NGO's und Verbraucherverbände rüsten für den Kampf um elektronische Märkte
Worum es bei der WTO-Millenniumsrunde ab 30. November in Seattle geht.
Mit einer elektronischen Uhr zählt die WTO-Website die noch verbleibende Zeit bis zum Beginn der sogenannten Milleniumsrunde von 30. November bis 3. Dezember 1999 in Seattle ab. Das wirkt wie eine schwebende, unausgesprochene Drohung. Und tatsächlich ist erhöhte Vorsicht angesagt.
Sozusagen als Schlussstrich der vielen Vorberatungen von Regierungsdelegationen und Nichtregierungsorganisationen zu dieser Konferenz steht am 29. November ein "NGO Symposium" von 700 bis 800 Nichtregierungsorganisationen (NGO's) auf dem Programm - Zutritt allerdings nur für akkreditierte Teilnehmer. Dabei wollen diese eine Strategie für die Milleniumsrunde ausarbeiten, um nicht als Verlierer im Kampf um die Rahmenbedingungen des E-Commerce auszusteigen. Bei der Konferenz selbst sind dann schon jetzt mögliche Nachtschichten eingeplant. Es wird hektisch werden, und es geht um viel.
Global unterschiedliche Interessensstränge
Das Programm konturieren jedenfalls drei unterschiedliche Interessenslagen: die der US-Amerikaner, die der EU-Europäer und die der sog. Dritten Welt. Die Konferenz selbst stellt nur den Auftakt zur Milleniumsrunde dar, der Aushandlungsprozess wird auf eine Dauer von insgesamt drei Jahren eingeschätzt, am Ende dieser vielen Beratungen sollen dann neue Regelungen für den Welthandel stehen. Was als Programm für diese drei Jahre vorgegeben wird, entscheidet sich in den vier Tagen in Seattle und genau genommen schon in der Vorbereitungswoche. Eine sozusagen planetarische Randbedingung dabei ist das drohende ökologische und soziale Desaster (vgl. World Resources Institute).
Das vor allem US-amerikanisch übertitelte Motto ist: Liberalisierung bringt mehr Wachstum und mehr Wohlstand für alle. Den Europäern geht es um mehr Qualität für alle, also um die bindende Verankerung von Sozialnormen (Produktion, Gewerkschaft, Verbot von Kinderarbeit) und um Umweltmindeststandards. Der Dritten Welt geht es um wirtschaftliches Überleben in einer globalen Marktwirtschaft, also darum, mit billiger Produktion punkten zu können.
Was bringen die NGO's zustande...?
Auch die NGO's haben ihre Vorstellungen, etwa die europäisch- US-amerikanischen Verbraucherverbände). Die Industrie bzw. Unternehmensseite (Klein- und Mittelbetriebe sind ja offensichtlich die Verlierer beim Freihandel und in der "Globalisierung" und sind aus dem Boot gekippt) hat sich bereits, wie auch nicht anders zu erwarten war, positioniert (vgl. Stefan Krempls Masterplan für die Zukunft der Informationsgesellschaft) und eindeutig für die Liberalisierung des E-Commerce ausgesprochen (vgl. Florian Rötzer, Druck auf die WTO).
Inhaltlich stehen als Themen internationale Streitbeilegungsmechanismen, die Einbeziehung von Dienstleistungen, die Regelung öffentlicher Auftragsvergabe, der Investitionsschutz (ja, das ist das alte MAI-Programm), E-Commerce (Umsatzsteuern auf elektronisch erbrachte und übermittelte Leistungen) und Urheberrechte an. Was auf die Tagesordnung kommt, entscheidet sich - wie immer in derartigen multilateral-multidimensionalen Prozessen - im Vorfeld.