aber zu denen man gute Beziehungen hatte. Mitunter soll der Mossad-Chef sich auch gleich direkt an die Regierenden dieser Länder gewandt haben. So wurde auch in China eingekauft, und zwar über ein Netzwerk, über das normalerweise Waffen gehandelt werden. In Deutschland sollen die Mossad-Agenten zumindest einmal gescheitert sein, als sie Güter von einer Fabrik nach Israel bringen wollten, die aber von deutschen Sicherheitskräften beschlagnahmt wurden.
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