Nato-Länder kämpfen mit Personalmangel bei geplanter Truppenaufstockung
Die Nato will ihre Truppen in Europa aufstocken, um Russland abzuschrecken. Doch viele Länder verfehlen schon jetzt ihre Rekrutierungsziele. Wie soll das gehen?
Die Nato-Staaten in Europa haben ein großes Ziel: Bis zu 50 neue Heeresbrigaden sollen aufgestellt werden, um eine vermeintliche Bedrohung durch Russland abwehren zu können. Eine Brigade besteht aus bis zu 5.000 Soldaten, was einem zusätzlichen Personalbedarf von 250.000 Soldaten entspricht.
Rekrutierungsprobleme in Nato-Ländern
Ein Problem, das kaum zu bewältigen sein dürfte. Denn schon heute verfehlen viele Nato-Staaten ihre Rekrutierungsziele. Tschechien zum Beispiel hat sein Ziel für 2021 nur zu 56 Prozent erreicht, berichtet Reuters. Ein Jahr später konnten zwar mehr Menschen für den Wehrdienst gewonnen werden, das Ziel wurde aber dennoch nur zu 85 Prozent erreicht.
Auch der Bundeswehr gelingt es schon heute nicht, genügend Menschen für den Dienst an der Waffe zu begeistern. Bereits vor dem Krieg in der Ukraine wurde eine Personalstärke von 203.000 Soldaten angestrebt – aktiv im Dienst sind aber nur rund 181.000 Soldaten. Langfristig soll die Truppenstärke sogar auf 460.000 Soldaten steigen, wobei hier die Reserve eingerechnet ist.
Polen setzt auf "Urlaub bei der Armee" – Erfolg bleibt aus
Auch Polen hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Die Armee soll auf 300.000 Soldaten aufgestockt werden. Doch auch das dürfte nicht einfach werden und Experten bezweifeln laut Reuters, dass dieses Ziel realistisch ist.
Das polnische Verteidigungsministerium hat eine Kampagne mit dem Titel "Urlaub bei der Armee" gestartet. Angesprochen werden Bürger zwischen 18 und 35 Jahren, denen in 28 Tagen eine militärische Grundausbildung angeboten wird.
Dadurch konnte zwar die Zahl der Rekruten erhöht werden, dennoch schieden im vergangenen Jahr 9.000 Berufssoldaten aus. Die Angebote und finanziellen Anreize, die den Soldaten gemacht werden, scheinen sie nicht halten zu können, was derzeit auch den polnischen Generalstab beschäftigt.
Rumäniens Armee in der Krise: Personalmangel gefährdet Einsatzbereitschaft
Noch schlimmer ist die Situation dem Bericht zufolge in Rumänien. Dort hat die Regierung ebenfalls eine Rekrutierungskampagne gestartet, nachdem das Ausmaß des Personalmangels bekannt wurde. Rund 43 Prozent der Offiziersstellen sind demnach nicht besetzt, bei den anderen Dienstgraden liegt die Personalstärke knapp 23 Prozent unter dem Soll.
Das hat zur Folge, dass nur zwei der vier im Land stationierten Patriot-Flugabwehrbatterien einsatzbereit sind. Auch die angeschafften F-16-Kampfflugzeuge können nicht alle starten, weil nicht genügend ausgebildete Piloten zur Verfügung stehen.
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Die Rekrutierungskampagnen werden das Ziel, die Nato-Truppen deutlich aufzustocken, wohl nicht erreichen. Denn sie gehen am Kernproblem vorbei: Die Arbeitslosenquote ist niedrig und in der Privatwirtschaft lässt sich deutlich mehr Geld verdienen.
"Wir stehen vor Herausforderungen. Sie hängen damit zusammen, dass der Arbeitsmarkt hier sehr umkämpft ist", sagte Generalmajor Karol Dymanowski, erster stellvertretender Generalstabschef der polnischen Streitkräfte, gegenüber Reuters.
Demografischer Wandel verschärft Personalmangel in Streitkräften
In den kommenden Jahren dürfte sich das Problem noch verschärfen. Die Bevölkerung schrumpft und wird im Durchschnitt immer älter. Kaum ein Land in Ost- und Südosteuropa kann seine Bevölkerungszahl halten.
Im Durchschnitt müsste eine Frau 2,1 Kinder zur Welt bringen, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. In allen Ländern Ost- und Südosteuropas liegt die Fertilitätsrate jedoch deutlich darunter. In Polen lag sie 2019 nur bei 1,44, in Tschechien bei 1,71 und in Estland bei 1,66.
Hinzu kommt, dass viele Menschen in diesen Ländern auf der Suche nach wirtschaftlichem Erfolg auswandern. Beliebte Zielländer sind Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Benelux-Staaten sowie die skandinavischen Länder.
Bevölkerungsprognosen gehen daher davon aus, dass die Einwohnerzahlen bis 2050 deutlich sinken werden. Bulgarien, Litauen und Lettland werden demnach rund ein Viertel ihrer Bevölkerung verlieren. Die Einwohnerzahl Polens wird um knapp neun Prozent zurückgehen. Lediglich die Tschechische Republik (+0,1 Prozent) und der Kosovo (+0,5 Prozent) verzeichnen einen leichten Bevölkerungszuwachs.