"Neun-Euro-Ticket weiterfahren": Breite Allianz für günstige Mobilität
Neben Greenpeace und Linken melden sich die Nachwuchsorganisationen von zwei Ampel-Parteien zu Wort. Nur bei der FDP kommt die Forderung gar nicht gut an.
Während die Verkehrsbetriebe eine Verlängerung des Neun-Euro-Monatsticket-Angebots für September und Oktober fordern, um der Politik Zeit für ein Anschlusskonzept zu verschaffen, bockt in der Ampel-Bundesregierung die FDP. Führende Mitglieder der Jugendorganisationen ihrer Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen trommeln unterdessen mit Greenpeace und Linken für eine Verstetigung des Angebots.
"Wir brauchen schnell eine Nachfolgelösung", sagte Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), vergangene Woche der Süddeutschen Zeitung. "Am besten wäre es, die Aktion als Übergangslösung um weitere zwei Monate zu verlängern. Das Ticket könnte im September und Oktober weiter gelten und so die Bürgerinnen und Bürger von den hohen Energiepreisen entlasten", betonte Wolff.
Inzwischen hat die Umweltorganisation Greenpeace vorgerechnet, dass auch Haushalte mit eigenem Pkw, die weiterhin einen Teil ihrer Wegstrecken mit dem Auto zurücklegen, zum Teil deutlich von den günstigen Monatstickets profitieren – aber der Bundesfinanzminister und Porsche-Fan Christian Lindner (FDP) stellte am Wochenende klar: "Das Konzept überzeugt mich nicht".
Das liegt vermutlich weniger an fehlenden Vorschlägen zur Finanzierung – denn solche gibt es – als an Lindners Nähe zu Automobilunternehmen und daran, dass zu diesen Vorschlägen auch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs zählt.
Untere Einkommensklasse in Großstädten erstmals flexibel mobil
Fernab von Lindners Lebensrealität wird das anders gesehen: Nach Zahlen des Statistischem Bundesamt gaben Haushalte der niedrigsten erfassten Einkommensklasse – also solche mit monatlich weniger als 1100 Euro – vor der Einführung des Neun-Euro-Tickets im Juni rund 40 Euro pro Monat für Mobilität aus; der Regelsatz für Mobilität in den Sozialleistungen liegt bei 40,27 Euro.
In Großstädten wie Hamburg ist damit kein reguläres Monatsticket für den ÖPNV zu finanzieren. Betroffene waren also in ihrer jeweiligen Heimatstadt nicht flexibel mobil. Sie sind es erstmals mit dem Neun-Euro-Ticket und wären es auch mit einem 365-Euro-Jahresticket.
Letzteres kostet Einzelpersonen monatlich gut 30 Euro und Haushalte mit vier Vollzahlenden monatlich 122 Euro. "Für diesen Betrag lässt sich ein Gebrauchtwagen mit normaler Laufleistung nicht unterhalten", betont Greenpeace. Die unteren Einkommensgruppen können das, wenn sie Großstadtmieten zahlen, ohnehin nicht.
Nicht zufällig sind seit Einführung des Neun-Euro-Angebots auch weniger Bußgelder wegen Fahrens ohne Fahrschein verhängt worden. Letztere waren und sind für die öffentliche Hand nicht immer ein Gewinn, da armutsbedingt auch in einigen Fällen Ersatzfreiheitsstrafen abgesessen werden.
Kampagne von Linken, Greenpeace, Grüner Jugend und Jusos
An der am Montag gestarteten Kampagne "9 Euro Ticket weiterfahren" beteiligen sich neben Greenpeace-Aktivistinnen und Vorstandsmitgliedern der Partei Die Linke auch die Vorsitzenden der Grünen Jugend, Sahra-Lee Heinrich und Timon Dzienus sowie der Juso-Vize Lasse Rebbin.
"Soziale und ökologische Krisen müssen sich nicht gegenseitig befeuern, wir können sie gleichzeitig lösen. Das Neun-Euro Ticket ist ein Beispiel dafür: es schafft günstigen Zugang zu Mobilität und bringt den Klimaschutz voran", betont die Naturschutzökologin und Aktivistin Carola Rackete als Unterstützerin der Kampagne, für die nun Unterschriften gesammelt werden.
Sabine Leidig, ehemals Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und Herausgeberin des Buches "Linksverkehr: Projekte und Geschichten, Beton und Bewegung" sieht in der "guten Erfahrung von Millionen" mit den günstigen Monatstickets "Rückenwind" für die Verkehrswende, die nun endlich in Fahrt kommen müsse. Dabei geht es natürlich auch um die Beseitigung von Mängeln in der Infrastruktur, die durch erhöhte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel spürbar wurden.
Zur Gegenfinanzierung werden beispielsweise die Einführung einer Kerosinsteuer und die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs vorgeschlagen – auch von den Jusos.