Nach Ebola-Chaos Notfallplan in Madrid

In Spanien wurde die erste Ansteckung außerhalb Afrikas bei einer unzureichend ausgebildeten Krankenpflegerin registriert, es gibt bereits einen zweiten Verdachtsfall

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Offenbar ist in Spanien wohl alles schief gegangen, nachdem zwei mit dem Ebola-Virus infizierte spanische Geistliche aus Sierra Leone und Liberia zur Behandlung zurückgeholt wurden, die schließlich in der Hauptstadt Madrid verstarben. Schon vor fast zwei Wochen muss sich eine Krankenpflegerin in Madrid angesteckt haben, die mit einem der Infizierten in Kontakt war. Es ist die erste Ansteckung in Europa, dabei hatte die Regierung diese Gefahr stets praktisch ausgeschlossen. Und obwohl die Pflegerin schon vor einer Woche Symptome zeigte, wurde sie in den Urlaub geschickt. Sie drängte von dort Ärzte darauf, Tests zu machen. Nun trat ein Notfall-Plan in Kraft, nachdem sie mit vielen Menschen in Kontakt war. Bisher wird geheimgehalten, wo sie sich aufhielt.

Ebola-Virus-Partikel. Bild: Thomas W. Geisbert, Boston University School of Medicine/CC-BY-2.5

Von einer "vollständigen Kontrolllosigkeit" und einem "Chaos" im Umgang mit dem gefährlichen Ebola-Virus sprechen spanische Medien, nachdem die erste Ansteckung außerhalb Afrikas nun ausgerechnet in der spanischen Hauptstadt Madrid registriert wurde. Doch letztlich muss das nicht verwundern, wenn man feststellt, dass die Pfleger nur in einem "Express-Kurs" auf den Umgang mit den beiden Ebola-Infizierten aus Liberia und Sierra Leone in 15 Minuten vorbereitet worden sein sollen.

Es war der Missionar Miguel Pajares, der aus Liberia in einem Spezialflugzeug zurückgeholt wurde, das später auch den infizierten Manuel García Viejo aus Sierra Leone abholte. Zuletzt verstarb der 69-jährige Geistliche García am 25. September, der vier Tage zuvor zurückgeholt worden war. An ihm soll sich die Pflegerin angesteckt haben.

Das zeigt, dass nicht adäquat mit den Infizierten umgegangen wurde, dass die Sicherheitsregeln nicht eingehalten wurden oder dass das eingesetzte Material nicht angemessen war. Die Experten sprechen vorschnell davon, die Ansteckung könne "nur über menschliches Versagen" erklärt werden. Dass das Pflegepersonal ohne vernünftige Vorbereitung die Infizierten behandeln musste, hatte schon einer der Betroffenen im Fall von Pajares im August in einem Blog klar kritisiert.

In einem Brief wurde nicht nur über fehlende Infrastruktur wie "Isolierzimmer mit Druckdifferenz" berichtet, weshalb die Sicherheitsprotokolle "nach Gusto" an die vorhandene Situation angepasst worden seien. Die einzuhaltenden Protokolle seien zudem nicht an die ausgehändigt worden, die die Infizierten behandelten. Auch hier wurde die fehlende Ausbildung kritisiert und eine entsprechende Ausbildung gefordert. Bei diesem Brief blieb es nicht, denn das behandelnde Personal hat auch kritisiert, dass die Schutzanzüge nicht die notwendigen Sicherheitsnormen erfüllen.

Wäre das alles nicht schon tragisch genug, geht die Reihe der unverantwortlichen Vorgänge weiter und erreicht immer neue Höhepunkte. Die Pflegerin soll zweimal mit García zusammengetroffen sein, erklärte der Direktor für die medizinische Erstversorgung, Antonio Alemany. Und dabei hat sie sich vermutlich schon vor zwei Wochen angesteckt. Doch mit absolutem Erstaunen stellt man fest, dass sie nicht einmal sofort in Quarantäne genommen wurde, nachdem sie erstmals vor gut einer Woche über Symptome klagte. Obwohl sie sich bereits am 30. September schlecht fühlte, wurde sie noch in Urlaub entlassen. Sie soll aus dem Urlaub immer wieder die Verantwortlichen darauf gedrängt haben, die notwendigen Untersuchungen vorzunehmen.

Erst in der vergangenen Nacht wurde sie dann mit einem von der Polizei eskortierten Krankenwagen in die Klinik gebracht, in der sie sich vermutlich angesteckt hat. Zuvor war sie im Krankenhaus von Alcorcón, einem Vorort von Madrid, unter Quarantäne gestellt worden. Eingeliefert wurde nicht nur sie, sondern auch ihr Ehemann. Inzwischen könnte der Virus aber schon in Madrid oder in Spanien zirkulieren, weil sie mit vielen Menschen Kontakt hatte. Ein Notfallplan trat in Kraft, erklärte Alemany. Man erstelle nun eine Liste mit den Personen, mit der die Krankenschwester Kontakt gehabt habe. Ihr Mann und die Sanitäter, die mit ihr in Kontakt waren, stünden unter Beobachtung.

Doch damit nicht genug, haben die Gesundheitsbehörden einen zweiten Verdachtsfall in Madrid bestätigt. Es handelt sich ebenfalls um eine Pflegerin, die einen der infizierten Geistlichen betreut hat. Auf ihr Umfeld muss die Suche nach neuen Infizierten nun auch ausgeweitet werden. Natürlich ist, wie in Spanien bei derlei Skandalen üblich, die Geheimniskrämerei groß. Informiert wird nicht einmal darüber, wo die infizierte Pflegerin ihren Urlaub verbracht hat. Da sich die Gesundheitsministerin mit den Kollegen aus den spanischen Regionen in einer Krisensitzung ist, lässt vermuten, dass sie ihren Urlaub im spanischen Staat verbracht hat.

Auch in Brüssel wird Aufklärung gefordert

Man kann sich vorstellen, wie die Versuche der Gesundheitsministerin angesichts des totalen Versagens wirken, die versucht, die Bevölkerung zu beruhigen. "Alle notwendigen Maßnahmen werden ergriffen, um die Sicherheit der Bevölkerung und derer zu wahren, welche Betroffene behandeln", erklärte Ana Mato. "Wir verfügen über ausgezeichnet ausgebildete Profis", erklärte sie, dabei haben diese sich offensichtlich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

In Spanien fragen sich auch Medien, wie die Gesundheitsministerin die Menschen beruhigen will, wenn nicht einmal klar ist, wie es konkret zu der Ansteckung kam. Doch Mato verweist nur darauf, dass geprüft werde, "ob die Sicherheitsprotokolle strikt eingehalten wurden". Dass diese ebenso wie die Ausrüstung vielleicht ungenügend waren, zieht sie offenbar nicht einmal in Betracht.

Und so ist es verständlich, wenn man auch in der EU-Kommission so seine Zweifel an dem spanischen Umgang hat und "Aufklärung" fordert. Gewünscht werden "alle Details über diese erste Ansteckung mit Ebola in Europa", erklärte der Kommissionssprecher für Gesundheit Fréderic Vincent. "Es ist ein sehr wichtiger Vorgang, der uns Sorgen macht." Brüssel will nichts ausschließen und weist darauf hin, dass Krankenhäuser über eine entsprechende Ausrüstung verfügen müssen.

Für die ultrakonservative Ministerin, Mitglied der fundamentalistischen Vatikansekte Opus Dei, werden die Rückholungen zum Rohrkrepierer. Sie wollte damit zeigen, dass Spanien (besonders für Missionare) Verantwortung übernimmt und sie nicht im Stich lässt. Mato wollte auch zeigen, dass das Gesundheitssystem, das unter ihrer Ägide mit Kürzungs- und Sparprogrammen ausgeblutet wurde (Wenn Gesundheit zum Luxus wird), weiter fähig ist, auch mit solch schwierigen Fällen umzugehen.

Mato, die auch tief in den Korruptions- und Schwarzgeldfilz der rechten Volkspartei (PP) verstrickt ist, der bis in die Partei und Regierungsspitze reicht, sitzt angesichts des Debakels nun auf einem Schleudersitz. Der wurde schon beim ehemaligen ultrakonservativen Justizminister ausgelöst, der wegen der Abtreibungsreform zurücktreten musste. Die Regierung versuchte, diese Krise zu übertünchen. Sie bricht an dem verantwortungslosen Umgang nun voll auf, die wegen ihrer europaweiten Dimensionen nicht zu verbergen ist.