Neue Smarties für den Corporate Web-Designer
Macromedia User Conference, 29., 30. Januar, Olympia Conference Center, London
Am 29. und 30. Januar fand in London die zweite Europäische Macromedia User Conference statt. Es war schon ein recht seltsames Gefühl, die ca. 600 Teilnehmer (gegenüber 400 im Vorjahr), das vergleichsweise bunte Volk der Web- und Multimediadesigner, sowie die überwiegend ausgesprochen jungen Produktmanager von Macromedia USA im typisch schäbig-englischen Business-Environment des Kensington Olympia zu sehen, wo am Weg zum Presseraum die Verschalungen aus der Decke fallen und der Hypermodernismus des Netzes den pittoresken, Brasil-haften Umständen eines verfallenden Konferenz-Neubaus der letzten Dekade zum Opfer fällt.
Doch die Stimmung war gut, auf jeden Fall bei Clare Rees, Marketing Leitern für Europa, die sich besonders erfreut über die starke Präsenz von Teilnehmern aus Deutschland und Schweden zeigte.
In seiner Eröffnungsansprache präsentierte Norm Meyrowitz, Chief Technology Officer von Macromedia Inc., eine Übersicht über Strategien und Produktentwicklungen. Das Unternehmen, das mit Programmen wie Director, Authorware und Freehand bisher vor allem Tools für Multimedia- und Printdesigner bereitstellte, sieht mittlerweile ebenfalls im Web einen Schwerpunkt seiner zukünftigen Expansion.
Flash me! Nahtlos integriertes Web-Design
Alle Blitzlichter sind diesbezüglich auf "Flash" gerichtet. Nach der Übernahme der Firma "Futurewave", die einen Vorgänger von "Flash" (FutureSplash) entwickelt hatte, durch Macromedia im Dezember 96 war damals mein Bedenken gewesen, es könne sich um eine Defensivübernahme handeln, weil das vektororientierte Flash weit webtauglicher ist, als umständlich mittels Shockwave zu verpackende Director-Animationen. Doch Ben Dillon, leitender Produktmanager für Flash, konnte derartige Bedenken zerstreuen. Im April 97 erschien Flash 2 im Macromedia-Gewand und spätestens mit Flash 3, das im Laufe dieses Jahres erscheinen wird, sollen vektororientierte Webgrafiken und -Animationen zum neuen Standard im Web werden, zumindest wenn es nach Macromedia geht. Einiges spricht für Vektorgrafiken, nicht nur, daß das Browser Plug-In für Flash bereits 37 Millionen Mal von der Macromedia Web-Site herunter geladen wurde. Die Vektorgrafiken lassen sich schneller laden als Bitmaps und sind vielseitiger in der Programmierung von Animationen und MouseOver-Events.
Kooperazion mit Progressive Networks (RealAudio)
Was die Position von Flash noch weiter stärken sollte, ist die Kooperation mit Progressive Networks, die in der Version 5.0 ihres RealMedia Players "Real Flash" integriert haben, also das Live-Streaming von Flash-Animationen. Die Kollaboration zwischen den Herstellern der beiden beliebtesten Browser Plug-Ins, Flash und RealMedia, könnte sich als kluger Schachzug erweisen, um de facto Standards für animierte und tönende Web-Sites zu setzen.
Universal Media Initiative
Zudem startet Macromedia 1998 die "Universal Media Initiative". Dabei geht es um die möglichst nahtlose Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Macromedia-Produkten, so daß Designer die Arbeit, ob nun für Print, CD-ROM oder Web-Site nur einmal machen müssen. Director-Präsentationen können als Java Applet gespeichert und gleich in HTML verpackt werden, Aftershock verpackt Flash in HTML und Flash-Animationen sollen ebenfalls umstandslos zu Java umgewandelt und in HTML eingepackt abgespeichert werden können. Und mit Freehand 8, das demnächst in den Verkauf kommt, können ganze für Print erstellte Seiten per Mausklick im Web gedumpt werden.
Web-Flash für die Reichen?
Doch spätestens hier drängt sich die Frage auf, ob damit nicht der Gedankenlosigkeit von Print-Grafik-Designern Vorschub geleistet wird, die nun, ohne sich mit den Besonderheiten des Webs auseinandersetzen zu müssen, ihre Arbeiten, die ganz in der Denkweise von Printprodukten gestaltet sind, mit einem Mausklick in ein webtaugliches Format bringen können - das allerdings ohne Rücksicht auf Bandbreiten, Speicherplatz und web-spezifischer Intelligenz. Und wenn wir schon beim Mosern sind: Auch Flash findet bisher vor allem im Corporate-Web-Design Anwendung, auf großen Sites wie etwa der von Disney oder auf der neuen Starshiptroopers Web-Site. Sicherlich läßt sich damit mehr machen, als mit simplem HTML, doch dieses "Mehr" frißt sich vor allem in immer noch rare Bandbreiten und den Gestaltungsaufwand, der für gut geflashte Sites nötig ist, können sich wohl nur große kommerzielle Web-Sites leisten (von enthusiastischen Privatprogrammierern abgesehen). Tools wie dieses tragen zur Fragmentierung des Internet bei und Sites, die ohnehin bereits eine zentrale Stellung einnehmen, vergrößern ihren techno-designerischen Vorsprung noch.
Damit das gediegene Web-Design nicht ganz auf der Strecke bleibt, wurde mit Dreamweaver ein neuer HTML-Editor vorgestellt. Das bereits seit einigen Wochen in einer Beta-Version verfügbare neue Produkt beseitigt das große Handikap visueller Web-Editoren, daß Veränderungen im visuellen Editor-Fenster nicht automatisch im Source Code verfügbar sind und vice versa. Dieses Feature, das Macromedia "Round-Trip-Editing" nennt, läßt Designer zwischen visuellem Editor und Source-Fenster hin- und herspringen, ohne sich um das Speichern oder Öffnen der jeweils letzten Versionen kümmern zu müssen. Zudem sind in den Menüleisten alle gängigen Erweiterungen von HTML bereits integriert, so daß zum Beispiel fertige Stücke an JavaScript fließend in die Arbeit übernommen werden können. Eine weitere willkommene Erleichterung für Web-Designer ist, daß sie Objekte, die sie immer wieder benötigen, z.B. komplexe Navigationsbuttons, in einer Objektbibliothek verwalten können. Damit erscheint Dreamweaver tatsächlich ziemlich attraktiv, befindet sich mit einem angepeilten Preis von knapp unter 1000.- DM aber am oberen Ende der Preisskala. Man geht wohl davon aus, daß die Zielgruppe von Macromedia, professionelle Web-Designer in Agenturen, sich an einem derartigen Preis für ihr wichtigstes Arbeitswerkzeug nicht stößt, sondern im Gegenteil, diesen als Eintrittskarte in einen exklusiven Club betrachtet.
Versöhnliches zum Abschluß
Die Macromedia User Konferenz ermöglicht professionellen Multimedia- und Web-Designern die Kommunikation untereinander, aber auch mit den Entwicklungschefs der verschiedenen Macromedia Produkte. Stars wie Neville Brody oder Roy Stringer von der britischen Design-Company Amaze sind dabei das Salz in der Suppe. Stringer stellte neue Navigationskonzepte vor, die versuchen, über die hierarchische Verzeichnisstruktur konventioneller Hypertext-Dokumente hinauszugehen, und mittels 3D-Buttons den direkten Zugriff auf jede Verzeichnisebene einer größeren Web-Site zu ermöglichen (ein Gedanke übrigens, der auch schon in den Redaktionsräumen von Telepolis bezüglich der eigenen Site kursierte). Mit solchen Konzepten machen Tools wie Smart Shockwave kombiniert mit Flash plötzlich Sinn, jenseits von reiner Bandbreitenvergeudung für klickhungrige Game-Kids.
Auch 1999 soll es wieder eine User Conference geben, ein Veranstaltungsort steht noch nicht fest, Clare Rees deutete aber an, daß ein Veranstaltungsort in Deutschland wünschenswert erscheint, weil die Community dort besonders groß sei.