Nach AKP-Niederlage: Istanbul muss neu wählen
Auf Druck Erdogans entschied die oberste Wahlbehörde der Türkei am Montag, dass der Urnengang in Istanbul wiederholt werden muss
Das Ergebnis der Beratungen der obersten Wahlbehörde YSK in Ankara war am Montag mit Spannung erwartet worden - es ging um die Frage, ob sich die Beamten dem Druck der regierenden AKP beugen oder nicht. Nach der knappen Niederlage gegen die größte Oppositionspartei CHP vor rund einem Monat hatte die Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Neuwahlen in der politisch wichtigsten Metropole des Landes beantragt.
Am frühen Abend verkündete die YSK das Ergebnis: Sie erklärte die Wahl in Istanbul für ungültig und setzte Neuwahlen an. Es ist nicht das erste Mal, dass die YSK sich dem Druck aus dem Präsidentenpalast beugt. Und es zeigt einmal mehr, dass Erdogan und seine Partei sich um Demokratie längst nicht mehr scheren.
Immer neue Anträge hatten sie in den letzten Wochen eingereicht, um das Wahlergebnis anzufechten. CHP-Kandidat Ekrem Imamoglu hatte mit einem Vorsprung von knapp 15.000 Stimmen in der 15-Millionen-Stadt gegen den AKP-Kandidaten Binali Yildirim, den früheren Ministerpräsidenten, gewonnen. Imamoglus Sieg war bejubelt worden, die Opposition sah sich bereits im Aufwind, nachdem die 25jährige AKP-Herschaft in der Stadt beendet wurde. 1994 wurde Erdogan zum Istanbuler Bürgermeister gewählt und begann seinen Marsch durch die Institutionen.
Schon unmittelbar nach dem Verfassungsreferendum vor zwei Jahren, das Erdogan uneingeschränkte Macht einbrachte, mahnten Experten, der Präsident werde sich nun von demokratischen Mechanismen nicht mehr beeindrucken lassen.
Istanbul ist wichtig für Erdogan und seine Familie sowie für die AKP, die eng mit der Bauwirtschaft und religiösen Stiftungen verflochten sind und bei einem Sieg der Opposition befürchten mussten, Macht, Geld und Einfluss zu verlieren.
In ihrer Beschwerde gegen das Wahlergebnis warf die AKP der Opposition Manipulation bei der Stimmabgabe vor. Das ist nicht ganz ohne Ironie, war es in der Vergangenheit doch die Regierungspartei selbst, die nachweislich Wahlen manipuliert hat. Außerdem fordert die Partei, Bürger, die im Zuge der im Ausnahmezustand nach dem Putschversuch von 2016 erlassenen Präsidialdekrete aus ihren Ämtern und Jobs entfernt wurden, nicht zur Wahl zuzulassen, wie das Nachrichtenmagazin Ahval berichtete. Es soll in Istanbul um 14.000 Personen gehen - die Wohl nicht in Verdacht stehen, ihr Kreuz bei der AKP zu machen.
Die CHP hatte im Laufe des Tages gewarnt, eine Annullierung der Wahl würde das Ende der Demokratie in der Türkei bedeuten. Tatsächlich dürfte die Entscheidung die Situation im Land weiter verschlechtern. Die angeschlagene Wirtschaft kann unter einer solch unberechenbaren Politik kaum neues Vertrauen gewinnen. Hinzu kommt, dass Ekrem Imamoglu über einen wachsenden Rückhalt in der Istanbuler Bevölkerung verfügt. Dass bei einer freien Neuwahl ein anderes Ergebnis herauskommt als beim ersten Versuch, ist unwahrscheinlich - eher könnte die CHP sogar noch Stimmen dazugewinnen.
Ein Termin für den neuen Wahlgang wurde noch nicht bekanntgegeben. Es ist aber wahrscheinlich, dass er für den Juni angesetzt wird.
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