Neue Hürden beim Volksbegehren in Berlin
Eine Initiative meint es ernst mit der Parole "Wir kaufen uns die Stadt zurück" und manche wittern schon Sozialismus
"Wie Berlin dem Mietenwahnsinn ein Ende bereitet. Für immer." Mit diesem Slogan wirbt die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" auf ihrer Webseite für ihr Volksbegehren. Der Slogan ist im klassischen Sinne populistisch. Denn zunächst einmal würde eine Umsetzung viel Geld in die Kassen des Dax-Konzerns Deutsche Wohnen spülen. Weil, was für das linke Klientel als "enteignen" bezeichnet wird, eigentlich ein Rückkaufen ist.
Über die Höhe der Gelder, die der Konzern dann kassieren würde, gehen die Vorstellungen der Initiatoren des Volksbegehrens und der Juristen auseinander, die ausloten, was im Rahmen der Verfassung, in deren Rahmen die Aktion läuft, möglich ist. Klar ist aber jetzt schon: Billig wird die Sache nicht.
Wenn schon enteignen, dann richtig
Manche Mieterinitiative sagt sich da, wenn schon enteignen, dann richtig und ist der Meinung, dass die Deutsche Wohnen bereits genug Profit aus den Mieten geschlagen hat. Daher sollten die Wohnungen auch nicht teuer zurückgekauft, sondern wirklich enteignet werden. Das dürfte aber verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen.
Die Deutsche Wohnen versucht derweil den Preis in die Höhe zu treiben und geht auf Shoppingtour am Berliner Immobilienmarkt. 23 Häuser hat sie kürzlich erworben. Viele der dortigen Bewohner haben sich sofort in der Initiative "23 Häuser sagen Nein" organisiert und fordern, dass die Bezirke ihr Vorkaufsrecht ausüben und die Häuser selber kaufen.
Verzögerungstaktik des Senats
Derweil prüft der Senat die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens seit bereits fast einem Jahr. Kritiker sprechen von einer Verzögerungstaktik. Denn in der Zeit ist das Prozedere des Volksbegehrens praktisch stillgelegt. So wird auf die Demobilisierung einer Bewegung gehofft, der es in der ersten Phase gelungen ist, in kurzer Zeit wesentlich mehr Unterschriften als nötig zu sammeln. Denn, mag die "Enteignung" auch ein Rückkauf sein, der Fakt, dass so Wohnraum dem Profit entzogen werden soll, überzeugt in Berlin viele Menschen.
Ohne den Druck des Volksbegehrens hätte es den Mietendeckel wohl nie gegeben. Dahinter stand vor allem von Seiten der SPD die Vorstellung, wenn die Miete gedeckelt ist, werden die Wahlbürger nicht mehr für den Rückkauf votieren. Besonders führende SPD-Politiker haben sich auch gegen einen Teil ihrer eigenen Basis klar gegen das Volksbegehen positioniert. Für die Genossen der Bosse klingt allein das Wort "Enteignung" zu stark nach Sozialismus.
Aus dem Hause des SPD-Innensenators kommen jetzt auch neue juristische Hürden. Dort wird die Rechtsauffassung vertreten, ein Volksbegehren könne den Senat nicht zum Erlass von Gesetzen auffordern. Das aber ist der Inhalt des aktuellen Volksbegehrens. Dort wird kein konkreter Gesetzestext zur Abstimmung gestellt, sondern der Senat aufgefordert, ein Gesetz zu erlassen. Diese Rechtsauffassung hätte auch über das aktuelle Volksbegehren hinaus Konsequenzen, betonen die Initiatoren von Deutsche Wohnen & Co enteignen:
Nach dieser Rechtsauffassung wäre die gängige Praxis des "Abgeordnetenhauses, des Bundestages und aller anderen Länderparlamente rechtswidrig.
Aus der Pressemitteilung der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen
Warum nicht selbst ein Gesetz zur Abstimmung stellen?
Die Initiative verweist auch auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das zum Schluss kommt, dass Volksbegehren durchaus Regierungen auffordern können, ein Gesetz zu erlassen. Allerdings heißt es in der Pressemitteilung auch, dass der Innensenat den Organisatoren nur kleine Änderungen im Text des Volksbegehrens vorgeschlagen habe, um es in ihren Augen rechtskonform zu gestalten.
Die Initiative will sich beraten, wie sie mit dem Vorschlag umgeht. Allerdings bleibt die Frage, warum die Initiative nicht einen eigenen Gesetzesvorschlag zur Abstimmung stellt, der, wenn er angenommen wird, Gesetzeskraft erhält. Dann könnte man doch dann auch die Entschädigungssumme deckeln.
Mit dem Auftrag an den Senat erkennt man ihn an und gibt ihm Machtbefugnisse. Zumal er den Text auch weiter umformulieren und verwässern kann. Auseinandersetzungen sind so schon vorprogrammiert.
Diese aktuelle Auseinandersetzung um das Volksbegehren zeigt einmal mehr, wie einige Staatsapparate und Medien schon den Sozialismus herbeischreiben, wenn Mieterinitiativen sich die Stadt zurückkaufen wollen, die größtenteils in den letzten 20 Jahren erst verkauft wurde.