Nazis bei der Stasi und rechtsterroristische Doppelagenten
Seite 2: Die rechtsterroristischen Doppelagenten
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Die Akten offenbaren, dass Odfried Hepp auch Ostagent war. Und wie zahlreiche andere seiner Mitstreiter war er für die Stasi weder nur ein abzuschöpfender Informant oder kleiner Spitzel, der seine Leute aushorchte, noch brachte man ihn - wie es die Legende will - auf den guten Weg. Vielmehr reihte auch er sich nachweislich aktiv in die operative Destabilisierungsfront ein.
Dass Hepp spätestens 1982 Agent der Stasi war, soll selbst heute nicht bekannt werden. Die geschwärzten Akten und zurückbehaltenen Seiten in der BStU machen deutlich, dass neben der linksterroristischen auch die gesamte Rechtsterroristen-Stasi-Connection nicht aufgeklärt werden soll. Darüber hinaus sind an den Hepp-Stasi-Akten nach 1989 unschwer zu enttarnende Manipulationen vorgenommen wurden, die die enge Verbindung dieses Rechtsterroristen mit der Stasi vernebeln. Der Gedanke drängt sich auf, dass hier und an ähnlichen anderen Aktenmanipulationen diejenigen Stasi-Offiziere am Werk waren, die bis heute im Archiv der Behörde tätig sind.
Hepp hatte nachweislich Kontakt mit dem Attentäter des Oktoberfestattentats, leugnete dies jedoch immer. Dass Aufklärung zu Hepp verhindert wird, mag auch mit seiner Doppelagentenschaft und die der anderen seiner vielen Kameraden liegen. Schließlich wird Agententätigkeit für den Feind mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet. Hepp berichtete seinem Führungsoffizier Böttcher, dass die nationalsozialistischen Gruppen von V-Leuten unterwandert seien, sprach gar von versteckten Belegen über die Komplizenschaft des BND mit extremen Rechten.
Ein weiterer Ost-West-Doppelagent war Peter Weinmann. Er arbeitete sogar auch noch für Italien, immer in den zündelnden Sachen Südtirols. Seine offensichtlich 1980 beginnende Stasi-Tätigkeit wurde in den Stasi-Akten nach 1990 mit Manipulationen am Text dergestalt verwischt, dass seine Qualifikation als Sprengstoffexperte unkenntlich wurde und seine Agententätigkeit für die Stasi nicht mehr eindeutig war. In seinem Prozess gegen ihn 1994 lehnte das Gericht die Hinzuziehung derartiger Stasi-Akten ab.
Die Stasi gewann auch Udo Albrecht, Mitglied des Freikorps Adolf Hitler und einer der aktivsten Rechtsterroristen in der BRD der 70er Jahre. Schon Anfang der 70er Jahre war er eng mit den führenden palästinensischen Terroristen verbunden und an den Vorbereitungen des Schwarzen September zum Olympia-Attentat in München 1972 verwickelt.
Wenn eine Verbindung zur Stasi für diese Zeit nicht belegbar ist, so ist jedoch inzwischen hinreichend erwiesen, dass Wadi Haddad, verantwortlich für internationale Kontakte bei den Palästinensern, Agent des KGB war. Es ist anzunehmen, dass Albrecht seinem Aufgabengebiet bei den Palästinensern "Spezialwaffenbeschaffung und die Anwerbung von Europäern" mit Billigung Haddads nachging. Westdeutsche Medien nannten Udo Albrecht 1976 "General der PLO".
Seine Agententätigkeit ist in den Stasi-Finanzakten seit 1981 belegt. Im Juli 1981 hielt er sich als Häftling für eine Ortsbegehung mit bundesdeutschen Ermittlern gleich neben der DDR-Grenze für die Suche nach einem Erddepot auf. In einem günstigen Moment öffnete sich eine Ost-Stahlgittertür und Albrecht sprang just im Moment einer vorbei ratternden Eisenbahn kurzerhand rüber in die DDR-Freiheit. Kurze Zeit später prangerte der gestandene Antikommunist Gerhard Löwenthal in einer Rundfunksendung die engen Verbindungen von KGB und Stasi mit Neonazis an.
Wie Odfried Hepp wurde auch Albrecht nach seinem Aufenthalt in der DDR 1981 an die Front in den Nahen Osten geschickt. Im August 1981 kleidete man ihn dafür im Centrum-Warenhaus am Ostbahnhof für 813,60 Mark neu ein. In den Finanzakten erscheint er bis zum 6. November 1989.
Fazit
Vieles weist daraufhin, dass zweckgebundener, halbherziger Entnazifizierung in der BRD eine halbherzige Entstasifizierung im vereinigten Deutschland folgte. Darauf weist die selektive Herausgabe von Stasi-Akten, die eine umfassende Aufklärung verhindert. Das beunruhigt und wirft Fragen auf: Geht es bei den nicht herausgegebenen Akten und Seiten um geheime Stasi-Praktiken, die auch im Westen angewandt wurden? Geht es gar um Praktiken, die immer noch angewandt werden? Man fragt sich, was an dem Anspruch, die DDR-Diktatur zum Nutzen der Demokratie aufzuarbeiten, denn eigentlich geworden ist?
Das Studium von Zehntausenden Blättern der Stasi-Akten führt zu der verstörenden Annahme, dass hinter den vielen unaufgeklärten terroristischen - ob von links oder von rechts - Anschlägen der 70er und 80er Jahre wie in Italien so auch bei uns Geheimdienste standen. Ein RAF-Bekennerschreiben kann reine Makulatur, eine Tarnung sein, wie es in den Strategieplänen der geheimen paramilitärischen Stasi-Organisation ganz deutlich benannt wird.
Der westdeutsche RAF-Sonderermittler Alfred Klaus bekannte zudem, dass auch vom BKA Bekennerschreiben gefälscht wurden. Das CIA-Büro in Rom brachte Flugblätter unter dem Etikett maoistischer Gruppen unter die Leute. Dabei müssen wir gewahr sein, dass das, was aus geheimer Politik bekannt wird, immer nur ein verschwindender Bruchteil dessen ist, was tatsächlich stattgefunden hat.8
Vor einigen Jahren führte die Autorin eine Reihe von Gesprächen mit Staatsanwalt Felice Casson. Er war es, der 1990 in Venedig - damals noch Untersuchungsrichter - Gladio aufgedeckt hatte. Auf die Frage nach heute möglichen weiterhin existierenden geheimen paramilitärischen Kampfeinheiten führte er aus:
Solche Organisationen gab es immer, sie gibt es und sie wird es immer geben. Derartige Geheimorganisationen sind Teil der staatlichen Strukturen, in jeder Situation und überall in der Welt. Das ist ein Problem der Politik. Doch wenn es Gesetze gibt, müssen diese respektiert werden. Die italienische Verfassung erklärt eine Organisation wie Gladio ganz eindeutig für verfassungsfeindlich. Von ihr wusste das Parlament nichts und also auch nichts das italienische Volk. Wenn man der Politik ein Doppelspiel einräumt, dann muss man auch den Mut haben dies einzugestehen, was in unserem Fall" [er bezieht sich hier auf einen von ihm aufgeklärten Terroranschlag mit Gladio-Beteiligung - R.I.] nicht geschehen ist. Nicht nur dem italienischen Volk ist nichts gesagt worden, auch einige Ministerpräsidenten sind nie über die Organisation Gladio informiert worden. Eine über allem stehende Instanz entschied, welcher italienische Politiker es verdiente informiert zu werden und wer nicht. Die Kontinuität bewahrte hier der Geheimdienst, was für eine Demokratie äußerst gefährlich ist, denn sie bedarf der Transparenz.
Zu all diesen hier nur kurz angerissenen Personen und Themen findet man inzwischen brauchbare Einträge im Internet. Doch in unseren großen, staatstragenden Medien bleibt dieser Bereich ein Tabu und Aufklärung unerwünscht.
(Erweiterte Wiedergabe eines Referats auf der Jahrestagung des Deutschen Anwaltvereins in Düsseldorf am 6.6.2013)
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