Neues Hochschulranking: Deutschland weiterhin Mittelmaß

Seite 2: Ratespiel statt Bewertung?

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Noch ein wichtiger Gedanke zur Gültigkeit (Validität) dieser Messung: Dass Forscher in ihrem Fachgebiet noch einigermaßen sinnvoll sagen können, wo die beste Forschung stattfindet, kann ich mir noch in etwa vorstellen; aber auch das ist natürlich von Vorurteilen geprägt. Wie sie aber auf diese Weise die Lehre ihrer Kollegen weltweit beurteilen sollen, wo sie doch selbst in aller Regel nie in den Vorlesungen oder Seminaren saßen, das leuchtet mir beim besten Willen nicht ein.

DIE BESTEN LEHRE-UNIVERSITÄTEN DER WELT

Bitte wählen Sie bis zu 15 Institutionen auf der Welt (in beliebiger Reihenfolge), die Sie als diejenigen ansehen, die die beste Lehre innerhalb Ihres Fachgebiets produzieren - denken Sie bei dieser Frage bitte nur an die Lehre.

Wir verstehen, dass das Erkennen der Lehrqualität schwieriger ist als Beurteilung der Forschungsqualität. Versuchen Sie aber bitte trotzdem Ihr Bestes, auf Grundlage jeglichen persönlichen Wissens oder Ihrer gesammelten Erfahrung, die Frage zu beantworten.

Aus dem Online-Fragebogen von Times Higher Education, 22. November 2018; dt. Übersetzung

Die Reputationsrangliste basiert also schlicht darauf, welche Institutionen den Teilnehmern so einfallen. Jedes Mal, wenn ich vor dem Fragebogen sitze, komme ich mir wie bei einem Gedächtnistest vor. Erinnern wir uns zudem an die Verteilung der Länder und Fachrichtungen, dann werden sofort zahlreiche Verzerrungen offenbar. Und wenn man dann noch weiß, dass die meisten Wissenschaftler aus dem nicht-englischen Sprachraum im Laufe ihrer Karriere mal in ein englischsprachiges Land gehen, vor allem in die USA, umgekehrt aber relativ wenige englischsprachige Forscher ins nicht-englischsprachige Ausland, dann überrascht es auf einmal nicht mehr, dass laut THE 62% aller Top 100-Universitäten in den USA, Großbritannien, Australien oder Kanada sein sollen.

Interessant ist dann auch, dass 2011 nur zwei chinesische Unis (Tsinghua und Peking) unter den ersten 100 auftauchten, 2019 aber schon sieben, also plus 250%. Das dürfte vor allem an der zunehmenden internationalen Sichtbarkeit und Aktivität chinesischer Wissenschaftler im Rahmen der Globalisierung liegen. Spiegelt die Rangliste am Ende bloß ab, wer am bekanntesten ist und von der Globalisierung am meisten profitiert?

Die Weltrangliste der Universitäten

Widmen wir uns jetzt der zweiten Rangliste, in der zur Reputation noch einige Kennzahlen kommen, wie bereits genannt etwa das Verhältnis von Studierenden zu Dozierenden, Zitationen in wissenschaftlichen Datenbanken oder Einnahmen aus der Industrie pro Wissenschaftler. Das nennt THE dann die Weltrangliste der Universitäten und gilt weitläufig als der beste Vergleichsmaßstab zur Beurteilung der Bildungs- und Forschungseinrichtungen weltweit.

Entsprechend der Methodologie setzt sich die Gesamtnote zu jeweils 30% aus den Teilbereichen Lehre, Forschung und Zitationen zusammen. Dazu kommen 7,5% für internationale Ausrichtung und schließlich 2,5% für Industriefinanzierung. Jetzt muss man aber noch wissen, dass die Hälfte der Bewertung der Lehre und sogar mehr als die Hälfte der Bewertung der Forschung auf der vorher genannten Reputationsbefragung basiert.

Reputation spielt wieder eine große Rolle

So basieren insgesamt 33% der Gesamtwertung der Weltrangliste auf der subjektiven Erinnerung der teilnehmenden Forscher, welche Institutionen in ihrem Fachbereich führend sind! Und über diese Kriterien gab es niemals eine Verständigung unter den Wissenschaftlern, noch nicht einmal den Regierungen der verschiedenen Länder. Die Forscher liefern bloß die Daten. Die Regeln bestimmt jedoch ganz allein die Führungsriege der THE mit Sitz am Londoner Red Lion Square.

Daher noch ein paar Gedanken dazu, wer diese Firma eigentlich ist und wem sie gehört. Nach rund einer halben Stunde Online-Recherche kam ich zu dem Ergebnis, dass Times Higher Education zur Tes Global Group gehört, laut Selbstdarstellung eine führende Firma auf dem Gebiet der "Education Technology" und sogar die weltweit größte Gemeinschaft von Lehrenden. Man verfüge über ein Netzwerk von 11,6 Millionen registrierten Nutzern aus diesem Bereich.

Wege amerikanischen Finanzkapitals

Und wem gehört nun Tes Global? Laut Unternehmensnews vom 17. Dezember 2018 der US-amerikanischen Investmentfirma Providence Equity Partners L.L.C., die laut Wikipedia über ein Kapital in Höhe von $18 Milliarden verfügt. Auf der Firmenseite heißt es zudem seit November 2018, dass Verhandlungen für den Verkauf der THE-Sparte laufen.

Die gemeinhin wichtigste Rangliste zum Vergleich von Universitäten und Forschungseinrichtungen ist also nicht nur fest in unternehmerischer Hand, sondern gehört seit Kurzem sogar einer amerikanischen Investmentfirma, die unter anderem in verschiedene Medien-, Unterhaltungs- und Kommunikationsfirmen wie Bluestone Television, Kabel Deutschland, VoiceStream (jetzt T-Mobile US), Warner Music Group oder Western Wireless investierte.