Müssen bald skeptische Deutsche in die USA auswandern?
Schon lange in Deutschland gestellte, mittlerweile aber verpönte 11.9.-Fragen werden nun auch in den USA gestellt
Verschwörungstheoretiker aller Couleurs sind zum 2. Jahrestag vom 11. September in Deutschland unter heftigen Beschuss geraten. Doch während sie von den großen Medien hierzulande offenbar nicht mehr ignoriert werden können, nachdem so viele blauäugige Verrückte ihre Bücher gekauft haben, gibt es in den USA kein vergleichbares Phänomen. Kein Amerikaner hat bis heute ein Buch veröffentlicht, in dem Fragen gestellt werden, die eine Komplizenschaft der US-Regierung und seiner Apparate nahe legen. Die übersetzten Bücher von Thierry Meyssan, Guillaume Dasquié und Jean-Charles Brisard haben sich in den USA nicht unbedingt schlecht verkauft, aber das sind alles Franzosen. Noch besser hat sich "The War on Freedom: How and Why America was Attacked, September 11, 2001" von Nafeez Mosaddeq Ahmed verkauft - einem in England geborenen Bangledeschi. Michel Chossudovsky ist Kanadier. Und von Bröckers ist nichts zum 11.9. ins Englische übersetzt.
Laut Zweitausendeins war das Interesse von englischsprachigen Verlagen an Bröckers Bestseller gleich null. "Das gibt's doch alles schon im Internet", soll es immer geheißen haben. Aber selbst kritische, linke Webseiten wie Znet waren zum Beispiel nicht daran interessiert, dass das deutsche Fernsehen (Monitor) ein Video von Osama bin Laden anders übersetzte als die US-Regierung ("Falschübersetzung als Beweismittel" vom 20.12.2001). "Es ist doch klar, dass bin Laden dahintersteckt", schrieb mir Michael Albert kurz vor Weihnachten 2001 und lehnte weitere Infos ab. Schließlich macht man sich mit solchem Verschwörungskram nur lächerlich.
Nun ist aber ein Buch erschienen, das auf den ersten Blick nicht verschwörerisch daherkommt, aber dennoch das Establishment auf die Palme treiben könnte: "Middletown, America: One Town's Passage from Trauma to Hope" von Gail Sheehy. Frau Sheehy kennt man bisher als die nicht unfreundliche Biographin von Hillary Clinton, womit sich schon mal eine gewisse Nähe zu den Gegnern von Bush vermuten ließe. Ansonsten ist sie in den USA vor allem als Autorin des Bestsellers von 1977 "Passages" zum Thema "mid-life crisis" bekannt.
Ihr neuestes Buch ist der Gemeinde in Middletown, New Jersey gewidmet, die sehr viele Opfer vom 11.9. zu beklagen hat. Sheehy wollte bei ihnen bleiben, um sie auf ihrem Weg ans "Licht am Ende des Tunnels" zu begleiten. Das Buch erzählt von einem weinenden Polizisten, der nicht mehr für Ordnung sorgen konnte; von Nachbarn, die sich endlich kennerlernten; und von Menschen, die plötzlich alle zusammen das Licht am Ende des Tunnels sahen.
Vier von ihnen nennen sich "the four moms from New Jersey" oder einfach "the girls". Diese vier Mütter fühlen sich von Bush & Co. angelogen, weisen auf die Lücken und Widersprüche in der offiziellen Erklärung der US-Regierung zum 11.9. hin und machen dem FBI und CIA seit Monaten ordentlich Dampf.
The widows' stories had penetrated into my unconscious.
Sheehy über Middleton, das "emotional Ground Zero"
Was also als einfühlsame Chronik einer leidenden Gemeinde aus der Feder einer Psychoanalytikerin anfängt, entpuppt sich bald als die wahrscheinlich erste öffentliche Anklage der Bush-Regierung in Aktenzeichen 9-11, die die breiten Massen erreichen könnte. Das Buch ist erst vor einer Woche erschienen, rangierte aber am 11.9 bereits auf Platz 191 bei amazon.com. Und die Autorin beginnt erst dafür Werbung zu machen.
Nachdem Sheehy bereits im August in der New York Times die (sehr lesenswerte) Begegnung der four moms mit der Macht geschildert hat, packte die Autorin am 11.9. in der bundesweit ausgestrahlten Radiosendung "The Diane Rehm Show" (Streaming) aus. Sie habe nämlich zwei der "four moms" vor der Sendung gefragt, welche Botschaft von ihnen an die (laut Produzent Jonathan Smith rund 1,3 Millionen) Zuhörer am wichtigsten wäre. Die Antwort der moms: "Just talk about the timeline. We have to get answers about this." Die Timeline? Was ist das?
A lot of Americans don't know what kind of questions they [the four moms of New Jersey] are talking about. The first indication to the federal avia authority and secret service and NORAD of a hijacked plane was at 8.20, a half an hour before the first plane hit. The second notification was at 8.40. And yet, no planes were scrambled from Andrews Air Force Base. The plane that hit the Pentagon was able to fly loop-de-loops over protected airspace. Why? How? NORAD's answer was: 'We didn't have any fighter planes at Andrews.' Are you kidding me? Air Force One [das Flugzeug des US-Presidenten] is at Andrews. People are just not telling the truth. The two leading investigators for al-Qaeda at the CIA were promoted after 9/11. No one has been held responsible. These are such shocking revelations that these widows will not stop asking these questions until someone comes up with the answers.
Anscheinend (liebe Redaktionen von ARD, ZDF, 3Sat, Spiegel, usw.) sind solche Fragen nicht nur die Hirngespinste von "verrückten, kiffenden Tomaten-Psychoanalytikern" in Deutschland, die damit die Opfer vom 11.9. verhöhnen, sondern sie werden auch von den Angehörigen der Opfer selbst gestellt.
Und es sind auch bei weitem nicht nur bloß diese vier Damen, die in den USA nun unbequeme Fragen stellen. Am 9.9. hat ein US-Richter beschlossen, dass die Angehörigen der Opfer vom 11.9. die Fluggesellschaften direkt auf Schadenersatz verklagen können, wenn sie sich mit dem von der Bush-Regierung pauschal angebotenen "Schweigegeld" nicht abfinden wollen - Schweigegeld deshalb, weil mit der Annahme des Geldes ein Verzicht auf weitere Klagen (und daher auf weitere Untersuchungen) einhergeht. Die Los Angeles Times betonte, dass es in der Tat vielen der Angehörigen dabei gar nicht ums Geld geht, sondern um eben jene Untersuchungen:
For many victims, money is not the issue. Instead, he [der Anwalt der Familien] explained, they want to litigate to find out more information about what happened on Sept. 11 - and why.
Auch in Pennsylvania - wir erinnern uns: dort ist auch ein Flugzeug am 11/9 abgestürzt - stellte die Philadelphia Daily News am 11.9.2003 9+11 questions. Viele werden den Telepolis-Lesern bekannt vorkommen, unter anderem Nummer 4:
Are all 19 people identified by the government as participants in the Sept. 11 attacks really the hijackers? Probably not. Just 10 days after the attacks, a report by the British Broadcasting Corp. said that some of the supposed hijackers identified by the FBI appeared to be alive and well....
Nun könnten andere US-Medien die BBC anrufen und die Lage klären, fragen, warum die Zeitung aus Philadelphia nicht selbst mit der BBC telefoniert habe, den Autor diffamieren, und die anderen seiner 19 Fragen fallen lassen. Dann bliebe Frage Nummer 6 unbeantwortet:
Why does NORAD claim it did not learn that Flight 11 - the first jet to strike the World Trade Center about 8:45 a.m. - had been hijacked until 8:40 a.m., some 25 minutes after the transponder was shut off and an astounding 15 minutes after flight controllers heard a hijacker say, "We have some planes..."?
Why didn't the fighters that were finally scrambled at Otis Air Force Base in Massachusetts and Langley Air Force Base in Virginia fly at top, supersonic speeds? Why didn't fighters immediately take off from Andrews Air Force Base, just outside Washington, D.C.? Why was nothing done to intercept American Airlines Flight 77, which struck the Pentagon, when officials knew it had been had been hijacked some 47 minutes earlier?
And why has no one been disciplined for the worst breakdown in national defense since Pearl Harbor?
Vielleicht gibt es eine gute Erklärung auch für diese Fragen. Schade nur, dass manche Medien den Begriff "Verschwörungstheoretiker" nicht zumindest auch auf die offizielle Erklärung aus dem Weißen Haus anwenden.