Nazi-Millionen in Schweizer Tresoren: Die dunkle Seite der Credit Suisse
Die Credit Suisse versteckte jahrzehntelang NS-Vermögen. Tausende neue Dokumente belegen die Verstrickung der Bank. Eine Analyse.
In einer kapitalistischen Welt ist Freiheit gleichbedeutend mit Geld. Aber auch mit Straffreiheit? Allzu oft wurden im Adenauer-Staat und darüber hinaus altgediente oder junggebliebene Technokraten mit braunem Parteibuch gebraucht.
Der vierte Kommentator der Nürnberger Rassegesetze von 1935 und spätere Staatssekretär in Bonn, Hans Maria Globke, immerhin 14 Jahre lang einer der mächtigsten Männer der jungen Bundesrepublik, ist der bekannteste Fall.
Dass er es trotz einer haarsträubenden Vergangenheit zu Amt und Würden bringen konnte, gilt in der jüngeren Geschichtsforschung als unumstritten. Bauernopfer und Persilscheine säumen den Weg. Weit weniger beleuchtet sind die finanziellen Hintermänner und Profiteure der 12-jährigen Schreckensherrschaft.
Dabei muss klar sein: Wo Kriege geführt, Menschen versklavt und Knochen in Zwangsarbeit zermahlen werden, gab und gibt es Profiteure. Diese aber fehlten in den späteren Prozessen, ein Mantel des Schweigens legte sich wie ein Fluch über Bankgeheimnisse, Verstrickungen, Geldquellen und Profitraten.
Auch in der wohlhabenden Gesellschaft wollte man wenig wissen, die Cleveren unter den Oberen schafften ihre Pfründe schon vor dem NS-Kotau ins "sichere" Ausland. Ein beliebtes Zielland war die Heimat Wilhelm Tells, des guten Käses und der "Rattenlinien": die neutrale Schweiz.
Hitler lebt (auf Schweizer Konten)
In einigen Schweizer Gemeinden hielt sich hartnäckig das Gerücht, Adolf Hitler sei kurz vor dem Fall Berlins in die Schweiz geflüchtet. Hitler sei auf dem Flugplatz Dübendorf gelandet, in St. Gallen gesehen worden oder noch 1946 im Bahnhof Aargau aus dem Zug gestiegen.
Die Hysterie endet erst im Mai 1963: Die Kantonspolizei Zürich schließt die Akte "Hitler, Adolf" und erklärt den Selbstmörder endlich für erledigt. Doch die Verbindungen zur Schweiz reichen viel tiefer. Wie die NZZ berichtet, begibt sich Hitler bereits 1923 auf eine Spendentour bei den Eliten der Eidgenossen.
Spricht vor einer Seidenfabrikantenfamilie und malt das Gespenst des "Bolschewismus" 1923 in Winterthur und Basel an die Wand. Der Beginn einer unheilvollen Seilschaft. Schon damals flossen 33.000 Schweizer Franken (heutiger Wert: 500.000 Franken).
Wieder geht es um Geldflüsse, Konten und Depotverstecke. Wie aus einer Meldung des Wallstreet Journal hervorgeht, reichen die Verbindungen der zweitgrößten Schweizer Bank, der Credit Suisse, viel tiefer in die braunen Seilschaften zurück als bisher angenommen.
Die Credit Suisse wollte ihre Vergangenheit endgültig begraben. Nach der Zahlung von 1,25 Milliarden US-Dollar an Holocaust-Überlebende als Reaktion auf die Sanktionsdrohungen der US-Behörden hätte die Saga zu Ende sein können.
Doch heute steht fest: Entgegen allen Beteuerungen hat die Credit Suisse nicht alle notwendigen und vorhandenen Dokumente herausgegeben. Wie das ZDF aus Ermittlerkreisen erfahren haben will, handelt es sich um 3.600 Dokumente und 40.000 Mikrofilme, Hunderte von Aktenmetern. Sie belegen, dass der braune Spuk auf den Konten weiterging. Wollte die Credit Suisse ihre Vergangenheit vertuschen?
Bankier der NSDAP?
Im Zusammenhang mit dem Schweizer Bankwesen sind zwei Namen und Ereignisse entscheidend. Stuart Eizenstat und Neil Barofsky.
Eizenstat war zur Zeit der Clinton-Administration Staatssekretär im US-Handelsministerium. Sein Name steht für einen 200-seitigen Abschlussbericht, der sich mit der Frage des verbliebenen Nazi-Goldes und der Raubgüter befasste.
Die Schweiz wird darin als "Bankier der NSDAP" bezeichnet. Heftige Reaktionen der Regierung in Bern folgten. Der Bericht kommt 1997 zum Schluss, dass die Schweiz (wie auch andere Staaten) unter dem Primat der Neutralität die Moral über Bord geworfen, sich einer alliierten Forderung nach Einstellung der Finanztransaktionen mit Nazi-Deutschland noch während des Krieges widersetzt und auch danach eine stark verminderte Kooperationsbereitschaft gezeigt habe.
Noch Anfang 1945 kündigten die Behörden ein mit den USA geschlossenes Abkommen über das Einfrieren deutscher Guthaben. Der Bericht legt eine "business as usual"-Mentalität der Schweizer Großbanken nahe.
Diese müssen gewusst haben, dass insbesondere gegen Kriegsende die Tresore der legalen Einkünfte leer waren, im Original trat Eizenstat mit den Worten an die Presse: "Es war allgemein bekannt, dass die Reichsbank kaum noch eigenes Geld besaß".
Raubgold, Erträge aus Mord und Totschlag, gar Erträge aus Konzentrations- und Vernichtungslagern wurden ohne moralische Bedenken munter gebunkert. Mit unironischer Chuzpe stritten die Schweizer Banken in der Folge juristisch um jeden Pfennig, um angeblich falsch festgelegte Wechselkurse und um das Bankgeheimnis.
Erst nach dem Bericht setzte Bern eine Untersuchungskommission ein. Der Jüdische Weltkongress sprach vom größten Raubzug in der Geschichte der Menschheit, da bis heute nicht alle Vermögen an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wurden.
Neil Barofsky, "der Mann, der dem Geld folgt"
Im konkreten Fall der CS gehen die Verdachtsmomente auf die Ermittlungen des Staranwalts Neil Barofky zurück. Barofsky ist ehemaliger Staatsanwalt, war unter Bush und Obama Sondergeneralinspekteur für Vermögenswerte und arbeitet heute als Spezialist für wirtschaftsstrafrechtliche Ermittlungen bei der nationalen Anwaltskanzlei Jenner & Block.
Aktuell muss aber auch erwähnt werden, dass Barofsky zwar den großen Haien der Wall Street die Stirn bot, 2024 aber zumindest Unklarheiten zutage traten: Als vom US-Bezirksgericht Michigan bestellter Beobachter der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) fiel er wiederholt mit juristischen Scharaden gegen Gewerkschaftsaktivisten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt auf.
Barofsky, der 2021 von der Credit Suisse eigens als Ombudsmann angestellt wurde, ging in den Augen seiner Geldgeber zu akribisch vor: Er musste im Dezember 2022 seinen Hut nehmen.
Sein Vergehen: Er hatte sich geweigert, seine Nachforschungen auf Wunsch der Bankleitung einzuschränken. Offiziell sprach die Bank von Interessenkonflikten. In einem öffentlichen Brief an den US-Senat beschrieb Barofsky zehntausende neue Dokumente.
Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH (DWB)
Ein neu entdecktes Beispiel könnte laut einem Bericht der SZ die Credit Suisse sein, die offenbar das Konto eines hochrangigen SS-Mannes.
Auf diesem soll das Vermögen der Deutschen Wirtschaftsbetriebe GmbH (DWB) versteckt worden sein. Der Name klingt unverdächtig nach Abfallwirtschaft oder Immobilien, doch dahinter verbirgt sich Ungeheuerliches. Die DWB war die Urform einer SS-Holding und gliederte sich in mehr als 25 SS-Einzelunternehmen (z.B. Deutsche Erd- und Steinwerke oder Apollinaris Mineralwasser).
Opfer UBS?
Nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verspricht diese laut Handelsblatt jede notwendige Unterstützung, um "Licht in dieses dunkle Kapitel der Geschichte zu bringen". Glaubwürdig erscheint das nicht, immerhin zwei Jahre nach der Übernahme und erzwungen durch Druck von außen.
Bereits 2022 titelte das Branchenmagazin Handelszeitung, dass die Credit Suisse 33 Milliarden aus Nazi-Raubzügen gebunkert haben soll.
Der Verdacht ließ sich nach damaliger Aktenlage anhand einer schwammigen argentinischen Namensliste nicht erhärten. Aber: Handelszeitung, Eizenstat, Barofsky, Gründe für die UBS, Vorsicht walten zu lassen oder gar eine Übernahme abzusagen, waren genügend gegeben.
Lesen Sie auch
Bankencrash, drohende Wirtschaftskrise und Arbeitskämpfe
Hinter der Presseofferte der UBS dürften hingegen ernsthafte Profitsorgen stecken. Das Schweizer Branchenmagazin Fin Tech versucht Licht ins Dunkel zu bringen.
Die UBS hat sich mit der Übernahme der Credit Suisse in eine Falle von Unwägbarkeiten begeben. Neben Rechtsunsicherheiten, teuren Vergleichen, schlechter Presse und Vertrauensverlust bei den Anlegern kommt der Silvesterskandal zur Unzeit.
Mit den AT1-Bonds musste die Credit Suisse nach der Übernahme 17 Milliarden abschreiben, die von den Ratingagenturen inzwischen auf Stufe D (Default) gesetzt wurden.
Als offenes Schlachtfeld bleibt bei der zur Skandalbank mutierten CS noch Georgien. In Singapur und auf den Bermudas hat der reichste Mann Georgiens, Bidsina Iwanischwili, 2023 die CS wegen Falschberatung verklagt. Der georgische Politstar und Ex-Präsident gewann.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Credit Suisse nicht Opfer, sondern Täter ist.