Neues Hochschulranking: Deutschland weiterhin Mittelmaß

Laurentius de Voltolina: Henricus de Alemannia vor seinen Schülern. Bild: Yorck Projekt/CC0

Ein überraschender Blick hinter die Kulissen der Times Higher Education Rankings

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Diesen Artikel könnte man alternativ mit "Alle Jahre wieder" oder "Im Westen nichts Neues" einläuten: Vor wenigen Tagen erhielt ich per E-Mail die Nachricht, dass das neue Times Higher Education (THE) Ranking fertig ist. Daran hatte ich im November zum wiederholten Male als Teilnehmer mitgewirkt.

Die Ranglisten, neudeutsch "Rankings", die THE jährlich veröffentlicht, dürften wohl die einflussreichsten in der Hochschulwelt sein und so manches Universitätspräsidentenherz höher schlagen oder alternativ für ein paar Sekunden stillstehen lassen. Auch Studierende orientieren sich weltweit daran, wenn sie sich auf Studiengänge bewerben. Was sich dahinter verbirgt und vor allem auch wer, das ist das Thema dieses Artikels.

Letzten November war es zufälligerweise so, dass ich meinen Studierenden in einer Freestyle-Vorlesung des Philosophie-der-Psychologie-Kurses gerade erklärt hatte, wie THE funktioniert, als ich die Einladung zur Teilnahme erhielt. Im Rahmen einer didaktischen Live Performance haben wir die Online-Fragebögen dann in der folgenden Vorlesung zusammen ausgefüllt. Doch fangen wir erst einmal am Anfang an.

Qualitätsmarke "Times"

Am "Times" in Times Higher Education erkennt man noch die ursprüngliche Verwandtschaft mit der altehrwürdigen britischen Tageszeitung The Times (seit 1785), die unter dem Namen einst eine Beilage über das Bildungswesen herausgab. Diese erscheint seit 2008 als eigenes Magazin. 2004 veröffentlichte THE dann erstmalig eine Rangliste der Universitäten weltweit, in zeitlicher Nähe zu den PISA-Studien für die Schulen (seit 2000).

Es handelt sich also um die Zeit, in der sich, ausgehend von den Regierungen Thatchers und Reagans in den 1980ern, das Denken ausbreitete, dass alles zählbar gemacht und verglichen werden müsse. Das Denken also, das sich, aus der Betriebswirtschaftslehre kommend, als New Public Management auch überall in der Verwaltung ausbreitete und speziell für das Hochschulwesen in der Bologna-Erklärung von 1999 mündete (Fünfzehn Jahre Bologna-Erklärung - eine Polemik). Das Denken schließlich, das im größeren Kontext von Globalisierung und Individualisierung ein Grundpfeiler des Neoliberalismus ist.

Gewinner setzen Wettbewerb voraus

Wenn alles als Wettbewerb organisiert werden soll, dann muss es freilich auch Regeln geben, nach denen sich der Gewinner ermitteln lässt. Die Regeln hierfür lieferte für die Schulen in Form der PISA-Studien die OECD, also eine Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne demokratisches Mandat. Für die Hochschulen setzte sich THE durch, ein britisches Privatunternehmen. Dass Großbritannien und die USA politisch als erste auf das alles zählende und vergleichende Denken vorbereitet worden waren, dürfte hilfreich gewesen sein; dass Englisch nach dem Zweiten Weltkrieg die wichtigste Wissenschaftssprache wurde, ebenso.

Nun muss man bei THE zwei Ranglisten unterscheiden: Erst einmal die Rangliste der Reputationen, die schlicht wiedergibt, welche Institutionen die Wissenschaftler weltweit für die Besten halten. Danach das "World University Ranking", das die Reputationen um einige Kennzahlen wie das Verhältnis von Studierenden zu Dozierenden, Zitationen in wissenschaftlichen Datenbanken oder Einnahmen aus der Industrie pro Wissenschaftler ergänzt.

Rangliste der Reputationen

Die Rangliste der Reputationen wird auch 2019 von der Harvard Universität angeführt, unverändert seit mindestens 2011. Darauf folgen das MIT, Stanford, Cambridge, Oxford, Berkeley, Princeton, Yale, UCLA und Chicago. Auf dem elften Platz erscheint mit Tokyo die erste nicht-amerikanisch/britische Universität. Die erste deutsche Uni ist die LMU auf Platz 43.

Unter der Top 100 finden sich insgesamt 42 US-amerikanische Universitäten, neun britische, acht australische, sieben chinesische, fünf deutsche, ebenfalls fünf niederländische, vier schweizerische, vier singapurische, drei französische und schließlich drei kanadische. 62% der besten Bildungseinrichtungen befinden sich demnach in englischsprachigen Ländern.

Die deutschen Universitäten in der Top 100 der Reputation Rangliste. Ab dem 51. Platz werden die Einrichtungen nur noch in Zehnerschritten unterschieden, also 51-60, 61-70 und so weiter. Abkürzungen: LMU und TUM in München; HU und FU in Berlin; RWTHA in Aachen.

Weltweite Verteilung

Diese Rangliste kommt nun so zustande, dass Wissenschaftler, die mit ihren E-Mail-Adressen in Publikationsdatenbanken registriert sind, nach dem Zufallsprinzip eine Einladung erhalten. Für 2019 kamen dann 22% der Stimmen aus Westeuropa, 20% aus Nordamerika, 11% aus Osteuropa, 5% aus Südamerika, 2% aus Afrika und 1% aus dem Mittleren Osten. Als asiatisch-pazifischer Raum wird gut das östliche Drittel der Weltkarte über einen Kamm geschert und stellte 39% der Stimmen.

Interessante Unterschiede gab es auch bei den Fakultäten: Rund 18% der Stimmen kamen aus dem Bereich Ingenieurwissenschaften und Technologie, 14% aus den physikalischen Wissenschaften, jeweils 11% Wirtschaftswissenschaften, Gesundheitswissenschaften, Lebenswissenschaften und Geisteswissenschaften, 10% Computerwissenschaften, 8% Sozialwissenschaften, jeweils 3% Psychologie und Erziehungswissenschaften sowie schließlich 1% Rechtswissenschaften. Die Einteilung der Fächer wie der Weltregionen hat die THE nach Belieben selbst vorgenommen. Das wird bei der zweiten Rangliste noch eine größere Rolle spielen. Doch bleiben wir noch einen Moment bei den Reputationen.

Diese wird gemessen, indem die teilnehmenden Forscher die besten 15 Institutionen in ihrem Bereich jeweils für Forschung und Lehre angeben sollen. Harvard landete also auf Platz 1, da diese Universität für beide Kategorien am häufigsten genannt wurde. Das gilt als 100%. Damit werden dann alle anderen Institutionen gemessen.

Münchner LMU entspricht 7% Harvard

Die demnach beste deutsche Uni, die Münchner LMU, kommt auf Platz 43 auf rund 7% der Nennungen im Bereich Forschung und 6% im Bereich Lehre. Ab dem 51. Platz werden die Zahlen von THE nicht mehr veröffentlicht, wohl weil die Unterschiede winzig sind. So wissen wir die Werte für Heidelberg (51-60), die Münchner TUM (ebenfalls 51-60), die Berliner HU (61-70) und schließlich die Berliner FU (81-90) nicht einmal.

Das lässt die von der Exzellenzinitiative geblendete deutsche Elite-Hochschullandschaft doch auf einmal recht bescheiden dastehen: Selbst die LMU ist im gewichteten Mittelwert gerade einmal 7% Harvard. Die Werte aller anderen deutschen Unis hält die THE für diese Rangliste nicht einmal für erwähnenswert.