Nach seinem Team wurde Nawalny im Hotel in Tomsk vergiftet
Präsentiert wird ein Video über den Fund der Flasche im Hotelzimmer, die den "Ärzten in Deutschland" übergeben worden sei, das Bundeswehrlabor habe auf ihr Nowitschok gefunden. Viele Frage bleiben
Es war keine offizielle Nachricht, sondern Spiegel und Zeit berichteten mit Verweis auf nicht genannte Quellen, dass das Bundeswehrlabor an einer Wasserflasche Nowitschok-Spuren gefunden habe. Laut der Zeit wurde an den Händen von Nawalny und am Hals der Wasserflasche Nowitschok gefunden. Unklar blieb dabei, wie diese Wasserflasche nach Deutschland gekommen war und ob erst die Spuren auf der Flasche es ermöglichten, Nowitschok-Metabolite im Blut, im Urin oder an der Haut von Nawalny zu identifizieren. Das war den russischen Ärzten in Omsk und den Ärzten in der Charité offenbar nicht gelungen.
Gemäß dem Spiegel, der die russische Regierung bzw. russische Geheimdienste hinter der Vergiftung Nawalnys vermutet, sei es ein Fehler der Geheimdienste gewesen, dass die Flasche überhaupt nach Deutschland kommen konnte, weil sie den Giftanschlag bestätige oder eben erst einmal beweise. Vermutet worden war zuvor, dass Nawalny mit dem Tee, den er am Flughafen trank, vergiftet worden sein könnte.
Aber die Bundesregierung und die Ermittler hüllen sich in Schweigen darüber, ob Nawalny die Flasche mit im Flugzeug hatte oder ob sie sich an einem anderen Ort befand, wer sie gefunden und vor allem wie nach Deutschland gebracht hat, ohne sich und andere zu gefährden. Vermutet wurde, dass die Flasche von Navalnys Frau Julia und/oder Maria Pevchikh, die beide in den Rettungsflugzeug mit Nawalny nach Berlin flogen, übergeben worden sein könnten (Der Nebel um den Anschlag auf Nawalny verdichtet sich).
Jetzt hat Nawalny bzw. sein Team selbst die Aufmerksamkeit auf die Flasche gelenkt, die die deutschen Ermittler womöglich gerne im Hintergrund gehalten hätten. Auf der Flasche haben sich Nowitschok-Spuren vermutlich besser gehalten, als im Körper von Nawalny (Wie hat das Bundeswehrlabor die Nowitschok-Vergiftung nachgewiesen?). Die Frage ist, ob Nawalny den Hinweis auf die Flasche über ein Video auf seinem Instagram-Account in Absprache mit den deutschen Behörden gemacht hat. Vermutlich ja, angeblich sei die Flasche in dem Hotelzimmer in Tomsk gefunden worden, in dem sich Nawalny aufgehalten hat. Hätte er sich dort vergiftet, müsste das Nowitschok sehr langsam gewirkt haben (was wieder eine Parallele zu dem Skripal-Fall wäre, wo die Opfer erst einige Stunden nach ihrer mutmaßlichen Kontaminierung zusammengebrochen waren).
Die Durchsuchung des Zimmers im Xander-Hotel soll eine Stunde nach dem Kollaps im Flugzeug geschehen sein. Dabei gewesen sein soll ein Anwalt. Nicht namentlich genannte Mitarbeiter, die nicht mit Nawalny mitgeflogen und in Tomsk geblieben waren, haben die Durchsuchung vorgenommen und zwei Plastikflaschen auf dem Nachtkästchen aufgenommen, die allerdings dort wie drapiert stehen. Eingepackt wurden sie mit Handschuhen nach dem Video nur in einen Plastikbeutel. Alles, was sie in dem Zimmer gefunden haben, hätten sie beschrieben, aufgenommen und verpackt, heißt es in dem Text zu dem Video.
Da man davon ausgegangen sei, dass der Fall in Russland nicht untersucht würde, habe man alles "den Ärzten in Deutschland" übergeben. Wie, wird nicht gesagt, möglicherweise mit dem Rettungsflugzeug. Es gab ja Zeit, da sich Nawalny etwas über einen Tag im Krankenhaus in Omsk befand. Den Ärzten dort hatte man vorgeworfen, den Transport von Nawalny verzögert zu haben, damit die Vergiftungsspuren nicht mehr nachweisbar seien. Dort hieß es aber, dass nach der Genehmigung das Flugzeug noch einige Stunden nicht abgeflogen sei, weil die Crew noch die "gesetzlichen Ruhezeiten" hätten einhalten müssen.
Offen bleibt auch, warum das Bundeswehrlabor zwei Wochen gebraucht haben soll, um Nowitschok-Spuren auf der Wasserflasche zu finden (nur auf einer oder auf den drei Flaschen im Hotelzimmer?) Nawalnys Team verwirrt noch weiter, wenn es schreibt, dass danach "drei weitere Labore, die Proben von Nawalny entnommen haben", eine Vergiftung durch Nowitschk bestätigt hätten. Bislang war nur von zweien, einem schwedischen und einem französischen Labor, die Rede. Das Technische Sekretariat der OPCW hat ebenfalls Proben entnommen, wie jetzt offiziell bestätigt wurde, ohne den Zeitpunkt zu nennen. Ein Ergebnis der Untersuchung ist nicht bekannt.
Das Team von Nawalny will mit dem Video über den Fund der angeblich mit Nowitschok kontaminierten Wasserflasche, den Zeitpunkt festlegen: "Es (die Vergiftung) wurde getan, bevor er sein Zimmer verließ, um zum Flughafen zu fahren."
Am 20. August hatte allerdings seine Sprecherin Kira Jarmisch behauptet: "Wir gehen davon aus, dass Alexej mit etwas vergiftet wurde, das in seinen Tee gemischt wurde. Es war das Einzige, was er heute Morgen getrunken hatte. Die Ärzte sagen, dass das Gift schneller durch die heiße Flüssigkeit gesaugt wurde."
Update: Jarmisch hat einen Tweet von Sobol Lubov, ebenfalls aus dem Team von Nawalny, retweetet, der offenbar dazu dienen soll, Nachfragen abzuwehren, der aber die Sache noch verwirrender macht: "Es ist wichtig zu verstehen: "Es gab Spuren von Nowitschok auf der Flasche im Hotel, aber das bedeutet nicht, dass Navalny durch eine Flasche Wasser vergiftet wurde."
Für Fragen gäbe es weiterhin viel Anlass, wenn die Geschichte stimmen sollte. Dazu müssten sich die deutschen Behörden und die Bundesregierung nun sehr schnell äußern. Fragen ließe sich, ob Nawalny wirklich aus der bereits kontaminierten Flasche getrunken oder diese berührt hatte, ob es Fingerabdrücke von ihm auf der Flasche gibt, ob die Flaschen womöglich nachträglich ins Zimmer gebracht worden sein könnten, wann und wer das Nowitschok auf die Flasche oder in das Wasser gebracht hat, wie und wann sie nach Deutschland gelangt und wem sie übergeben worden sind etc.