Nachrichten vom Eingang zur Hölle
Mark Twain war mehr als nur ein Humorschriftsteller. Seine Entdeckung steht indessen, in Europa ebenso wie in Amerika, noch aus
TIME, der amerikanische Spiegel, bringt in seiner Ausgabe für den heutigen 14. Juli eine Titelgeschichte über einen gefährlichen alten Mann. "The Dangerous Mind of Mark Twain” reiht sich bruchlos in eine Serie über bedeutende Amerikaner ein, die bislang fünf Präsidenten und zwei Landvermesser abgehandelt hat. TIME-Chef vom Dienst, Richard Stengel, erklärt seinen Lesern in einem Vorwort, das er kollegial mit "Rick” unterzeichnet, wo man einen Original-Füllfederhalter, Model Mark Twain, erwerben kann. Was an dem Autor so gefährlich sei, lässt er offen.
Tatsächlich erfahren wir, dass Michael J. Deas, der Maler des Titelbild-Portraits (eine alte, aber untergegangene Tradition bei TIME) für seine Arbeit 12 Wochen benötigte. Auf 14 Seiten Bild und Text bleibt dagegen von dem Autor Mark Twain letztlich nicht sehr viel mehr im Gedächtnis, als das, was jeder Amerikaner ohnehin weiß: Twain schrieb "Huckleberry Finn”. Ein Stück Schul-Lektüre für die achte Klasse, in dem ein "Nigger” namens Jim die zweite Geige spielt. Es ist ein Roman, den man auf Deutsch meist mit der Kennzeichnung "Knaben/Mädchen, ab 10” in der simplifizierten Kinderbuchfassung neben seinem Vorgänger, "Tom Sawyers Abenteuer”, findet. Wer das Buch als Kind nicht las, liest es als Erwachsener erst recht nicht.
Ob es überhaupt eine literarisch angemessene Übersetzung davon, auf Deutsch, für ein erwachsenes Publikum, gibt, würde mich überraschen – dann allerdings angenehm. Aber in Kürze: Hemingway drückte dem Roman nachhaltig seinen Stempel auf, indem er erklärte: "All modern American literature comes from one book by Mark Twain called Huckleberry Finn.” Hemingway, in dessen Oeuvre, soweit ich mich jetzt erinnere, nicht einmal am Fuße des Kilimandscharo irgendwelche Nigger was zu melden haben, meinte natürlich nicht, wie "Rick” uns in TIME weismachen möchte, dass Twain in Huckleberry Finn "die literarische DNA geschaffen” hätte, "die dazu beigetragen hat, das Verhältnis der Rassen in Amerika zueinander im Lauf der vergangenen 100 Jahre zu prägen.”
Hemingway selber dachte wohl eher daran, dass mit Huckleberry Finn die fast phonographische Wiedergabe der amerikanischen Umgangssprache in die Literatur Eingang gefunden hätte. Ein Phänomen, dass sich bei Old Hem selber weniger feststellen lässt, aber beispielsweise im "Fänger im Roggen” von J. D. Salinger, dem vollkommensten Nachfolger der "vernacularen” Schreibweise seit "Huck Finn”.
Aber darum geht es im amerikanischen Diskurs über dieses Buch überhaupt nicht. Jim ist nämlich ein Sklave, und der jugendliche weiße Ausreißer, Huck Finn, verhilft ihm zur Freiheit, statt ihn, wie einen weggelaufenen, gutmütigen, großen Hund oder Esel, wieder zu seinen rechtmäßigen Eigentümern zurück zu schleppen. Natürlich ist das eine Kindergeschichte. Es ist ein Märchen. Das in der Realität SO nie gespielt worden wäre. Der große schwarze Freund hätte den kleinen Huck, sobald er irgendwelche Fisimatenten auch nur angedacht hätte, in den Mississippi gekippt. Ende der Durchsage.
TIME bemüht sich natürlich, als konservatives Blatt, in diesen Zeiten, wo es einen amerikanischen Präsidialkandidaten namens Obama gibt, um einen Beitrag zum Rassenfrieden. So wird denn ein schwarzer Literaturprofessor bemüht, namens Stephen L. Carter, der Twains Roman als ein Stück "sophisticated”, also "gehobene”, Literatur gegen die Sklaverei und gegen Rassismus kategorisiert. Daneben & dazu gibt es ein Foto des schon weißhaarigen Autors samt einem ebenfalls weißhaarigen Schwarzen, namens John Lewis, der einst das Vorbild für den "Nigger” des Romans abgegeben haben mag. Titel: "Getting Past Black and White”.
Ziemlich viel Aufmerksamkeit, möchte man meinen, für einen Roman aus dem Jahr 1885. Aber er wird auch heute noch regelmäßig aus amerikanischen Bibliotheken verbannt, eben weil darin das Wort "Nigger” 213 Mal aufscheint. Was heute in jedem Hip-Hop-Text problemlos durchginge, kann Amerika einem "dead white male” nicht gestatten, auch wenn der schon seit 1910 in der Erde ruht. Das Thema ist also virulent, und TIME bemüht sich, Twain als einen Anti-Rassisten und Aufklärer darzustellen, einen Mann, der ernsthafte Ziele verfolgte, auch wenn er seine Botschaften äußerlich mit dem Zuckerguss des Humors ummantelte. Eine Art Urgroßvater von Kurt Vonnegut, nicht etwa eines Bill Hicks.
Um Twain aber nun doch noch erfolgreich in eine Reihe mit John F. Kennedy und Teddy Roosevelt, Abe Lincoln und Ben Franklin stellen zu können, bringt TIME uns Twain den Weltreisenden nahe mit einer Weltkarte, die zeigt, dass er tatsächlich überall gewesen ist. Wie Jules Vernes Romanheld Phileas Fogg aus "In 80 Tagen um die Welt” umschiffte auch Twain den gesamten Globus, die Hin- und Herreise über den Atlantik schaffte er dabei 44 Mal – was selbst heute, in Zeiten des Flugverkehrs, schon fast ein Stewardessen-Rekord wäre.
Und da der Autor Twain in Zeiten von Sound bites, des knackigen Kürzest-Zitats, gegen, beispielsweise, einen Bill Bryson, den locker vom Hocker witzelnden Reisemeister unserer Tage, den Kürzeren zieht, findet man in TIME, farbkodiert, zu den Reiserouten die entsprechenden Literaturhinweise zum Selberlesen. Deutschland in "A Tramp Abroad”, Amerika in "Roughing It”. Und so weiter.
Mark Twain in Wien
Was mir, als langjährigem Wien-Bewohner, dabei auffällt, ist, dass Wien so ganz aus der Präsentation heraus fällt. Aber: Amerikanische Touristen in Wien bemerken es innerhalb weniger Stunden oder Tage. Überall steht der kleine goldene Mann in den Schaufenstern. Eine Statue von Mark Twain. Woher, fragt sich der Tourist von Jenseits des Atlantiks, rührt diese Liebe der Wiener zum großen "Seriously Funny Man” der amerikanischen Literatur? Warum stehen in den teuren Geschäften auf der Kärntnerstraße so viele Mark Twain-Büsten zum Verkauf? Kommen denn so viele Amerikaner nach Wien? Lieben vielleicht auch die Italiener und Japaner diesen amerikanischen Autor so sehr – ausgerechnet in dieser Stadt?
Nein. Die Büste stellt gar nicht Mark Twain dar, sondern Johann Strauss! Trotzdem besitzt der amerikanische Literaturklassiker eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Walzerkönig. Und er hat auch in Wien gelebt, und es ist eine Büste von ihm angefertigt worden, die durchaus zu Verwechslungen mit dem Großen Wiener Anlass geben könnte.
Und diese beiden Männer, die wenigstens oberflächlich wie virtuelle Zwillinge wirkten, aber die Welt in einem Abstand von ziemlich genau 10 Jahren betreten hatten (und letztlich auch in einem ähnlichen Abstand wieder verlassen sollten), sind einander in Wien mehrfach begegnet, einmal sogar noch wenige Tage vor Twains Abreise, die wiederum dem Tod des Komponisten um nur wenige Tage vorausging.
Es scheint aber bei all diesen Gelegenheiten niemand eine Kamera dabeigehabt zu haben. Schade. Mark Twain ist in Wien auch sonst mit nahezu allen bekannten Persönlichkeiten seiner Zeit zusammengetroffen, zum Schluss sogar mit dem Alten von Schönbrunn. Kaiser Franz Joseph.
Sein größter Wiener Fan allerdings, nach dessen eigenem Bekunden, war Twains Hausarzt, der eben im Jahr zuvor eine neue Behandlungsmethode erfunden hatte, die er "Psychoanalyse” nannte. Auch dieses Foto, vom Doktor Sigmund Freud und seinem, ein wenig an Gicht leidenden, amerikanischen Patienten, ist offenbar von niemandem geknipst worden.
Doppelt schade.
Denn er hätte gewiss eine interessante psychoanalytische Fallstudie abgegeben, dieser Samuel Langhorne Clemens, dessen übermächtige Faszination mit gespaltenen Persönlichkeiten sich als "Zwillingsthema” durch sein gesamtes Werk fortsetzt, bis hin in seinen Schriftstellernamen, "Mark Twain”. Gemeinhin wird darauf verwiesen, dass dieses Pseudonym, das sich der Autor 1863 zulegte, aus der Mississippi-Raddampfer-Schiffahrt herleitet. "Mark Twain” bezeichnet die eben noch schiffbare Wassertiefe von 3.7 Meter. Mark Twain bedeutet aber auch, im Hinblick auf eine gespaltene Persönlichkeit: "Beachtet beide”. Freuds Bemühungen, indessen, konzentrierten sich in diesem Fall in erster Linie um die Epilepsie von Twains Tochter, Jean. Erfolglos, wie sich herausstellen sollte. Sie ertrank 1909 bei einem Anfall, der sie in der Badewanne ereilte.
Jean war es auch gewesen, die die Familie Clemens ursprünglich nach Wien geführt hatte. Nicht ihrer Krankheit wegen, sondern weil sie bei Theodor Leschetizky, einem der bedeutendsten Musikpädagogen jener Zeit, Klavierunterricht nehmen wollte. (Später wechselte sie zu Gesangsstunden.) Mark Twain befand sich seit 1891 notgedrungen mit seiner gesamten Familie auf Dauer-Weltreise. Gigantische Fehlinvestitionen und der amerikanische Börsenkrach von 1893 hatten ihn praktisch an den Rand des Bankrotts gebracht und zu einer unablässigen Vortrags- und Schreibtätigkeit gezwungen. Kaum, dass sich Twain wieder hochgearbeitet hatte, war seine Tochter Susy 1896 in Amerika, fern der Familie, gestorben.
So kam es, dass nun die gesamte Familie Clemens ihre, zwischenzeitlich in der Schweiz errichteten Zelte abbrach und nach Wien reiste, um ihre schützende Hand über diese, (wie man sieht: durchaus) gefährdete, Tochter zu halten. Ankunft am (Kaiserin Elisabeth-) Westbahnhof, an einem sommerlich warmen Montag, dem 27. September 1897. Die Stadt war zum Bersten voll, auch die beiden Fiaker, voll bepackt. Insgesamt 15 Hotels klapperte man ab. Das Hotel Metropol am Franz-Josefs-Kai erwies sich schließlich als das akzeptabelste, nicht zuletzt deshalb, weil der Hoteldirektor die Publicity zu schätzen wusste, einen solch berühmten Gast in seinem Etablissement zu beherbergen. Er bot Twain um 40 Prozent verbilligt sieben große Räume an, ein Wohnzimmer mit Balkon, ein Musikzimmer für die Tochter, ein Arbeitszimmer für den Autor selbst, und vier Schlafzimmer, insgesamt für 460 Dollar im Monat, inklusive Bedienung und Mahlzeiten, nur das Baden kostete extra.
"Das Badezimmer auf unserem Stock”, notierte Twain später, "befand sich in einer Entfernung von 45 Metern, und da ich oft müde war und man keine Fahrräder auf dem Gang benutzen durfte, habe ich in dem ganzen Jahr kein einziges Bad genommen. Ich war noch nie zuvor in meinem Leben so gesund und so schön warm.”
Das Hotel Metropol wurde Jahre später übrigens zum Hauptquartier der Wiener Gestapo, und am 12. März 1945 durch Bombeneinschlag zerstört. Eine Plakette am Wiener Morzinplatz erinnert noch heute daran, dass sich hier einst der "Eingang zur Hölle” befunden hätte. Interessant also, was Twains psychisches Gespür betraf, dass er, innerhalb weniger Tage nach seiner Ankunft, einen Text zu schreiben begann, der "Gespräche mit dem Satan” betitelt war: "Es wurde allgemein geflüstert, dass sich Satan inkognito in Wien aufhielte...”
Später trifft dann der Erzähler mit dem gepflegten Herrn zusammen, (den er im ersten Augenblick versehentlich für einen Erzbischof hält), welcher ihm über Wien folgendes mitteilt:
Dies ist mir die liebste von allen Städten. Ich war ihr Schutzheiliger schon ganz von Anfang an, noch bevor diese [christliche] Umorganisierung in allen Dingen eingeführt wurde, so dass ich hier immer noch großen Einfluss habe und ein hohes Ansehen genieße.
Wien war damals eine Stadt von 1,7 Millionen, 42 Tageszeitungen hagelten, oft in einer separaten Morgen- und Abendausgabe, sieben Tage der Woche auf die Bevölkerung nieder. Das Wetter blieb sommerlich warm und der berühmte Gast aus Amerika, wurde, obwohl er mit etwas Gicht darniederlag, ausgiebigst interviewt, so von der "Neuen Freien Presse”, dem "Wiener Tagblatt”, dem "Neuen Wiener Tagblatt”, dem "Neuen Wiener Journal”, dem "Fremdenblatt”, dem "Illustrirten [sic] Wiener Extrablatt”, dem "Neuigkeits-Weltblatt”, den "Wiener Bildern”, dem "Salonblatt”. In der "Neuen Freien Presse” und dem "Wiener Tagblatt” erschienen sogar Fotos des Interviewten. Und weil viele dieser Zeitungen offenbar jüdischen Verlegern gehörten, wurde Twain prompt in jenen Zeitungen, die keine Interviews mit ihm ergattern konnten, als "Liebling der Judenpresse” diffamiert.
Im Gegenzug folgte bald darauf eine Einladung des Wiener Presseklubs "Concordia” zu einer "Festkneipe” (einem Abend, der, wie das Wort schon sagt, erst festlich beginnen, und dann zu einem Besäufnis ausarten konnte.) Das einzige Mal, das eine solche Ehre zuvor einem Ausländer zuteil geworden war, lag schon einige Jahre zurück: 1891. Der Eingeladene war Henrik Ibsen.
Karl Kraus stellte dem "überseeischen Humoristen” nach
Der Mark Twain-Abend am 31. Oktober 1897 scheint das gesellschaftliche Ereignis der Saison gewesen zu sein. Jeder, der nur Rang und Namen hatte, war offenbar anwesend. Es reicht, wenn man jene Namen nennt, die man heute noch kennt: Gustav Mahler, Felix Salten, Theodor Herzl, Hermann Bahr. Auch Karl Kraus scheint dabei gewesen zu sein, oder doch seine Spione dort gehabt zu haben. Kraus, im inversen Alter zu Twain, 26 zu dessen 62, staute seinen Groll gegen den Amerikaner auf, bis er zwei Jahre später "Die Fackel” entzündete. Dann zog er gegen den "Humorgreis” [zu Felde], dem er vorwarf, "in fortwährender Verhöhnung der Wiener Sitten und Gebräuche sein noch ungelenkes Deutsch zu üben.” Und Kraus erinnerte sich daran, wie Twain "eines Tages [zwei Jahre zuvor] in der "Concordia” erschien.”
Objective Beurtheiler, die von einem stillen Galerieplätzchen des Festsaales sogleich die Sachlage überblicken konnten, begriffen damals, dass Wiener Journalisten nach der aufreibenden Arbeit des Tages es geradezu als eine Genugthuung empfinden müssen, wenn ein Fremder der oft widerspenstigen deutschen Sprache "es einmal ordentlich gibt”. Eines Sinnes mit Mark Twain trank alles, was bei uns für schlechte Besoldung den Dativ mit dem Accusativ verwechselt, dem lieben Gaste zu und ließ sich zur Bekräftigung des collegialen Einvernehmens bei Magnesiumbeleuchtung mit ihm auf einem Bilde verewigen. Das Greisenhaupt Mark Twains zwischen den vergnüglich schmunzelnden Gesichtern unserer Fruchtbörsereporter und "Localerer”, da und dort verstreut und decorativ verwertet die Bruchstücke der zu Boden geschmetterten deutschen Sprache -- es war ein Gruppenbild, dessen Eindruck ich sobald nicht vergessen werde.
Karl Kraus
Kraus war ein wenig unfair. Twain hatte zeitlebens ein Interesse an der deutschen Sprache gehabt, ein Schmied hatte ihm, als er noch ein Junge war, etliche Grundzüge beigebracht. Twain schrieb "Meisterschaft”, ein Stück, das wie Eunescos "Kahle Sängerin” aus Konversationsphrasen aus einem Lehrbuch zusammengestellt war. Er übersetzte den "Struwwelpeter” ins Englische. Er hielt zuhause in Hartford deutsche Konversationsklassen ab. Seine Frau sprach sehr gut Deutsch, die Gouvernanten der Kinder sprachen Deutsch und seine Kinder waren praktisch fließend zweisprachig aufgewachsen. Dagegen empfand Mark Twain einen ausgeprägten Hass auf alles Französische, und kaprizierte sich auf seine Vorurteile gegen Frankreich, auch wenn er selber seine "Joan of Arc” sei sein Meisterwerk hielt. (Seine Frau hielt "Prinz und Bettelknabe” für sein bestes Buch.)
Karl Kraus ließ es sich jedenfalls nicht nehmen, dem "überseeischen Humoristen” in der "Fackel” auch weiterhin nachzustellen. Er kannte von ihm wohl nur die humorigen Frühwerke, die auch heute noch jeder kennt. Twains zynisch-bittere "Letters from the Earth” und jene Spätwerke, auf die sich sein Ruf heute erst stützt, vor allem "The Mysterious Stranger”, waren zum Teil gerade eben jetzt, in Wien erst, im Entstehen. Tatsächlich sind Twains wichtigste Werke Jahrzehnte nach seinem Tod erschienen, 1923, 1939, 1965 und zuletzt erst wieder im Jahr 2000 – und es ist bis heute noch nicht klar, ob sein Nachlass tatsächlich nicht immer noch verfälscht oder in wichtigen Punkten unterschlagen wird. Amerika ist offenbar auch heute noch nicht "reif” für diesen Autor.
Wichtig für die Twain-Forschung ist jedenfalls die Bemerkung von Karl Kraus, dass damals ein Foto gemacht wurde: Wo ist es abgeblieben? Ebenso: In Budapest wurde am 24. März 1899 eine Tonaufnahme von ihm gemacht, auf einer Walze, die verloren gegangen ist. Wer weiß, ob sich diese Objekte nicht doch noch irgendwo im Schutt der Geschichte wieder finden lassen?
Twain hat jedenfalls in Wien mehr geschrieben als je in einer anderen Phase seines Lebens, oft im Bett, oft wurde er sogar im Bett interviewt, er war überall dabei – selbst beim Begräbnis der Kaiserin Sissi hatte er einen Logenplatz -- und zuletzt erlernte er auch eine gewisse Wiener Hinterfotzigkeit: Als Mark Twain am 27. Mai 1899 von einer riesigen Menschenmenge am Franz Josefs Bahnhof verabschiedet wurde, sagte er wörtlich, auf Deutsch: "Man kann nicht ein paar Jahre in Wien leben, ohne durch und durch dem Zauber der Stadt und der Leute zu verfallen. Man gewöhnt sich bald ein in Wien, ist hier zufrieden und geht nie mehr ganz weg.” Ein paar Wochen später, in London, gestand er einem englischen Interviewer gegenüber: "Vienna is the most politically corrupt nest on the face of the earth.”