Nato will "kleine Stabszellen" im Osten
Das Bündnis will für den Einsatz der schnellen Eingreiftruppe "an der östlichen Flanke" in den baltischen Staaten, in Polen, Rumänien, Bulgarien und in Ungarn ständig präsente Militäreinheiten aufbauen
In der kommenden Woche wollen sich die Nato-Verteidigungsminister treffen, um dem Readiness Action Plan (RAP) konkrete Konturen zu geben. Der RAP wurde 2014 beim Nato-Gipfel in Wales vorgestellt (vgl. Nie wurde während eines Nato-Gipfels so viel über Kriegsvorbereitung geredet).
Das Herzstück, eine "reaktionsschnelle Speerspitze" an der "Ostflanke der Nato", wurde vom damaligen Generalsekretär Rasmussen schon vorab verlautbart, mit dem dazugehörigen Leitmotiv: Mehr Präsenz der Nato im Osten.
Das behält auch Nachfolger Jens Stoltenberg bei. In seinem Jahresbericht, der vergangene Woche erschien, beklagt er ein "schwarzes Jahr 20914" für die Nato, diagnostiziert eine vollkommen veränderte Sicherheitslage im Süden, durch die Konflikte in Syrien und im Irak, und im Osten durch die "agressive Aktionen Russlands". Den Readiness Action Plan erwähnt Stoltenberg bereits im Vorwort, wo er die Sicherheitsbedürfnise der Ukraine, Moldawiens und Georgiens erwähnt.
Im Hauptteil kommt Stoltenberg nach den Herausforderungen, welche die agressiven Handlungen im Osten, unterstützt durch Russland, dem Verteidigungsbündnis stellen würden, rasch auf den Punkt zu sprechen, an dem sich auch Rasmussen immer rieb: Dass es keine ständige militärische Präsenz der Nato "im östlichen Teil der Allianz" gebe. Begleitet wurde die Veröffentlichung des Jahresberichts Ende vergangener Woche mit den typischen Klängen. So publizierte der Spiegel am Freitag einen Bericht zu einer Tass-Meldung, wonach Russland seine Truppen in "strategischen Gebieten" verstärken wolle.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu soll dies als Antwort auf die "militärisch-politische Situation, die Russland umgebe", der Nachrichtenagentur gegenüber geäußert haben.
Am heutigen Sonntag publizierte dann die Frankfurter Zeitung in der Printausgabe einen längeren Artikel über die Antwort der Nato auf die Sicherheitssituation im Osten Europas mit der zugkräftig-martialischen Überschrift "Die Deutschen an die Front". Darin geht es einmal um die Ambitionen der Verteidigungsministerin von der Leyen, das Engagement Deutschlands in der Nato stetig zu vergrößern, "nachdem es jahrelang von der Solidarität der anderen Verbündeten profitiert habe".
Zum anderen wird in dem Artikel, der in Auszügen - und mit einer anderen Überschrift - auch online zu lesen ist, das Konzept der superschnellen neuen Nato-Eingreiftruppe vorgestellt, das Thema des Treffens der Nato-Verteidigungsminister sein soll.
Demnach hält sich die Planung einer dauerhaften Präsenz von Natotruppen in osteuropäischen Ländern - zunächst (?) - in relativ unauffälligen Dimensionen:
Für den Einsatz der schnellen Eingreiftruppe an der östlichen Flanke wird die Nato in den baltischen Staaten, in Polen, Rumänien, Bulgarien und in Ungarn kleine Stäbe aufbauen. Diese "Nato Force Intergration Units" sollen aus etwa vierzig Soldaten bestehen, zur Hälfte aus dem Gastland. Die Bundeswehr will sich mit etwa 25 Soldaten daran beteiligen. FAS, 01.02.2015, S. 7
Laut SZ soll ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigt, dass es "Überlegungen" zu den Stabszellen gebe. Entgültige Entscheidungen würden aber erst beim Nato-Treffen am Donnerstag fallen.
Einspruch gab es zu einer anderen Darstellung im FAS-Bericht. Dort ist von einem Steuerungskonzept der schnellen Eingreiftruppe die Rede, bei dem der Nato-Oberbefehlshaber die Truppe alarmiert und sich die Truppenteile an einem gemeinsamen Ort sammeln, um von dort ins Einsatzgebiet gebracht zu werden:
Das erleichtert die Abstimmung und schafft Zeit für politische Beratungen, sowohl im Nordatlantikrat wie auch in den Hauptstädten. In Deutschland müsste der Bundestag zusammentreten. Falls Gefahr im Verzug ist, könnte die Bundesregierung auch im Alleingang Truppen entsenden. Der Bundestag hätte dann ein Rückholrecht.
Laut SZ heißt es in deutschen Regierungskreisen dazu, dass Deutschland ein solches Konzept "nicht mittragen würde": Die Entscheidung, die schnelle Eingreiftruppe der Allianz zu verlegen, müsse vielmehr auf politischer Ebene fallen - nicht vom Nato-Oberbefehlshaber.