Nepal FM
Standfeste Richter in dünner Luft
Nepals Radiostationen, die wichtigsten Informationsquellen für einen Großteil der Bevölkerung, feiern einen wichtigen Sieg gegen die Zensur: Das oberste Gericht hat das Verbot jeglicher politischer Berichterstattung, das seit der königlichen Machtübernahme vom Februar diesen Jahres in kraft ist, vorerst gestoppt. Die Regierung geht derweil verstärkt gegen Internetmedien vor.
Anupraj Sharma, seit Anfang August Nepals Oberster Richter, hat dem Druck von König Gyanendra und der Armeeführung Stand gehalten. Sein Vorgänger hatte den Putsch vom 1. Februar und die Suspendierung der Grundrechte noch als einzig möglichen Schritt zur Rettung der Demokratie vor dem maoistischen “Terror” gerechtfertigt.
In einer einstweiligen Verfügung ordnete der Supreme Court am 10. August die Regierung an, das Verfahren zum Entzug der Sendelizenz gegen den Privatsender Nepal FM bis zur endgültigen Entscheidung einzustellen, da die Pressefreiheit betroffen sei, die seit dem offiziellen Ende des Ausnahmezustands allein verfassungsrechtlichen Schranken unterliege. Das Gericht berief sich dabei auf seine Entscheidung vom Juli 2001, mit der es Printmedien und Radiostationen gleichermaßen unter den Schutz der Pressefreiheit gestellt hatte.
Die Regierung hatte die betroffene Radiostation Ende Juli aufgefordert, ihr politisches Magazin einzustellen. Dabei bezog sie sich auf ein Dekret des Monarchen vom Februar, dass Kritik an seiner Machtergreifung und an den Sicherheitskräften verbietet. Seither war die Vorschrift als Verbot jeglicher Nachrichtenbeiträge jenseits der Wiedergabe amtlicher Presseerklärungen ausgelegt worden.
Zensur nach dem Putsch
König Gyanendra hatte im Februar erklärt, für sechs Monate direkt zu regieren, allerdings schon Ende April den Ausnahmezustand für beendet erklärt. Die bis zu diesem Zeitpunkt erlassenen Dekrete werden jedoch weiter angewendet. Obwohl die sechs Monate selbsternannter Autokratie abgelaufen sind, sind keine Anzeichen in Sicht, dass sich der Monarch auf seine verfassungsmäßige Rolle zurückzieht. Kurz vor Ablauf der Frist hatte König Gyanendra noch sein Kabinett umbesetzt. Dabei wurde Niranjan Thapa, der als Innenminister 1989/90 auf die Demokratiebewegung schießen ließ, mit dem Ressort Justiz- und Parlamentsangelegenheiten betraut.
Die Entscheidung des Gerichts, das Verbotsverfahren gegen den Radiosender allein an der Verfassung zu messen, hat daher weitgehende Konsequenzen. Letztlich bedeutet die einstweilige Verfügung eine Entscheidung zugunsten der Forderung der Demokratiebewegung, alle Einschränkungen der Grundrechte aufzuheben.
Noch am Abend der Gerichtsentscheidung nahmen viele der meist lokalen Radiosender ihre Nachrichtensendungen wieder auf. Bisher hat die Regierung lediglich gegen die Entscheidung protestiert. Anders als im Februar rückten keine Soldaten in die Redaktionsstuben ein. Allerdings hatten einige Radiosender schon nach Ende des Ausnahmezustands im Mai begonnen, wieder eigene Nachrichten zu senden, mussten jedoch bald erneut dem Druck der Behörden nachgeben. Das im zentralen Kathmandu-Tal populäre Nepal FM war nur das einflussreichste Unternehmen, gegen das die Zensurbehörden in den letzten Wochen vorgegangen sind.
Repression gegen jede unabhängige Berichterstattung
Jenseits der Hauptstadtregion ist seit der Machtübernahme von Palast und Armeeführung auch der letzte Rest ziviler Verwaltung zusammengebrochen. Lokale Gerichte und Verwaltungsräte sind aufgelöst, die Polizei ist der Armee unterstellt. Die Repression gegen jegliche unabhängige Berichterstattung bedarf dort oft nicht einmal eines Verweises auf entsprechende Dekrete. Im Großteil der ländlichen Gebiete des mittleren Berglands, wo die Maoistische Partei eine eigene Verwaltung aufgebaut hat, ist Kritik ähnlich lebensbedrohlich.
Trotz des Gerichtsentscheids haben deshalb einige Radiostationen angekündigt, vorerst nicht über die nahezu täglichen Protestveranstaltungen zu berichten, auf denen in den städtischen Zentren Nepals die Wiederherstellung der parlamentarischen Demokratie gefordert wird. Das staatliche Radio Nepal überträgt das englichsprachige Nachrichtenprogramm der BBC abzüglich der ersten Viertelstunde. Die nepalisprachige Ausgabe ist weiterhin suspendiert. Vorerst bleibt die politische Berichterstattung also möglichst unverbindlich. Dennoch gibt die Entscheidung des Supreme Courts auch den Print-Medien Rückhalt, die immer offener die Allmacht des Palastes und die immer brutaleren Menschenrechtsverletzungen beider Konfliktpartien kritisieren.
Internetmedien
In einem rechtsfreien Raum ganz anderer Art befinden sich die zahlreichen Internetmedien. Bisher profitierten sie von fehlenden gesetzlichen Bestimmungen und ihrer Verbindung zu etablierten englischsprachigen Medien, so dass sie ihre Kritik zum Teil namentlich veröffentlichen konnten. Zwar konnten die Behörden die oft im Ausland gehosteten Seiten nicht schließen, gehen seit Juni diesen Jahres jedoch verstärkt gegen regierungskritische Medien im Internet vor. Die nepalischen Provider wurden seither gezwungen, mindesten 23 Websites abzuschalten. Das betrifft nicht nur KrishnaSenOnline, die inoffizielle Nachrichtenagentur der Maoisten (die nach dem in Haft ermordeten Chefredakteur einer mit den Aufständischen symphatisierenden Zeitung benannt wurde), sondern auch Medien, die weder pro-maoistisch noch explizit republikanisch berichten, darunter das International Nepal Solidarity Network.
Blogs wie United We Blog können bisher noch im Land gelesen werden. Das Magazin betreiben Redakteure der bekannten englischsprachigen Tageszeitung Kantipur, die vom größten Medienunternehmen Nepals herausgegeben wird. Unter der URL der besonders an politisch interessierte Jugendliche adressierten Website Samudaya erscheint in Nepal seit dem 30. Juni allerdings nur noch eine Fehlermeldung. Wie weit die Macht der Gerichte reicht, wird sich in den nächsten Wochen deshalb auch daran zeigen, ob sie die Unabhängigkeit der Provider garantieren können. Ihre Angebote erreichen landesweit zwar nur eine verschwindende Minderheit, haben auf die Meinungsbildung im Kathmandu-Tal jedoch nicht unerheblichen Einfluss.