Nagelprobe für neue europäische Informationsfreiheitsregeln

Rat verweigert Statewatch Einblick in die Agenda der europäischen-amerikanischen Zusammenarbeit ab

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Seit Dezember sind die neuen EU-Regeln für die Freigabe amtlicher Dokumente in Kraft. Sind sie so restriktiv, wie Bürgerrechtler befürchten, oder sind sie nur eine Fortschreibung des liberalen Status Quo? Wohl eher ersteres, glaubt man den Erfahrungen von Statewatch-Chef Tony Bunyan:

Bunyan beantragte bereits im Sommer die Einsicht in Themen-Agenden der gemeinsamen EU-US-Politik. Nach zweimaligem Verschieben lehnte der Rat dann Mitte Dezember die Freigabe ab. Die Begründung ist interessant: Die USA hätten sich gegen eine Freigabe ausgesprochen. Da sie nach den neuen Bestimmungen eine Vetorecht haben, müsse man diesem folgen - wolle man das "gute Funktionieren der Kooperation" nicht "signifikant stören".

Die europäisch-amerikanische Zusammenarbeit ...

Was ist Inhalt der Agenden? Tony Bunyan vermutet, dass der Inhalt nicht besonders aufregend sein kann und sicherlich keine klassifizierten Inhalte enthält. Mit Unterstützung des Ombudsmann hatte er schon Kopien früherer Agenden freigeklagt. Sie sind eine reine Auflistung von zu behandelnden Themen, die jedoch die Schwerpunkte der gemeinsamen Interessen erkennen lassen:

So beschäftigte sich die "EU-US Senior Level Group" bei einem Treffen in Washington D.C. Am 20. September mit einem Zollabkommen, mit den Wahlen in Bosnien, mit Kuba, Iran und Lybien sowie internationalen Strafverfolgungsbehörden. Am 26. Februar beschäftigten sich die Beamten mit "globalen Fragen" wie der Koooperation bei der Drogenbekämpfung unter anderem in der Karibik, dem Klimawandel und dem Kyoto-Protokoll sowie der diplomatischen Zusammenarbeit in der Ukraine, Türkei, China, Südosteuropa und dem "Kaspischen Energiekorridor".

... künftig ein Geheimnis?

Dass die Freigabe der früheren Agenden zu einer schweren Belastung der Beziehungen geführt hat, kann nicht festgestellt werden. Offenbar wäre dies laut Rat nun der Fall. Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: Entweder sind die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA derzeit so angespannt, dass jede Irritation vermieden werden muss, oder der Rat war einfach um eine gute Ausrede nicht verlegen, um dem lästigen Statewatch-Aktivisten Bunyan die Tür vor seinem Gesicht zuzuschlagen.

Wohl ist eher letzteres der Fall, da der Bescheid gegen jede Regeln erst Monate nach dem Antrag und dann wenige Tage nach Inkraftreten der neuen Regeln erging - und dies auch nur auf erneute Nachfrage Bunyans. Doch dies wäre dann keinesfalls der Willen des Amsterdamer Vertrages - wonach Bürgern "der größtmögliche Zugang zu Dokumenten" gewährt werden muss.

Die Nagelprobe

Bunyan hat nun beim Ombudsmann Klage eingereicht, ein nächster Schritt wäre der Gang vor den Europäischen Gerichtshof. Falls jedoch der Rat mit seiner Rechtsauffassung Erfolg hat, werden große Bereiche der internationalen Politik der Öffentlichkeit künftig verborgen bleiben. Jede "Dritte Partei", jeder Co-Autor eines EU-Papiers könnte nämlich dann Einspruch einlegen und somit EU-Bürgern Einblicke verwehren. Dies würde jedoch, warnt Bunyan, "demokratische Standards unterminieren".