Nach der Flut ist vor der Flut

Seite 3: Emissionsfreier Verkehrssektor bis 2035

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Dass eine drastische Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehr möglich ist, zeigt ein Mobilitätsszenario, das das Wuppertal-Institut im Auftrag von Greenpeace erstellt hat. Darin geht es um nichts Geringeres als den Treibhausgasausstoß des Verkehrssektors bis zum Jahr 2035 auf Null zu senken, das sind 166 Millionen Tonnen weniger als heute.

Die Kernbotschaft des Szenarios lautet, dass das Ziel erreichbar ist, wenn auch nur unter großen Anstrengungen. Die Maßnahmen gehen weit darüber hinaus, fossil betriebene Fahrzeuge durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen. Vielmehr wäre eine andere Raum- und Verkehrsplanung vonnöten. Raumstrukturen sollten verdichtet und Wege damit verkürzt werden. In den Städten wäre ein Großteil der Quartiere autofrei und die Bewohner würden sich größtenteils mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Fuß oder per Fahrrad und bei Bedarf per Car-Sharing fortbewegen. Auf diese Weise könnte die Zahl der PKW von heute 458 pro 1000 Bundesbürger auf 200 pro 1000 reduziert werden. Das autofreie Leben in Städten sollte mit steuerlichen Anreizen gefördert werden.

Aktuell geht der Trend jedoch dahin, dass immer mehr Menschen zur Arbeit pendeln und dafür auch immer längere Wege in Kauf nehmen, wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung bekanntgab. Das Beispiel der Pendlerstadt München zeigt den Zusammenhang zwischen hohen Mieten und langen Arbeitswegen. Bei der Mietpreisentwicklung in vielen größeren Städten ist daher zu befürchten, dass auch in anderen Städten immer mehr Berufstätige an den Stadtrand oder ins Umland ziehen.

Die Autoren des Wuppertal-Instituts schlagen eine Umgestaltung der Grundsteuer vor, so dass das Wohnen an der Peripherie und die Neuversiegelung von Flächen deutlich teurer würden. Die Pendlerpauschale sollte abgeschafft werden. Was fehlt, sind Überlegungen, wie das Wohnen in den Innenstädten wieder bezahlbarer würde.

Gütertransporte sollen dem Szenario zufolge weitgehend auf die Schiene verlagert werden, Gütertransporte auf Straßen über Oberleitungen elektrisch angetrieben werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre eine Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplans notwendig. 64 Milliarden Euro könnten so in den Ausbau des Schienennetzes fließen. Durch die Reduktion des Individualverkehrs sowie des motorisierten Güterverkehrs soll der Energiebedarf des Verkehrssektors bis 2035 um 70 Prozent sinken.

"Nicht zuletzt spart der deutlich höhere Wirkungsgrad von Elektroantrieben Energie. Dadurch sinkt etwa der Energiebedarf des Personenverkehrs deutlich: Sind im Jahre 2013 noch 1.423 Petajoule aus Benzin und Diesel nötig, so fallen 2035 nur noch 271 Petajoule erneuerbaren Stroms an." Der muss allerdings erst einmal gewonnen werden. Das Wuppertal-Institut errechnet einen Bedarf von 108,6 Terawattstunden im Personenverkehr und von 126,4 im Güterverkehr. Zum Vergleich: 2016 wurden 188 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen.

Ergebnisse der 2. Ausschreibung für Windkraft

Der Ausbau der Erneuerbaren für die Elektromobilität müsste also rasant voranschreiten. Werfen wir einen Blick auf die Realität: Mitte August wurden die Zuschläge für die zweite Ausschreibungsrunde für Windenergie an Land erteilt. Zuschlägen für 1.013 Megawatt standen Angebote für insgesamt 3.000 MW gegenüber. Der durchschnittliche Zuschlagswert liegt bei 4,28 Cent/kWh. Befürchtungen, dass die Bürgerenergie nicht zum Zug kommt, bewahrheiten sich derzeit nicht, 90 Prozent der Zuschläge gingen an Bürgerenergiegesellschaften.

Die Agentur für Erneuerbare Energien äußert in diesem Zusammenhang aber die Befürchtung, dass die Projekte nur langsam umgesetzt werden. Viele der Projekte verfügten noch über keine Immissionsschutzgenehmigung, außerdem gilt bei der Bürgerenergie eine längere Frist für die Realisierung. Der Bundesverband Windenergie kritisiert die ungleiche Verteilung über die Bundesländer. 63 Prozent des Ausschreibungsvolumens ging an Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Gerade der bei der Windenergie ohnehin unterrepräsentierte Süden Deutschlands erhielt nur wenige Zuschläge.

Eine positive Nachricht kommt aus Kalifornien. Der US-Bundesstaat hat offenbar vor, seinen Strom bis 2045 zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Es ist der zweite Bundesstaat nach Hawaii, der sich zu diesem Schritt entschließt.

Sieht man sich die Statistik von 2015 an, ist der Stromsektor allerdings nur für 19 Prozent der Emissionen verantwortlich, an erster Stelle steht der Verkehr mit 39 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte die kalifonische Regierung bereits beschlossen, den CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken.