Negativzinsen federn Kosten der Corona-Rezession ab
Seite 3: Ist die Diskussion über Negativzinsen akademisch?
- Negativzinsen federn Kosten der Corona-Rezession ab
- Effektive Negativzinsen bieten viele Chancen
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"Weder die EZB, noch die Bundesbank oder andere ernstzunehmende Ökonomen und Institute fordern Leitzinsen, die bei -5% etwa liegen", behaupten Journalisten und Politiker gerne. Diese Aussage trifft so jedoch nicht zu.
In der wissenschaftlichen Debatte wird seit 20 Jahren diskutiert, dass die Zinsen längst deutlich im Minusbereich liegen müssten. Indikatoren dafür sind u. a. eine allgemeine Marktsättigung, ein gewaltiges Überangebot von Finanzkapital und die viel zu flache Zinsstruktur. Der Einbruch der Konjunktur weltweit durch die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie sind letztlich nur ein weiterer, wenn auch bedeutender, Faktor.
Wichtige Beiträge zur Notwendigkeit negativer Zinssätze kamen vom IWF, der FED und nicht zuletzt aus der EZB, siehe die Rede des EZB-Direktoriumsmitglieds Benoît Cœuré die er am 11.9.2014 in Frankfurt am Main vor der Geldmarkt-Kontaktgruppe der EZB hielt.
Das Problem der Notenbanker: Angemessene Negativzinsen sind nur durchsetzbar, wenn man über eine Geldgebühr das Ausweichen auf Bargeld unterbinden kann. Dies ist aber nur mit politischen Entscheidungen (gegen die seit Jahren ein mediales Trommelfeuer abgefeuert wird) umsetzbar.
Das Problem der Geschäftsbanken besteht darin, dass sie sich nicht trauen, die negativen Leitzinsen der EZB komplett auf die Giro-Bestände umzulegen. Sie haben mehrere Billionen € auf täglich fälligen Einlagen und müssen Kredite für 5-10 Jahre zu festen Zinssätzen ausleihen. Früher wurden Teile des Kreditvolumens über Fristentransformationen abgewickelt. Heute sind sie das Normalgeschäft. Weil das letztlich aber nicht geht, springt unermüdlich die Notenbank ein.
Wenn die Geldhortung etwas kostet, werden die Giro-Bestände abgebaut und das Überangebot an Geldkapital wird drei Konsequenzen haben: Investitionen, Konsumnachfrage und langfristige Ausleihungen zu Zinssätzen sehr nahe null. Die Notenbanken werden nicht mehr immer mehr Geld in den Markt pumpen müssen, sondern immer mehr Liquidität aus dem Markt herausnehmen, um Inflation zu vermeiden. Die Folgen: Stabilisierung der Finanzmärkte, Stabilisierung der Nachfrage, Stabilisierung der öffentlichen Haushalte, weitere Steigerung der Reallöhne.
Das Beispiel der Raiffeisenbank Gmund
"Negativzinsen ruinieren kleine Volksbanken und Sparkassen", behaupten sogar engagierte Politiker. Das Gegenteil jedoch ist der Fall. Die kleine Raiffeisenbank Gmund hat als eine der ersten Banken im Sommer 2016 ein "Verwahr-Entgelt" eingeführt und gute Erfahrungen damit gemacht.
Viele Institute haben sich nicht getraut, die Giroguthaben und damit die Verursacher der Geldhortung zu belasten. Sie haben die Kosten ihrer Negativzinsen als Kontogebühren zu gleichen Gebühren auf alle Girokontobesitzer verteilt, wie beispielsweise die GLS-Bank. Ein absolut unsoziales und darüber hinaus kontraproduktives Vorgehen. In Anbetracht der medialen Schmutzkampagne war dies allerdings nachvollziehbar. Aktuell kann man eine Tendenz ausmachen, dass sich immer mehr Geschäftsbanken bemühen, zumindest die großen Giro-Bestände durch eine negative Verzinsung tendenziell zu reduzieren.
Effektive Negativzinsen ermöglichen
Jetzt ist die Bundesregierung gefordert, in Kooperation mit den übrigen Regierungen der Eurozone die rechtlichen Voraussetzungen für eine Bargeldgebühr zu schaffen. Damit wird die Europäische Zentralbank in die Lage versetzt, die Leitzinsen weiter an das negative Wachstum der Realwirtschaft anzupassen.
In der Folge werden sich auch der Kapitalmarkt und die Kreditzinsen den Möglichkeiten der realen Märkte anpassen.
Fazit
Geldgebühren sind eine marktwirtschaftliche Notwendigkeit für eine funktionierende Geldwirtschaft. Sie als Strafzinsen, Enteignung und ähnliches zu diffamieren und eine Diskussion zu unterdrücken, ist sträflich.
Allein in Deutschland wurden jahrzehntelang Zinslasten von mehreren 100 Milliarden € jährlich kommentarlos hingenommen. Die exponentielle Zunahme der Geldvermögen und Schulden wurde nur von wenigen Kritikern hinterfragt. Die bürgerliche Presse hat sich geweigert, Zinseinkommen als Ursache von Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu hinterfragen. Unser Geldvermögen und die Schulden vermehren sich exponentiell, wie ein Corona-Virus, selbst dann noch, wenn der reale Zinssatz sehr niedrig ist. Grund genug, den Mechanismus immer positiver Zinssätze zu hinterfragen.
Klaus Willemsen ist Autor und freier Referent der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung. Viele seiner aktuellen Kommentare finden Sie auf www.INWO.de.
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