Naidoo und Gerüchte über das System
Seite 2: Naidoo und "die Forke"
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Den dampfenden Haufen, den Naidoo mit "Marionetten" abliefert, verteidigt Klöckner mit dem Hinweis, dass es ja tatsächlich in der Welt Pädophilennetzwerke gegeben hat, die mutmaßlich politisch gedeckt wurden. Er erwähnt in diesem Zusammenhang die Skandale um Marc Dutroux, Jimmy Saville, den Sachsensumpf und anderes.
Dummerweise spricht Naidoo von all dem in "Marionetten" überhaupt nicht. Stattdessen rührt er einfach irgendwas zusammen, was ihm in den Kram passt. Er lokalisiert die Feinde ein einziges Mal konkret im Bundestag, bringt sie mit der rechtsradikalen Verschwörungstheorie vom "Pizzagate" in Verbindung, die 2016 Hillary Clinton pädophile Umtriebe in einer Washingtoner Pizzeria unterstellte, und droht dann damit, dass das "Volk" bald gegen diese und andere Schweinereien der Marionetten mit der "Forke" vorgehen werde.
Das wäre an und für sich lachhafter Unsinn, wenn es nicht im Anschluss an die Pizzagate-Phantastereien tatsächlich jemand gegeben hätte, der zur Forke griff: Am 4.9.2016 tauchte der 28-jährige Edgar M. Welch mit einem Sturmgewehr in der "Pizzagate"-Pizzeria auf, um dort nach den missbrauchten Kindern zu suchen. Als er feststellte, dass sie nicht existierten, ließ er sich widerstandslos festnehmen, aber im Verlauf seiner privaten Durchsuchungsaktion hatte er drei Schüsse aus seinem Gewehr abgegeben.
Ein singender Gerüchtemacher
Es ist zum Verzweifeln, aber wir leben in einer Welt, in der blödsinniges Gelaber auf Reddit und die verschwurbelten Songs eines Xavier Naidoo zu potenziell tödlicher Gewalt führen können. Was den Pädophilie-Experten aus Mannheim angeht, muss man konstatieren, dass er mittlerweile völlig professionell mit dem Fallout seiner Vagheiten, Andeutungen und assoziativen Hetzpredigten umgeht.
Während Marcus Klöckner seinen Lesern zu erklären versuchte, was mit Naidoos Geraune konkret gemeint sein könnte, entschuldigte der Meister selbst seine giftigen Allgemeinheiten mit der künstlerischen Freiheit zur Überspitzung; missverstanden fühle er sich außerdem, wieder einmal. Erst zündeln und nachher behaupten, dass man die ganzen Benzinkanister nicht gesehen habe - das scheint mittlerweile die einzige Kunst zu sein, in der Xavier Naidoo Perfektion erlangt hat.
Man kann noch so viel Verständnis und guten Willen aufbringen: Xavier Naidoo ist kein "Systemkritiker". Er ist ein singender Gerüchtemacher; er bastelt seit langer Zeit an einem Wahnsystem, das zur Begeisterung seiner Fans alle klar dokumentierbaren Abgründe missachtet, die das tatsächlich existierende System zu bieten hat. Ihn darin zu ermuntern, ist ein Fehler.