Münchner "Kunstfund": Verdacht der rechtswidrigen Beschlagnahme

Sollte Cornelius G. unter Druck gesetzt werden, um auf einen Teil der Bilder "freiwillig" zu verzichten?

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Vom 28. Februar bis zum 2. März 2012 ließ die Staatsanwaltschaft Augsburg 1406 Gemälde und Dokumente aus dem Besitz des heute 80-jährigen Kunstsammlers Cornelius G. beschlagnahmen. Weil sowohl G. als auch die Behörden lange darüber schwiegen, bekam die Öffentlichkeit erst im November 2013 von diesem Vorfall Kenntnis. In ersten Medienberichten dazu war von einem "Nazi-Kunstschatz" die Rede und es wurde suggeriert, dass der Besitzer dieser Bilder nicht ihr rechtmäßiger Eigentümer sei, weil sein Vater, ein Kunsthändler mit jüdischer Großmutter, sie in der Zeit zwischen 1933 und 1945 erwarb.

Inzwischen gibt es immer mehr Zweifel daran. G. selbst spricht im Spiegel von einer falschen Darstellung durch die Medien und die Behörden, die ihm bislang weder eine Anklageschrift zugestellt noch in sonstiger Weise über den Stand des Verfahrens informiert hätten.

Umstrittenes Gemälde aus der Sammlung Gurlitt: Max Liebermann - Zwei Reiter am Strand.

Am Wochenende schaltete sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in den Fall ein. Sie meinte in der Süddeutschen Zeitung, dass sie sich nicht erklären könne, warum G. eineinhalb Jahre nach der Durchsuchung nicht wenigstens die Bilder zurückbekam, die unzweifelhaft vor oder nach der Nazizeit erworben wurden oder aus dem Bestand von Museen stammen, die ihre "entartete" Kunst unter regimenaher Führung bereitwillig abstießen. Eine Beschlagnahme, so die FDP-Politikerin, sei "ja nicht dazu da, um jemanden unter Druck zu setzen, um vielleicht etwas anderes von ihm zu bekommen". Damit spielte sie auf Forderungen an, G. solle "freiwillig" auf einen Teil der Bilder verzichten, um den Rest wiederzubekommen.

Gestern reagierte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz auf diese Rüge und forderte die mit den Bildern betrauten Provenienzforscher am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin öffentlich dazu auf, ihm diejenigen Kunstwerke zu nennen, die "zweifelsfrei im Eigentum des Beschuldigten stehen". Diese Bilder sollen anschließen "unverzüglich zur Rücknahme angeboten werden".

Die steuerrechtlichen Vorschriften, mit denen die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen begründete, stellten sich mittlerweile als wahrscheinlich nicht anwendbar heraus: Der in Salzburg gemeldete Cornelius G. versteuerte sein Einkommen übereinstimmenden Medienberichten nach nämlich in Österreich. Darüber hinaus greifen Verjährungsvorschriften.

Matthias Druba, ein auf Kunsteigentumsfragen und Ansprüche aus der NS-Zeit spezialisierter Rechtsanwalt vermutet, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg und andere staatliche Stellen den Fall möglicherweise so lange verschleppen wollten, bis er sich "biologisch erledigt", wie es im informellen Behördenjargon heißt. Hätte sich danach kein Erbe gemeldet, dann hätte der Freistaat Bayern die Kunstwerke einfach an seine Museen verteilen können. Dass die damals zuständige bayerische Justizministerin Beate Merk, die auch in der Affäre Mollath keine besonders gute Figur machte, nichts von der Sache wusste, kann sich Druba nicht vorstellen.

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