NSU: Ex-V-Mann Szczepanski redet - redet nicht - redet - redet nicht
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Der Zeuge wird einen Tag lang vom Untersuchungsausschuss in Brandenburg vernommen - Entscheidende Fragen bleiben offen
Carsten Szczepanski, einst Neonazi und V-Mann des Verfassungsschutzes, hat am Montag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss von Brandenburg ausgesagt. In und um den Landtag in Potsdam herrschte große Polizeipräsenz. Sie dokumentierte, wie der Staat eine Person, die ihm einmal verpflichtet war, auch 18 Jahre danach noch schützt.
Das Szenario kann man aber auch als Botschaft an den Zeugen selber werten: Wird eine solchermaßen umsorgte und eingehegte Person tatsächlich alles auf den Tisch legen, was sie aus ihrer Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst weiß und damit ihren Schutz möglicherweise aufs Spiel setzen?
Über neun Stunden, inklusive Pausen, stand der heute 48-Jährige den Abgeordneten zur Verfügung. Zuhörer und Presse mussten in einem anderen Raum sitzen und konnten die Vernehmung lediglich per Tonübertragung verfolgen.
Tendenz
Das Resultat der Befragung war ambivalent: Der Ex-Informant gab einerseits einige Einblicke ins Innenleben des Inlandsgeheimdienstes und widersprach auch verschiedenen Aussagen seiner Führungsbeamten, bei entscheidenden Eckdaten des NSU-Skandals blieb er jedoch Antworten schuldig.
Durchgängig war eine Tendenz der Abschwächung und Banalisierung, vor allem seiner Taten und seines Wissens. Dennoch machte der Auftritt deutlich, dass der Verfassungsschutz in die ungeklärte Geschichte um die zehnfache Mordserie integriert ist - auch mit seinem V-Mann "Piatto".
Die Geheimdienstfigur
Der 1970 in Westberlin geborene Carsten Szczepanski war 1992 am Mordversuch an einem Nigerianer in Brandenburg beteiligt, wurde deshalb zu acht Jahren Haft verurteilt, bot sich 1994 in der U-Haft dem Landesamt für Verfassungsschutz als Informant an und ging dieser Tätigkeit unter dem Decknamen "Piatto" bis zum Sommer 2000 nach.
Seither befindet sich Szczepanski unter anderem Namen im Zeugenschutz. 1998 hatte er als Freigänger in Chemnitz Kontakt zum unmittelbaren Umfeld des untergetauchten späteren NSU-Trios Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe.
Eines der Rätsel der Geheimdienstfigur Szczepanski ist, wann die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden tatsächlich begann: 1994 oder schon früher?
Szczepanski selber hatte vor dem Oberlandesgericht in München, wo er im Prozess gegen Beate Zschäpe als Zeuge aussagte und dabei mittels Verkleidung vollkommen unkenntlich gemacht worden war, von 1991 als dem Beginn seiner Kooperation gesprochen. Das kann aber nicht der Verfassungsschutz (VS) von Brandenburg gewesen sein, weil dort erst 1993 menschliche Quellen geführt werden durften.
Hat er also für eine andere Sicherheitsbehörde gearbeitet? Auch ein früherer VS-Chef von Brandenburg sprach einmal im Plural von "Kontakten Szczepanskis zu Sicherheitsbehörden". Und auch jetzt, am 11. Juni 2018, erklärte der Betreffende wieder, seiner Erinnerung nach habe er ab 1991 für "das Amt" gearbeitet. Er sei damals in U-Haft und 21 Jahre alt gewesen, weshalb die Optionen Verurteilung nach Jugend- oder Erwachsenstrafrecht im Raum gestanden hätten.
In U-Haft war er tatsächlich erst 1994, aber im Februar 1992 war er nach einer Hausdurchsuchung einen Tag in Gewahrsam genommen worden, damals 21 Jahre alt. Anschließend wurde er drei Tage lang vom BKA zu seinen Ku Klux Klan-Umtrieben und einem Sprengstofffund in seiner Wohnung vernommen.
Laut Akten soll er sich dabei kooperativ gezeigt haben. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Hatte sich Szczepanski also gegenüber dem BKA bereiterklärt, mit staatlichen Stellen zu kooperieren?
Geklärt, also auch nicht ausgeschlossen, ist das auch nach der jetzigen Vernehmung nicht. Ob sich Szczepanski tatsächlich nicht mehr genau erinnert, ob er sich vielleicht nach so langer Zeit von Verrat, Enttarnung und Leben unter neuer Identität nicht mehr erinnern will, oder ob er gezielt ein Verwirrspiel betreibt, war nicht zu durchschauen.
Ein doppeldeutiges und widersprüchliches Aussageverhalten, das der Zeuge im Laufe der Vernehmung immer wieder an den Tag legte - vorzugsweise an den neuralgischen Knotenpunkten seiner Neonazi-V-Mann-Biografie. Ein Ku Klux Klan-Kamerad beispielsweise hatte in Berlin einen Obdachlosen tot geschlagen. Szczepanski erklärte, zwar gewusst zu haben, dass der Täter in Haft war, nicht aber, dass das Opfer gestorben sei.
Warum reiste die Quelle "Piatto" aus Brandenburg ab 1998 immer wieder ins sächsische Chemnitz? Bisher wird das als eine rein private Angelegenheit zwischen Szczepanski und dortigen Bekannten in der Szene abgetan. Doch hatte es vielleicht mit dem untergetauchten Trio zu tun?
Kontakte
Am 26. Januar 1998 flohen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe von Jena nach Chemnitz. Bereits am 30. Januar 1998 wurde im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Brandenburg festgelegt, dass "Piatto"/Szczepanski am 8. Februar 1998 nach Chemnitz fährt, um dort mit den Köpfen der örtlichen Skinhead-Szene zusammen zu treffen.
Vor dem Ausschuss sagte Szczepanski nun, es habe damals keine konkreten Aufträge oder Arbeitsanweisungen gegeben, er habe lediglich versucht, "Informationen abzugreifen".
Nach seinen Besuchen in Chemnitz hatte die Quelle "Piatto" ihrem Dienstherrn unter anderem berichtet, dass Quellen des sächsischen Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Szene ein falsches Spiel trieben und die Szene vor Verfolgungsmaßnahmen warnen würden.
Dass Leute aus der Szene Kontakte zu den Sicherheitsbehörden hatten - auch das bestätigte Szczepanski nun gegenüber dem Untersuchungsausschuss. Namen nannte er nicht, er könne sich nicht mehr erinnern.