"Neuer Höhepunkt an Gewaltexzessen"

RTL2 zeigt nun doch noch die zweite Staffel von John Milius' Serienmeisterwerk "Rom"

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Im deutschen Fernsehen läuft nach einigem hin und her nun doch die Zweite Staffel der Fernsehserie Rom. Eigentlich war die Ausstrahlung bereits für den 14. Februar geplant, wurde aber kurzfristig abgesagt. Nun zeigt RTL2 Samstags und Sonntags um 20 Uhr 15 jeweils stark gekürzte Doppelfolgen.

Bereits die erste Staffel der Serie wurde im deutschen Fernsehen in einer so verstümmelten Fassung gesendet, dass insgesamt eine Episode weniger dabei herauskam. Trotzdem sprach der einschlägig bekannte Bildschirmmedienkritiker Christian Pfeiffer von einem "neuen Höhepunkt an Gewaltexzessen".

Entworfen, geschrieben und produziert wurde Rom von John Milius, Bruno Heller, William MacDonald und dem Althistoriker Jonathan Stamp. Allerdings ist es John Milius, dessen Handschrift mit Abstand am deutlichsten erkennbar ist. Er führte unter anderem die Regie in Der Wind und der Löwe, Conan der Barbar und Die rote Flut. Außerdem schrieb er maßgebliche Teile der Drehbücher zu Dirty Harry, Callahan, Der weiße Hai, 1941 und Apocalypse Now. Von ihm stammen Sätze wie "I love the smell of napalm in the morning".

Der von den Coen-Brüdern in The Big Lebowski als Walter Sobchak parodierte Waffenliebhaber sah seine Karriere stets von "liberals" blockiert, die seine guten Ideen nach Möglichkeit behindert hätten. Allerdings ist Milius auch kein Mainstream-Konservativer: Als Rush Limbaugh nach der Finanzkrise Banker verteidigte, äußerte der Filmemacher dazu öffentlich, dass man diese "Wall Street Pigs" lieber in Schauprozessen vorführen und dann exekutieren sollte.

Die Forderung passt zu seinem künstlerischen Schaffen, in dem er - wenn man so will - Nietzsche vom Kopf auf die Beine stellte. In Die rote Flut etwa darf eine Gruppe von Teenagern nach der Invasion der USA durch russische und lateinamerikanische Truppen als eine Art amerikanischer Mudschaheddin die Fesseln des Rechts ablegen und nach Herzenslust foltern, töten und Attentate verüben.

Ein Schlüsselfilm zu Milius' Werk und seinem antizivilisatorischen Impetus ist Der Wind und der Löwe, der im Marokko des Jahres 1904 spielt. Sean Connery mimt darin den Berberfürsten Raisuli, der eine von Candice Bergen gespielte Amerikanerin und ihre Kinder entführt. Der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt schickt sich darauf hin an, sie durch ein militärisches Eingreifen zu befreien. Im Laufe des Films wird nicht nur dem Zuschauer klar, wie ähnlich sich Raisuli und Roosevelt eigentlich sind, sondern auch den beiden Figuren selbst. Schließlich gehen Amerikaner und Berber - beide wild und unbeugsam - sogar eine Allianz gegen Deutsche und Franzosen ein.

Rom zählt definitiv zu den Meisterwerken des Filmemachers und darüber hinaus zu den fünf besten Serien der nuller Jahre (zusammen mit The Shield, House MD, The Wire und Jericho). Die erste Staffel der Koproduktion von HBO, BBC und RAI behandelt die Zeit zwischen 50 und 44 vor Christus. Dabei wurden nicht nur Caesar, sondern auch andere zentrale Persönlichkeiten wie Pompeius, Cicero, Cato der Jüngere (großartig gespielt von Karl Johnson) und Brutus ausführlich und mit viel historischem Sachverstand entwickelt. Zu ihnen gesellen sich erfundene Protagonisten - vor allem der Zenturio Lucius Vorenus und der Legionär Titus Pullo. Zwar kommen die beiden Namen in Caesars Commentarii de Bello Gallico vor, die Figuren dazu sind aber erfunden. Auch bei den Frauen Atia und Servilia überwiegt der fiktionale Anteil den aus Quellen extrahierten bei weitem.1

Auch in Rom morden, foltern und vergewaltigen Soldaten ganz selbstverständlich. Lucius Vorenus etwa wird von einem Vorgesetzten gefragt, was er tun würde, um die verschwundene persönliche Standarte Caesars zu finden. Er antwortet, dass er einen Gallier aus jedem Stamm kreuzigen und so herausfinden wolle, wer sich des Feldzeichens bemächtigt hat. Anders als andere Serien zeigt Milius nun nicht nur, dass diese Kreuzigungsfolter zum Erfolg führt, sondern auch, dass sie eine recht grausame Sache ist. Und er lässt sie, anders als etwa in 24, nicht nur zur Lösung absoluter Ausnahmesituationen anwenden, bei denen es um zigtausende von Menschenleben geht, sondern auch für ganz triviale Dinge wie zur Ermittlung in Ehebruchssachen.

Es sind allerdings weniger Blut und Busen, sondern vor allem eindrucksvoll menschenverachtende Momente, die Rom zu großer Kunst machen: Etwa wenn Caesar den schon völlig vergessenen Vercingetorix für einen Triumphzug aus dem Kerker holen lässt und meint, dass er etwas hergerichtet werden müsse, weil er ja "mehr tot als lebendig" aussehe. Dann wird das völlig willenlose Stück Körper geschminkt, bis es aussieht wie eine antike Dirne, und an einem Wagen gefesselt dem Volk vorgeführt, um sich schließlich erdrosseln zu lassen.2 Extrem beeindruckend ist auch eine Szene, in der Atia ihre Tochter Octavia zur Scheidung zwingt und dann aus politischen Gründen mit dem eher widerwilligen Pompeius verheiratet, dem sie beim Abendessen auffordert, seine Rechte als Ehemann sofort geltend zu machen, worauf hin sowohl Octavia als auch Pompeius sich der tristen Sache hingeben, wie man auf Druck der Gastgeberin ein Stück Kuchen isst, dass man eigentlich nicht möchte.

Beim Drehbuch wie beim Szenebild bewies man nicht nur sehr viel Liebe zum Detail, sondern bezog auch Ergebnisse der antiken Alltags- und Sittengeschichte in weitaus stärkerem Ausmaß mit ein als andere Verfilmungen des Stoffs. Das fängt bei Frisuren, Kleidern, Möbeln, Speisen und Werkzeugen an und hört bei Religion, Sexualität und Gewalt nicht auf. Auch damals nach anderen Linien verlaufende Rassewahrnehmungen werden thematisiert: Als der rothaarige Lucius Vorenus in Folge 10 der ersten Staffel seine erste Rede hält, muss er sich für sein fremdartiges Aussehen rechtfertigen und das Volk ruft ihm entgegen: "Geh' zurück nach Gallien!"

Cicero

Durch Farben, Gesten, Mentalitäten, Werte, Spielzeug, Riten und Tieropfer wirkt die Serie auf einer Ebene sehr fremdartig - und kann deshalb auf einer anderen ein umso freimütigerer Kommentar zum Verfall einer Republik sein, die nur ein Schein ihrer selbst ist und in der die Herrschaft über informelle Kanäle und Intrigen läuft. Am gründlichsten wird das Vertrauen in politische Autorität in Folge 11 der ersten Staffel unterminiert: Caesar gibt über Umwege den Mord an einem Kritiker in Auftrag, statuiert dann ein Exempel an dem, der ihn ausgeführt hat und lässt sich als Restaurator von Recht und Ordnung feiern.

Die zweite Staffel der Serie verfolgt Octavians Weg zur Macht von der Ermordung Caesars an und den Abstieg seiner politischen Konkurrenten. Der spätere Augustus, der bereits als Knabe in der ersten Staffel als relativ kühler politischer Kopf präsentiert wird (auch wenn er einen Banditen, der ihn vor einen Wagen spannte und als Zugtier benutzte, mit bemerkenswert viel Leidenschaft zu Tode prügelt), steigt schließlich zum Alleinherrscher auf, was damals freilich nicht besonders laut gesagt werden durfte, weil er stets vorgab, nur die Republik zu "retten". Weder er noch seine Nachfolger nahmen deshalb den Titel "Rex" ("König") an. Lediglich die Griechen spielten dieses Spielchen nicht mit und nannten die jeweiligen Alleinherrscher in ihren Schriften "Basileus", also "König".