Neues Maßnahmenpaket: Was sagen die Corona-Zahlen?
Seite 2: An welchem Punkt der Corona-Welle befinden wir uns?
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Die Datenlage legt nahe, dass sich Deutschland derzeit in einer Situation befindet ähnlich der schweren Grippewelle 2017/18, die etwa 25.000 Tote forderte. Die damalige Impfung war wirkungsschwach und in einigen Kliniken gab es Engpässe.
Als entscheidender Unterschied lässt sich feststellen, dass die allgemeine Sorglosigkeit damals um einiges höher war, und wir heute vergleichbare Zahlen trotz des vorsichtigeren Verhaltens der Bevölkerung und der staatlichen Maßnahmen haben. Von daher erscheint die aktuelle Bedrohungssituation einzigartig in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Einiges deutet darauf hin, dass Covid-19 in unserer Klimazone einen ähnlich saisonalen Verlauf nimmt wie die Grippe. Eine Grippewelle dauert zwischen 12 und 15 Wochen. Wie lange ggf. eine Coronawelle dauert, ist noch unbekannt. Ebenso wenig kann derzeit eingeschätzt werden, an welchem Punkt der Welle wir uns ggf. befinden.
Die Entscheidung der Regierungschefs, gerade auch angesichts der dramatischen Entwicklungen bei unseren Nachbarn Belgien und Frankreich mit Maßnahmen gegenzusteuern, ist verständlich. Dennoch sind die politisch Verantwortlichen verpflichtet, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ständig zu evaluieren oder zumindest zu überdenken. Alles andere wäre ebenso starrsinnig wie ein unbedingtes Festhalten an mehr oder weniger willkürlich festgelegten 7-Tage-Inzidenzen.
Wenn unerreichbare Ziele formuliert werden, wird der Ausnahmezustand als alternativlos zementiert.
Fazit
• Ein Zusammenhang zwischen den Maßnahmen vom 2. November und der Stabilisierung des Infektionsgeschehens kann vermutet werden.
• Betrachtet man den Zeitraum seit Anfang Oktober, kann bei keiner Kennzahl exponentielles Wachstum festgestellt werden. Dieses Bedrohungsszenario ist derzeit vom Tisch.
• Die von Gesundheitsminister Spahn befürchtete Verdopplung beim Intensivbetten-Gesamtbedarf zwischen Mitte und Ende November ist bei weitem nicht eingetreten.
• Die Zahl der Corona-Toten hat sich im Vergleich zum sehr niedrigen Niveau Anfang Oktober deutlich erhöht und ist jetzt auf dem Niveau einer starken Grippe. Angesichts der stagnierenden Intensivpatientenzahl sollte auch die Dynamik des Sterbezahlen-Wachstums bald deutlich abnehmen.
• Das von der Politik permanent betonte Ziel, die Zahl der wöchentlichen "Neuinfektionen" pro 100.000 Einwohner unter die 50er-Marke zu drücken, liegt in weiter Ferne und scheint bis auf weiteres nicht erreichbar.
Laut Konferenzbeschluss muss die genannte 50er-Marke aus zwei Gründen durchgesetzt werden:
• um "eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden"
• um "eine vollständige Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten".
Der erstgenannte Punkt ist zur Zeit nicht akut. Nach Jens Spahns Einschätzung können deutsche Kliniken 6.000 Covid-19-Patienten, wenn auch "unter sehr großem Stress", bewältigen. Derzeit liegt deren Zahl bei 3.826 - Tendenz leicht ansteigend.
Der zweite Punkt beschreibt ein Verwaltungsproblem, das durchaus lösbar sein sollte, in einem Deutschland, welches als Verwaltungs-Mekka gilt und bereits Milliarden für Unternehmenshilfen aufbringen konnte.
Vielleicht sollten die Menschen in Zeiten überlasteter Gesundheitsämter auch ganz ausdrücklich dazu aufgefordert werden, sich aktiv an der Kontaktnachverfolgung zu beteiligen, sobald sie selbst oder ihr direktes Umfeld von einer CoV-2-Infektion betroffen sind.
Wenn man die Angst einmal beiseite lässt, sind wir derzeit in einer einigermaßen erträglichen Situation. Das Infektionsgeschehen weitet sich kaum aus, und man könnte auch das Ziel formulieren, diesen Zustand in etwa zu stabilisieren. In diesem Fall hätte eine Nachjustierung der bisherigen Maßnahmen genügt; und einige offensichtlich wirkungsfreie Verbote, wie z. B. Kinoschließungen trotz bereits umgesetzter Sicherheitsauflagen, hätten zurückgenommen werden können.
In einer Demokratie, also einer Herrschaft des Volkes, sollte es selbstverständlich sein, dass staatliche Eindämmungsmaßnahmen insbesondere organisatorische Funktion erfüllen, und die Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Bürger an allererster Stelle steht. Die Bereitschaft diese Eigenverantwortung auch wahrzunehmen, gehört unabdingbar dazu.