Neuer Straftatbestand für Sozialarbeiter und Kommunalpolitiker

Organisierten Kindsmissbrauch durch Gangs gab es nicht nur in Rotherham, sondern auch in zahlreichen anderen britischen Ortschaften

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Im letzten Jahr kam heraus, dass in der mittelenglischen Ortschaft Rotherham 16 Jahre lang über 1.400 pubertierende Mädchen systematisch missbraucht wurden. Teilweise vergewaltigte man sie in Gruppen, beutete sie als Zwangsprostituierte aus, kennzeichnete sie mit Brandzeichen am Gesäß und verkaufte sie weiter. Die Opfer waren vor allem Mädchen aus der Unterschicht - die Täter Männer pakistanischer Herkunft, die sich die Kinder mit Alkohol und kleinen Geschenken gefügig machten, sie verprügelten oder damit drohten, sie anzuzünden (nachdem sie sie vorher mit Benzin übergossen hatten).

Die Fälle schlugen im letzten Jahr auch deshalb Wellen in britischen Medien, weil Mädchen und deren Eltern den Missbrauch immer wieder bei der Polizei gemeldet hatten, ohne dass diese etwas unternommen hätte. Ein Grund dafür war offenbar die Angst von Polizisten, von Vorgesetzten wegen Verstößen gegen "Diversity"-Richtlinien bestraft oder kritisiert zu werden. Einen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Innenministeriums, der die Führung der Polizei von Rotherham 2002 darauf aufmerksam gemacht hatte, sagte man, er solle so etwas nicht noch einmal machen und stellte ihn anschließend kalt.

Ein am Dienstag veröffentlichter neuer Untersuchungsbericht zeigt der britischen Öffentlichkeit jetzt, dass Rotherham kein Einzelfall war: Vergleichbare Fälle gab es unter anderem in Rochdale, dem Großraum Manchester, Newcastle, Derby, Telford, Birmingham und der Grafschaft Oxfordshire. Dort wurden über 16 Jahre hinweg mindestens 373 Mädchen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren jahrelang systematisch von Gangs missbraucht. Auch hier wandten sich Opfer immer wieder an die Behörden - und fanden dort lange kein Gehör. Teilweise gab man ihnen selbst die Schuld für die Vorkommnisse und stellte sie als verkommene kleine Luder dar.

Oxfordshire. Karte: Nilfanion. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Auch in Oxfordshire gab es einen mutigen Angestellten, der seine Vorgesetzten in einer Serie von E-Mails immer wieder darauf hinwies, dass er mit eigenen Augen beobachten konnte, wie eine Gruppe von Männern beständig einer gefährdeten 13-Jährigen auflauterte und vor der Wohnung ihrer Eltern herumlungerte. Die Vorgesetzten reagierten auf diese E-Mails mit dem Hinweis, der Mann sei "unprofessionell" - und mit der Aufforderung, keine solchen Mails mehr zu schreiben.

Die Personen, die damals so reagierten, sitzen heute immer noch auf ihren Posten. Es gab weder Entlassungen noch Disziplinarmaßnahmen. Premierminister David Cameron hat deshalb neue Straftatbestände angekündigt, die Lehrern, Sozialarbeitern und Kommunalpolitikern mit Gefängnis bis zu fünf Jahren drohen, wenn sie es nicht schaffen, Kinder vor solch offenen Formen des organisiertem Missbrauchs zu schützen. Damit soll ein "Kulturwandel" erreicht werden.

Der Guardian sieht solche neuen Straftatbestände kritisch und weist darauf hin, dass sie die Aufmerksamkeit von den Tätern ablenken und indirekt dazu führen könnten, dass sich gute Beamte nach strafrechtlich weniger riskanten Jobs umsehen. Aber auch er fragt sich, wie Polizisten und Sozialarbeiter die Augen vor den Aktivitäten der Gangs so lange und so konsequent professionell verschließen konnten.

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