Nach Berliner Urteil zu Luftreinhalteprogramm: Auswirkungen auf Autofahrer und Verbraucher
Folgen für Verbraucher: Diesel-Nachrüstungen, Tempolimits und Filterpflichten in Diskussion. Hersteller sollen Kosten tragen.
Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung dazu verurteilt, das Nationale Luftreinhalteprogramm zu überarbeiten, steht die Ampelkoalition in der Pflicht, bestehende Klimaschutzgesetze nachzubessern. Die erfolgreiche Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) könnte bei den nun folgenden Maßnahmen weitreichende Folgen für Autofahrer und Verbraucher haben.
Die DUH fordert als Sofortmaßnahmen unter anderem die Nachrüstung von acht Millionen Diesel-Fahrzeugen oder deren Stilllegung, ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h außerorts sowie eine Filterpflicht für Holzheizungen.
Lesen Sie auch
Dies würde viele Autofahrer und Hausbesitzer direkt betreffen. Allerdings hat der Verband dies im Auge gehabt: Bei einer erzwungenen Stilllegung bestimmter Diesel-Fahrzeuge sollen die Hersteller die Kosten übernehmen, meint die DUH.
Gericht bestätigt Mängel im Luftreinhalteprogramm
Laut dem Urteil hat die Bundesregierung im aktuellen Nationalen Luftreinhalteprogramm vom 15. Mai 2024 veraltete Daten verwendet. Zudem seien Änderungen bei geplanten Maßnahmen nicht berücksichtigt worden. Damit reichen die Maßnahmen nicht aus, um die europäischen Vorgaben zur Reduzierung von Luftschadstoffen wie Stickoxiden, Feinstaub, Ammoniak und Schwefeldioxid einzuhalten, so das Gericht. Im Wortlaut:
Das Gericht hat der Deutschen Umwelthilfe teilweise Recht gegeben. Der Senat geht davon aus, dass die dem Luftreinhalteprogramm zu Grunde liegende Prognose fehlerhaft ist, weil teilweise nicht die aktuellsten Daten eingestellt und Veränderungen in der Planung der Maßnahmen nicht berücksichtigt wurden. Unter anderem wurde der Klimaschutz-Projektionsbericht 2021 berücksichtigt, aber nicht mehr der im August 2023 erschienene Klimaschutz-Projektionsbericht 2023. Weiterhin beanstandet der Senat, dass bei der Maßnahme "65 Prozent erneuerbare Energien beim Einbau von neuen Heizungen" nicht die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in der im September 2023 beschlossenen Fassung berücksichtigt wurde. Diese erlaubt etwa den Betrieb von Holzpelletheizungen, die zu einer stärkeren Luftverschmutzung mit Feinstaub führen.
OVG Berlin-Brandenburg
Die DUH hatte bereits im Mai 2020 Klage eingereicht. Laut Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch ist es damit erstmals gelungen, "die Giftstoffe an der Quelle zu begrenzen und die Bundesregierung zu konkreten zusätzlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu verurteilen." Die Klage wurde von der Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt.
Zehntausende vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung
Als Gründe für die Klage nennt die DUH die seit Jahren unzureichende Luftreinhaltepolitik in Deutschland. Laut Angaben der Organisation sterben hierzulande jährlich knapp 28.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Stickstoffdioxid und 68.000 aufgrund von Feinstaub. Hinzu kommen schwere Erkrankungen wie Asthma und Schlaganfälle.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH vor Gericht vertrat, kritisierte das bisherige "Augen-zu-und-durch-Programm" der Regierung. Viele Annahmen seien aufgrund der langen Uneinigkeit in der Koalition veraltet gewesen.
Bundesregierung muss jetzt handeln
Die Bundesregierung ist nun verpflichtet, mit geeigneten Maßnahmen zeitnah nachzubessern, um die Vorgaben der europäischen NEC-Richtlinie zur Reduktion der Emissionen zu erfüllen.
Neben schärferen Vorgaben für Fahrzeuge und Heizungen fordert die DUH auch eine Reduktion der Tierzahlen in der Massentierhaltung, um landwirtschaftliche Emissionen zu senken.
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte im Jahr 2019 schon einmal ein richtungsweisendes Urteil gefällt: Um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) schnellstmöglich einzuhalten, seien, so hieß es damals, Diesel-Fahrverbote in der Bundeshauptstadt für Fahrzeuge bis zur Abgasnorm Euro 5 unvermeidlich und müssen bis zum 31. März 2019 in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden.
Diese Entscheidung wurde infolge einer Klage der DUH im Jahr 2018 und reihte sich ein in eine Serie von Urteilen anderer Städte, die ebenfalls Fahrverbote verhängt hatten. Die pauschalen Fahrverbote wurden 2021 und 2022 wieder aufgehoben.