Netzfragen zur Bundestagswahl: Frankreich und USA waren "deutliche Warnzeichen" für Bundestagswahl

Seite 3: Fake News-Debatte

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Fake News sind 2017 immer wieder in den Schlagzeilen zu lesen. Immerhin können Falschmeldungen auch Wahlen beeinflussen. Steht auch die Bundestagswahl im September vor dieser Gefahr?

Thomas Jarzombek: Der Deutsche Bundestag ist im Jahr 2015 Opfer eines Angriffs auf seine IT-Infrastruktur geworden. Dabei sind offenbar auch Daten der Abgeordneten abgeflossen. Ich befürchte daher schon seit längerem, dass wir auf dieser Grundlage manipulierte Daten möglicherweise in der finalen Wahlkampfphase im September wiedersehen werden. Die USA und die Präsidentschaftswahlen in Frankreich waren in diesem Kontext deutliche Warnzeichen.

Aber das BSI und der Bundeswahlleiter bereiten sich ebenfalls auf den Wahltag vor. Die Datennetze werden überprüft und es wird nach Schwachstellen gesucht. Ein sicherer und geordneter Ablauf der Wahlen ist jederzeit gewährleistet. Deutschland nutzt z.B. keine Wahlcomputer, eine Manipulation von Wahlergebnissen scheidet hier also aus.

Soziale Netzwerke sollen mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, von Heiko Maas (SPD) für Fake News und Hate Speech mit Strafgeldern in die Mangel genommen werden, wenn diese entsprechenden Posts nicht binnen vorgegebener Zeiträume entfernen. Auch die CDU scheint das Konzept zu begrüßen. Warum sehen Sie darin den einzigen Weg, Fake News aus dem Weg räumen zu können und hat Ihre Partei keine Zweifel, damit die Meinungsfreiheit einzuschränken?

Thomas Jarzombek: Das Gesetz ist ein weiterer Schritt eines mehr als zwei Jahre dauernden Diskussionsprozesses zwischen dem Justizministerium und den sozialen Netzwerken. Bereits im Dezember 2015 hatten sich die Anbieter sozialer Netzwerke in einer Task Force zu konkreten Maßnahmen gegen rechtswidrige Inhalte im Internet verpflichtet. So sollten konkrete Meldungen über rechtswidrige Inhalte unverzüglich, aber in der Regel in weniger als 24 Stunden auf Grundlage des geltenden deutschen Rechts - und nicht der Nutzungsbedingungen einzelner Anbieter - geprüft und ggf. entfernt werden. Bewirkt hat das lange nichts. Seit über einem Jahr diskutieren wir daher darüber, wie man in sozialen Netzwerken den bestehenden Gesetzen Geltung verschaffen kann.

Im Januar dieses Jahres hat dann die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch ein entsprechendes Positionspapier beschlossen und auch gesetzliche Regelungen gefordert. Zum Beispiel mit Blick auf Mindeststandards wie schnellere Reaktionszeiten, transparente Löschregeln, ordentliche Widerspruchsverfahren und Schutzstandards für Mitarbeiter in den Beschwerdestellen für Plattformanbieter verpflichtend werden. Denn: Meinungsfreiheit heißt nicht Straffreiheit. Wer sich rechtswidrig äußert und dabei Straftaten begeht kann dafür keinen Schutz beanspruchen.

Die Meinungsfreiheit steht über allem, sie wird in Artikel 5 des Grundgesetzes definiert. Doch wer - wie im Straftatenkatalog im NetzDG festgehalten - beispielsweise Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet (Strafgesetzbuch StGB § 86a), öffentlich zu Straftaten auffordert (StGB § 111) oder eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet (StGB § 89a), der befindet sich außerhalb dieses Rahmens der Meinungsfreiheit und begeht schlicht eine Straftat.

Und zu Recht fragt mancher, warum Facebook so effektiv jedes Bild eines nackten Busens löschen kann, zuweilen nicht aber selbst die eindeutigsten Fälle des deutschen Strafrechts.

Der jetzt vorliegende Kompromiss für das NetzDG, den die CDU/CSU-Fraktion maßgeblich beeinflusst hat, ist eine Stärkung des Rechtsstaats! Er beeinträchtigt nicht die Freiheit im Netz, sondern sorgt dafür, dass Opfer von Hass und Häme besser geschützt werden. Die oft befürchtete "Privatisierung" der Durchsetzung von geltendem Recht findet gerade nicht statt - mit der neu geschaffenen Möglichkeit einer Co- und Selbstregulierung im Bereich der sozialen Netzwerke geben wir den Anbietern die Möglichkeit, Institutionen vergleichbar dem Jugendmedienschutz aufzubauen.

Plattformen sollen zukünftig zusammen mit anderen Anbietern in einer gemeinsamen Einrichtung Beschwerden überprüfen lassen können, - und das transparent und ausreichend ausgestattet - und so die Vorgaben des NetzDG einhalten können. Ein Overblocking aus Angst vor Sanktionen wird so vermieden, denn die Anbieter können die Entscheidung über Löschungen damit in rechtlich schwierigen Fällen an die Einrichtungen der Selbstregulierung delegieren.

Ein Meilenstein ist außerdem die Vorschrift, dass soziale Netzwerke einen Ansprechpartner für Strafverfolgungsbehörden im Inland benennen müssen. Diese Kontaktstelle muss Anfragen binnen 48 Stunden erschöpfend beantworten, passiert das nicht, kann ein Bußgeld verhängt werden.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz schafft keine neuen Pflichten: Es verbessert die Durchsetzung der geltenden Rechtslage. Anbieter haften schon heute für rechtswidrige Inhalte, wenn sie davon Kenntnis erhalten - also Inhalte gemeldet werden. Dass bisher der Eindruck entstand, Anbieter seien hier rechtlich privilegiert, seien also für diese rechtswidrigen Inhalte nicht verantwortlich, ist vielleicht eher Ausdruck gerade des Durchsetzungsdefizits, das wir mit dem NetzDG beenden wollen.

Hat Ihre Partei im Voraus mit so viel Widerstand dagegen gerechnet oder war das bereits im Voraus klar?

Thomas Jarzombek: Das kann ich komplett verstehen, denn das Gesetz, das der Justizminister vorgelegt hat, war handwerklich einfach wirklich sehr schlecht. Das entsprach auch in keiner Weise dem, was vorher in den Eckpunkten abgesprochen wurde. Das konnten wir am Ende ein wenig verbessern, aber ob das jetzt ausreichend ist, muss man dann sehen. Ich mache da mal ein Fragezeichen, denn eine Regulierung kann immer nur sinnvoll sein, wenn man versucht über eine Selbstregulierung zu gehen, damit die Gefahr des Over-Blockings entschärft wird.

Wir haben jetzt Mechanismen in das Gesetz eingebaut, wir hätten uns stärkere Regelungen gewünscht, aber das war mit der SPD nicht zu machen. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir komplett auf eine gesetzgeberische Lösung gesetzt. Wir werden jetzt sehen müssen, ob sich die Unternehmen der Selbstregulierung unterwerfen, falls nicht, muss das Gesetz sofort nachgebessert werden.

Facebook hat im April mit Tipps geworben, wie Fake News leichter erkannt werden sollen. Außerdem will das soziale Netzwerk noch aktiver gegen Falschmeldungen vorgehen. Auch Google startete in Deutschland mit seinem eigenen Faktencheck. Sind diese Maßnahmen geeignet zur Entlarvung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema?

Thomas Jarzombek: Um gegen die Verbreitung von Falschmeldungen und gegen gezielte Desinformationskampagnen vorzugehen, kann die Zusammenarbeit der Plattformen mit externen Recherchestellen nur ein erster Schritt sein. Dabei sind wirksame Vorkehrungen dafür zu treffen, dass sich entsprechende Recherchestellen inhaltlich neutral verhalten und allein die Wahrung rechtlicher Bestimmungen zum Ziel haben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat darüber vorgeschlagen, dass alle Nutzer, die mit Fake News konfrontiert worden sind, über deren Identifizierung als solche sowie gegebenenfalls deren Richtigstellung obligatorisch informiert werden sollten. Die hierzu bestehenden technischen Möglichkeiten müssen von den Unternehmen und Anbietern genutzt werden.

Außerdem sollte auch die Einführung eines Anspruchs auf Gegendarstellung nach dem Vorbild des Presserechts geprüft werden. Es gilt darüber hinaus zu prüfen, ob es ein geeigneter Weg sein kann, wenn soziale Medien im Umfeld von Meldungen, die von externen neutralen Prüfinstanzen als nachweislich falsch eingestuft worden sind, keine Werbeanzeigen mehr platzieren. Damit entfiele der finanzielle Anreiz, Falschmeldungen zu lancieren.

Abseits der gesetzgeberischen Komponente: Wie sollten soziale Medien Ihrer Meinung nach außerdem gegen Fake News vorgehen?

Thomas Jarzombek: Wir haben gesehen, dass dieses Phänomen auch bei Wahlen eine große Relevanz hatte. Dennoch sind die Anreize der Initiatoren dahinter häufig finanzieller Gewinn oder höhere Klickzahlen und nicht politische Einflussnahme. Daher ist meiner Meinung nach der vernünftigste Weg, diesem Problem entgegen zu wirken, die Werbung und Finanzierung dieser Seiten anzugehen. Die Menschen tendieren dazu besonders skandalös wirkende oder emotional berührende Überschriften aufzurufen; Ein Mittel, mit dem die Anbieter von Fake News ganz gezielt arbeiten. Daher denke ich, dass die sozialen Netzwerke angehalten sind, Mechanismen einzuführen, die die Refinanzierung solcher Inhalte deutlich erschweren.

Sowohl Facebook, als auch Google stellen dem Nutzer einen Fragenkatalog zur Verfügung, anhand dessen dann die Authentizität einer Quelle bestimmt werden kann. Halten Sie das für einen Schritt in die richtige Richtung?

Thomas Jarzombek: Grundsätzlich begrüße ich alle Maßnahmen, die die Menschen aufklären, denn der beste Mechanismus gegen Fake News sind kritische Nutzer, die die Inhalte hinterfragen.

Es gibt ja auch verschiedene Vorschläge von Facebook, zum Beispiel die Werbeeinnahmen solcher Seiten zu drosseln. Ich habe heute die Information erhalten, wonach die meist gelesenen Geschichten über Frau Merkel Fake News sind. Das ist natürlich beunruhigend. Andererseits zeigt es, dass der Großteil dieser Informationen offensichtlich nicht so verfängt, wie es zuletzt beispielsweise bei der US-Wahl der Fall gewesen ist, da die Parteien, die in Deutschland davon profitieren würden, in den aktuellen Umfragen relativ schwach dastehen.

Natürlich sollte hier nicht zu schnell Entwarnung gegeben werden, aber es zeigt zumindest, dass einige Mechanismen bereits greifen und die Menschen in Deutschland in der Lage sind, Dinge zu hinterfragen.

Das Internet ist mehr noch als andere Medien ein Spiegel der Meinungs- und Redefreiheit in einer Gesellschaft. Können gesetzliche Maßnahmen zur Regulierung von Bots unter diesem Gesichtspunkt als legitime Schritte gesehen werden?

Thomas Jarzombek: Social Bots entfalten in der politischen Kommunikation eine manipulative Wirkung, da Nutzerinnen und Nutzer oft nicht zwischen Mensch und Maschine unterscheiden können. Die Plattformanbieter müssen das Bot-Aufkommen transparent darstellen und eingrenzen. Um für mehr Transparenz zu sorgen, sollte eine Kennzeichnung von Social Bots geprüft werden. Allerdings kann von Fall zu Fall die Abgrenzung schwierig sein, ob es sich um einen "Bot" handelt - oder um einen Menschen, der täglich über 100 Posts ausübt.