Neos suchen Kandidaten für Nationalratswahl
Leser mit österreichischer Staatsbürgerschaft können sich bis zum Sonntag bewerben
Nach der Ibiza-Affäre und dem Sturz der Regierung wird in Österreich im September ein neuer Nationalrat gewählt. Eine der Parteien, die mit etwa zehn Prozent in den Umfragen gute Chancen hat, dort einzuziehen, will ihre Liste nicht in Hinterzimmern, sondern in einem "transparenten Vorwahlprozess" zusammenstellen. Dafür können sich bei der "FDP mit grünem Einschlag" bis Sonntagabend nicht nur Parteimitglieder, sondern auch Nichtmitglieder bewerben.
Voraussetzung ist, dass sie österreichische Staatsbürger und mindestens 18 Jahre alt sind. Der erste Schritt einer Bewerbung ist die Teilnahme an einem "Online-Self-Assessment" mit 26 Fragen, für die man sich 10 bis 15 Minuten Zeit nehmen soll. Einen großen Teil dieser Fragen kann man als Warnung vor dem Zeit- Arbeits- und Nervenaufwand verstehen, den eine Kandidatur mit sich bringt.
Hat ein Interessent nach dem Ausfüllen dieses Fragebogens immer noch den Eindruck, dass eine Kandidatur eine gute Idee ist, muss er bis spätestens Sonntagabend 23 Uhr 59 einen Lebenslauf mit Foto, die Kopie eines österreichischen Reisepasses oder Personalausweises, eine maximal drei Monate alte Strafregisterbescheinigung, ein unterschriebenes Bewerbungsformular mit einer "Compliance Erklärung" und ein "strukturiertes Motivationsschreiben" einsenden.
Bei der Online-Vorwahl dürfen auch Nichtmitglieder mitwählen
Danach erhält er einen Link zu einem Online-Profil, das er selbst gestalten kann. Am 15. Juni kann er außerdem an einer "Kandidatenpräsentation mit Messecharakter" teilnehmen, sich dort dem erweiterten Neos-Vorstand vorstellen und ein zweiminütiges Präsentationsvideo aufnehmen lassen (das er nicht selbst gestalten darf). Danach entscheidet dieser erweiterte Vorstand, wer am Online-Dialog teilnehmen darf, der am 19. Juni beginnt und am 24. Juni endet.
In diesem Online-Dialog müssen sich die Bewerber über eine Kommentarfunktion potenziellen Wählern stellen und deren Fragen beantworten. Wer Fragen stellen will, muss kein Neos-Mitglied sein, aber sich mit seiner Bürgerkarte, seinem Ausweis und einer E-Mail-Adresse registrieren. Nach dieser Registrierung kann er auch an der Vorwahl teilnehmen, indem er online "Vertrauenspunkte" an Bewerber vergibt. Aus diesen Vertrauenspunkten ergibt sich am 3. Juli eine erste Rangliste: Der "öffentliche Bürgervorschlag".
Diesem öffentlichen Bürgervorschlag folgt am 5. Juli ein Vorschlag des Vorstandes, der von dessen Mitgliedern ebenfalls über die Vergabe von bis zu fünf Vertrauenspunkten erzeugt wird. Am 6. und 7. Juli entscheiden dann die Neos-Mitglieder in einer Versammlung in den Sofiensälen in der Wiener Marxergasse über die endgültige Liste.
Durch Vorzugsstimmen haben auch Kandidaten auf hinteren Listenplätzen eine Chance
Entspricht das Wahlergebnis in etwa den derzeitigen Umfrageergebnissen, dürfen sich etwa 20 Kandidaten Chancen auf einen Einzug in den Nationalrat ausrechnen. Darauf haben auch weiter hinten auf den Listen platzierte Kandidaten ein Chance, weil der Wähler durch das österreichische Vorzugsstimmensystem Personen nach vorne hieven kann (vgl. Wahlsystem: Kurz will "Österreichische Mauer" einreißen). Bekanntestes Beispiel dafür ist aktuell der FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache, der eigentlich nur pro forma auf Platz 42 der Europawahlliste kandidierte, aber nach der "z'Fleiß"-Vorzugsstimmenkampagne der Identitären Bewegung Anspruch auf eines der drei FPÖ-Mandate im Europaparlament hat.
Wahrscheinlich nicht wählen kann man bei den Vor- und Nationalratswahlen den international bekanntesten ehemaligen Neos-Abgeordneten: den Religionskritiker Niko Alm, der sich 2017 aus der Politik verabschiedet hat. Er setzte unter anderem durch, dass er in seinem Führerscheinfoto als Anhänger der Kirche vom Fliegenden Spaghettimonster ein Nudelsieb auf dem Kopf tragen darf, wie ernsthaft Gläubige ein Kopftuch, organisierte eine Initiative gegen staatliche Privilegien der katholischen Kirche und engagierte sich gegen die Beschneidung von Religionsunmündigen (vgl. Pastafari im Parlament).
Auch der Neos-Gründer und langjährige Partei- und Fraktionschef Matthias Strolz hat sich aus der aktiven Politik zurückgezogen. Sein Abschied kam im letzten Jahr so plötzlich und unerwartet, dass nach den jüngsten Enthüllungen zu anderen Politikern und zum österreichischen Verfassungsschutz in Sozialen Medien spekuliert wird, ob es nicht Kompromat gegen ihn gab, mit dem auf seine Entscheidung Einfluss genommen wurde. Konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es allerdings nicht. Er selbst war für eine Stellungnahme dazu bislang nicht erreichbar.
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